Normen
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG
Gründe
I.
Der unverheiratete, 1972 geborene Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Innenarchitekt. Nach Beendigung seines Studiums im Jahr 2000 war er zunächst in B nichtselbständig tätig. Am 1. April des Streitjahres (2001) nahm er eine Tätigkeit in E auf. Dort mietete er, wie zuvor in B, eine Wohnung an. An den Wochenenden und im Urlaub hielt er sich in seinem Heimatort auf. Hier nutzt er seit der Zeit seines Studiums eine ca. 34 qm große abgeschlossene Dachgeschosswohnung im Haus seiner Eltern. Diese bewohnen die Erdgeschosswohnung, das Obergeschoss ist fremdvermietet. Im Streitjahr nutzte der Kläger die Wohnung ohne finanzielle Gegenleistung.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 2 704 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte ihn erklärungsgemäß. Im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid, mit dem das FA u.a. den Vorbehalt der Nachprüfung aufhob, erklärte der Kläger nunmehr Mehraufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung in Höhe von 11 312 DM, die das FA nicht anerkannte.
Der dagegen gerichteten Klage, mit der der Kläger die Berücksichtigung weiterer Werbungskosten einschließlich "Umzugskostenpauschale" und "Stellplatzmiete" in Höhe von insgesamt 11 263 DM, begehrte, gab das Finanzgericht (FG) statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1755 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das FA beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die geltend gemachten Aufwendungen wegen doppelter Haushaltsführung des Klägers dem Grunde nach zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Es hat allerdings zu Unrecht Umzugskosten pauschal anerkannt.
1.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach Nr. 5 Satz 2 der Vorschrift vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt.
a)
Hausstand im Sinne der Vorschrift ist der Haushalt, den der Arbeitnehmer am Lebensmittelpunkt führt, also sein Erst- oder Haupthaushalt (von Bornhaupt, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 9 Rz G 30). Unter dem Begriff des Haushalts ist die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1. Februar 2007 VI R 77/05, BFH/NV 2007, 1024). Dabei ist die Wohnung der räumliche Bereich, in dem sich der Haushalt entfaltet (von Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rz G 32).
b)
Ein "eigener" Hausstand erfordert, dass er vom Arbeitnehmer aus eigenem oder abgeleitetem Recht genutzt wird (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 VI R 62/90, BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180). Der eigene Hausstand muss vom Arbeitnehmer "unterhalten" oder mitunterhalten werden. Unterhalten bedeutet die Führung eines Haushalts (von Bornhaupt, a.a.O., § 9 Rz G 31). Dazu gehört auch, dass der Arbeitnehmer für die Kosten des Haushalts aufkommt.
Nach der früheren Rechtsprechung des BFH setzte das Unterhalten des eigenen Hausstands voraus, dass der Arbeitnehmer eine Wohnung besaß, deren Einrichtung seinen Lebensbedürfnissen entsprach und in der auch in seiner beruflich bedingten Abwesenheit hauswirtschaftliches Leben herrschte, das er durch finanzielle und persönliche Mitwirkung maßgeblich mitbestimmte (vgl. u.a. Urteil vom 22. September 1988 VI R 53/85, BFHE 155, 77, BStBl II 1989, 293). Der BFH hat diese Rechtsprechung, die grundsätzlich einen Familienhaushalt voraussetzte, mit dem Urteil in BFHE 175, 430, BStBl II 1995, 180 aufgegeben. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass der Haupthaushalt auch von einem Alleinstehenden unterhalten, d.h. geführt werden kann. Statt der Forderung nach ununterbrochenem hauswirtschaftlichen Leben kommt es darauf an, dass der nicht verheiratete Arbeitnehmer sich in dem Haushalt, im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeitsbedingte Abwesenheit und ggf. Urlaubsfahrten, aufhält; denn allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte ist noch nicht als Unterhalten eines Hausstandes zu bewerten. Ebenfalls wird ein eigener Hausstand nicht unterhalten, wenn der Arbeitnehmer die Haushaltsführung nicht zumindest mitbestimmt, sondern in einen fremden Haushalt (z.B. in den der Eltern oder als Gast) eingegliedert ist, so dass von einer eigenen Haushaltsführung nicht gesprochen werden kann.
2.
Die Entscheidung des FG entspricht diesen Grundsätzen. Seine Auffassung, dass der Kläger im Streitjahr in seinem Heimatort den Haupthausstand unterhalten hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a)
Das FG ist --offensichtlich in Übereinstimmung mit den Beteiligten-- davon ausgegangen, dass die doppelte Haushaltsführung aus beruflichem Anlass begründet wurde und sich der Lebensmittelpunkt des Klägers im Streitjahr noch in seinem Heimatort befand.
b)
Das FG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme ferner festgestellt, dass der Kläger eine abgeschlossene Wohnung im Dachgeschoss seines Elternhauses nutzte. Es hat weiter festgestellt, dass er diese Wohnung aufgrund der mit seinen Eltern getroffenen Absprache dauerhaft zu eigenen Wohnzwecken nutzen konnte und dass er "aus eigenen Mitteln seine Haushaltsführung bestritten hat". Es ist deshalb im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger dort seinen Haupthaushalt unterhielt. Das FG hat dem Umstand, dass dem Kläger die Wohnung unentgeltlich überlassen worden ist, keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen.
aa)
In den Fällen, in denen dem Arbeitnehmer die Wohnung unentgeltlich überlassen wird, kann sich in besonderer Weise die Frage stellen, ob er einen eigenen Hausstand unterhält oder in einen fremden eingegliedert ist. Zwar ist die entgeltliche Einräumung einer Rechtsposition nicht Voraussetzung einer doppelten Haushaltsführung bei Alleinstehenden. Nutzt allerdings der Arbeitnehmer eine Wohnung unentgeltlich, ist stets sorgfältig zu prüfen, ob die Wohnung eine eigene oder die des Überlassenden, z.B. der Eltern, darstellt (vgl. von Twickel, Anm. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2004, 108). Dabei ist das Merkmal der Entgeltlichkeit ein Indiz, das im Zusammenhang mit einer Gesamtwürdigung aller Umstände zu einer zutreffenden Beurteilung führen kann, nicht jedoch eine unerlässliche Voraussetzung (conditio sine qua non) für die Beantwortung der Frage, ob ein eigener Hausstand unterhalten wird. Denn ein eigener Hausstand kann bei Kostentragung im Übrigen auch in einer unentgeltlich überlassenen Wohnung geführt werden. Hier gilt nichts Anderes als bei einem Familienhaushalt, bei dem es, wie dargestellt, auf die finanzielle Beteiligung des auswärts Beschäftigten an der "Haushaltsführung" ankommt (s. dazu auch BFH-Urteile vom 12. September 2000 VI R 165/97, BFHE 193, 282, BStBl II 2001, 29; vom 4. November 2003 VI R 170/99, BFHE 203, 386, BStBl II 2004, 16; vom 14. Oktober 2004 VI R 82/02, BFHE 207, 292, BStBl II 2005, 98 ).
bb)
Im Streitfall stand nach Würdigung der Gesamtumstände des Falles zur Überzeugung des FG fest, dass der Kläger in der ihm von seinen Eltern überlassenen Dachgeschosswohnung einen eigenen Hausstand führte, auch wenn er sich an den laufenden Kosten dieser Wohnung nicht beteiligen musste. Diese Würdigung ist möglich und deshalb nicht zu beanstanden. Nach den genannten Grundsätzen kann aus dem Umstand der kostenlosen Nutzung der Wohnung nicht ohne Weiteres auf die Eingliederung in den elterlichen Haushalt geschlossen werden.
3.
Nach Auffassung des FG ist die Höhe des vom Kläger pauschal geltend gemachten Betrags für Umzugsaufwendungen nicht zu beanstanden. Zur Begründung verweist das FG u.a. auf R 41 Abs. 2 der Lohnsteuerrichtlinien 2001 (LStR). Dem kann nicht gefolgt werden. Denn es gilt grundsätzlich die allgemeine Nachweispflicht des Steuerpflichtigen für Werbungskosten. Und selbst nach der Pauschalierungsregelung (vgl. dazu Küttner/Thomas, Personalbuch 2007, Stichwort Pauschbeträge, Rz 11 ff.) in R 43 Abs. 10 LStR ist bei einem Umzug u.a. anlässlich des Wechsels einer doppelten Haushaltsführung der Nachweis von Aufwendungen erforderlich.
Durch eine doppelte Haushaltsführung veranlasste Umzugskosten sind nur bei entsprechendem Nachweis zu berücksichtigen. Im deshalb erforderlich gewordenen zweiten Rechtsgang wird das FG daher zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe dem Kläger Umzugskosten entstanden sind. Weiter wird es auch zu prüfen haben, ob es sich bei der vom Kläger ebenfalls geltend gemachten Stellplatzmiete um notwendige Mehraufwendungen i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG handelt.
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