Normen
Art. 103 Abs. 1 GG
§ 96 Abs. 2
§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO
§ 119 Nr. 3 FGO
Gründe
I.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren Kommanditisten der A-KG (KG). Gegenstand des Unternehmens der KG war der Vertrieb von Handstrickgarnen und Textilien. Im Juli des Streitjahres 1994 erwarb die KG einen Anteil an der Fa. B-GmbH (GmbH) zum Nennwert von 900 000 DM, den sie im Mai 1995 für 9 000 DM wieder veräußerte. Im Juli 1995 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. In der Bilanz zum 31. Dezember 1994 nahm die KG auf den Anteil eine Teilwertabschreibung in Höhe von 891 254 DM vor. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erkannte die Teilwertabschreibung nicht an.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Die Beteiligung an der GmbH habe weder zum notwendigen noch zum gewillkürten Betriebsvermögen der KG gehört. Sie sei nicht geeignet gewesen, den Betrieb der KG zu fördern und ihm zu dienen, da sie nur dem Zweck habe dienen können, einen außerhalb des Betriebs der KG entstandenen oder zu befürchtenden Verlust in deren betriebliche Sphäre zu verlagern. Es sei bereits zum Zeitpunkt ihrer Anschaffung absehbar gewesen, dass sie weiterhin verlustbringend sein würde. Das FG hat die Revision nicht zugelassen.
II.
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1.
Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt, indem es sich nicht mit dem Vorbringen der Kläger auseinandergesetzt hat, die GmbH habe im ersten Halbjahr des Streitjahres einen operativen Gewinn erzielt. Es kann daher dahinstehen, ob weitere Verfahrensmängel oder die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 2. Alternative FGO vorliegen.
a)
Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 4. August 2004 1 BvR 1557/01, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2005, 81, m.w.N.). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist nur dann festzustellen, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (BVerfG-Beschluss vom 15. April 1980 2 BvR 827/79, BVerfGE 54, 86, m.w.N.). Geht das Gericht auf den Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von entscheidender Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung dieses Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG-Beschluss vom 19. Mai 1992 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, m.w.N.).
b)
Nach diesen Maßstäben hat das FG den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. Denn das FG ist in den Entscheidungsgründen nicht auf den Vortrag der Kläger eingegangen, die GmbH habe im ersten Halbjahr 1994 einen Gewinn aus laufendem Geschäft in Höhe von 486 159 DM erzielt, da der in der Zwischenbilanz zum 30. Juni 1994 ausgewiesene Gewinn von 10 573 249 DM (nur) in Höhe von 8 537 090 DM auf die Veräußerung des Sachanlagevermögens und in Höhe von 1 550 000 DM auf einen Darlehensverzicht entfallen sei. Dieses Vorbringen war nach der Rechtsauffassung des FG erheblich. Das FG hat seine Entscheidung, die Beteiligung an der GmbH sei nicht geeignet gewesen, die Kapitalkraft bzw. Kreditwürdigkeit der KG zu stärken, neben den Verlusten in den Jahren 1992 und 1993 darauf gestützt, dass der Gewinn des ersten Halbjahres 1994 allein aus der Aufdeckung stiller Reserven resultierte, die GmbH ansonsten aber einen operativen Verlust erzielt habe. Das FG hätte daher erläutern müssen, weshalb es abweichend vom Vortrag der Kläger von einem operativen Verlust ausgeht. Die bloße Bezugnahme auf den Konkursbericht genügt hierfür nicht.
c)
Die Kläger haben insoweit nicht ihr Rügerecht verloren. Eine entsprechende Rüge war in der mündlichen Verhandlung nicht möglich, da sich die Verletzung ihres rechtlichen Gehörs erst aus den Entscheidungsgründen ergibt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5. September 2001 I R 101/99, BFH/NV 2002, 493).
d)
Nach § 119 Nr. 3 FGO wird vermutet, dass das Urteil auf der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht. Die Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO gilt zwar nicht ausnahmslos. Sie wird aber nur dann durchbrochen, wenn das Gehör nur hinsichtlich einzelner Feststellungen verletzt wurde, auf die es unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt (BFH-Beschluss vom 14. Mai 2003 X B 168/02, BFH/NV 2003, 1205, m.w.N.). Im Streitfall war die Feststellung, ob die GmbH im ersten Halbjahr 1994 einen operativen Verlust erzielt hat oder nicht, indes entscheidungserheblich.
2.
Der Verfahrensfehler hat zur Folge, dass das FG-Urteil ohne sachliche Nachprüfung aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist (§ 116 Abs. 6 FGO).
Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat auf Folgendes hin:
a)
Bei einer gewerblich tätigen und bilanzierenden Personengesellschaft --wie im Streitfall der KG-- sind die zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter wegen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) grundsätzlich als Betriebsvermögen zu behandeln (vgl. BFH-Urteil vom 22. Mai 1975 IV R 193/71, BFHE 116, 328, BStBl II 1975, 804, m.w.N.).
b)
Die handelsrechtliche Zurechnung eines Wirtschaftsguts zum Gesellschaftsvermögen ist jedoch nicht allein maßgeblich für dessen Zuordnung zum steuerlich relevanten Betriebsvermögen der gewerblich tätigen Mitunternehmerschaft. Vielmehr kommt unter Heranziehung der steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften, insbesondere des § 4 EStG, nur solchen Wirtschaftsgütern die Eigenschaft des Betriebsvermögens zu, die von den Mitunternehmern bzw. der Mitunternehmerschaft dazu eingesetzt werden, dem Betrieb zur Gewinnerzielung im Rahmen der nachhaltigen Betätigung zu dienen. Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens gehören daher nicht zum Betriebsvermögen, wenn ihre Zugehörigkeit zum Gesellschaftsvermögen nicht betrieblich veranlasst ist (BFH-Urteil vom 25. November 2004 IV R 7/03, BFHE 208, 207, BStBl II 2005, 354, m.w.N.). Eine betriebliche Veranlassung ist zu verneinen, wenn --wovon das FG zutreffend ausgegangen ist-- beim Erwerb des Wirtschaftsguts bereits erkennbar war, dass es dem Betrieb der Personengesellschaft keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen wird; insoweit gelten die gleichen Maßstäbe wie für die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zum gewillkürten Betriebsvermögen eines Einzelunternehmers (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1967 IV 32/63, BFHE 88, 323, BStBl III 1967, 391, m.w.N.).
Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.