BFH VIII R 10/05

BFHVIII R 10/0511.7.2006

Amtlicher Leitsatz:

Wird in der Anlage "ESt 1,2,3 B" zum einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid die Spalte zum Korrekturbetrag nach § 15a Abs. 1, 2 oder 3 EStG von der Finanzbehörde nicht ausgefüllt, so kann ohne zusätzliche Anhaltspunkte der Empfänger des Gewinnfeststellungsbescheides unter Berücksichtigung von Treu und Glauben nicht von einer zugleich getroffenen --negativen-- einheitlichen und gesonderten Feststellung auch über die Höhe des verrechenbaren Verlustes dieses Feststellungszeitraums ausgehen.

Normen

§ 15a Abs. 1- 3 EStG
§ 56 Abs. 1 FGO
§ 56 Abs. 2 S. 3 FGO
§ 118 S. 1 AO 1977

FG München - 21.10.2003 - AZ: 6 K 1333/03

 

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der am 21. Juli 2005 verstorbenen Frau S, die seit 1987 atypisch still an der Z-GmbH beteiligt war.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte mit einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheiden für die Z-GmbH & atypisch Still für die Streitjahre 1997 und 1998 endgültig und bestandskräftig Verluste in Höhe von 254 236 DM und 155 390 DM fest und verteilte sie auf die Z-GmbH und die atypisch stille Gesellschafterin (vgl. Vordruck Anlage "ESt 1,2,3 B").

Im Rahmen der Bearbeitung der Feststellungserklärung für 1999 forderte das FA die Erblasserin auf, Erklärungen zur Feststellung der verrechenbaren Verluste nach § 15a des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Jahre 1997 bis 1999 einzureichen. Die Erblasserin entsprach dieser Aufforderung für die Jahre 1997 und 1998 nicht, weil sie die Berechtigung des FA für entsprechende nachträgliche Feststellungen verneinte.

Unter dem 12. Juni 2002 erließ das FA gegenüber der Erblasserin als atypisch still Beteiligter Bescheide über die gesonderte Feststellung der verrechenbaren Verluste, in denen es die verrechenbaren Verluste zum 31. Dezember 1997 auf 66 985 DM und zum 31. Dezember 1998 auf 178 767 DM feststellte.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und hob die Bescheide über die gesonderte Feststellung verrechenbarer Verluste für 1997 und 1998 auf.

Mit der --vom Senat mit Beschluss vom 1. Februar 2005 VIII B 306/03 zugelassenen-- Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Auf den Hinweis der Senatsvorsitzenden an das FA, dass die Revisionsbegründung verspätet eingegangen sei, hat das FA Wiedereinsetzung in die versäumte Revisionsbegründungsfrist beantragt.

Der Schriftsatz vom 7. März 2005 sei der Poststelle im FA noch am selben Tag übergeben worden. Er sei dort kuvertiert und mit Freistempler frankiert und sodann in den zur Abholung durch die Deutsche Post AG bereitgestellten Postbehälter gelegt worden (vgl. Absendevermerk vom 7. März 2005).

Seit April 2004 bestehe mit der Deutschen Post AG eine Vereinbarung, dass diese täglich die Postsendungen beim FA abhole, ohne dass sich ausweislich der Bescheinigung der Deutschen Post AG hieraus eine Verlängerung der gewöhnlichen Brieflaufzeit von einem Tag ergäbe.

II.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage als unbegründet (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1.

Die Revision ist nicht rechtzeitig begründet worden.

Nach § 120 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO beträgt die Revisionsbegründungsfrist im Falle des § 116 Abs. 7 FGO für den Beschwerdeführer einen Monat nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision.

Der Beschluss des Senats vom 1. Februar 2005 VIII B 306/03, mit dem der Senat auf die Beschwerde des FA die Revision zugelassen hat, ist dem FA nach der Postzustellungsurkunde am 8. Februar 2005 zugestellt worden. Im Streitfall ist die Revisionsbegründungsfrist am Dienstag, den 8. März 2005, abgelaufen gewesen (§ 54 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung --ZPO-- und §§ 187, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Die Revisionsbegründung ist indes ausweislich des Eingangsstempels erst am Mittwoch, den 9. März 2005, beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

2.

Dem FA wird wegen Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO gewährt.

a)

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auf Antrag zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). In formeller Hinsicht setzt die Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO), und diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.

b)

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfen Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder -zustellung, die der Rechtsmittelführer nicht zu vertreten hat und auf die er auch keinen Einfluss besitzt, nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In Fällen der Postlaufzeiten bei Inlandsbeförderung kann darauf vertraut werden, dass die von der Deutschen Post AG nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden.

In der Verantwortung des Beteiligten liegt es nur, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, dass es nach diesen organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Post AG bei regelmäßigem Dienstablauf den Empfänger fristgerecht erreicht.

Die Dauer einer Inlandsbeförderung ist nach den amtlichen Verlautbarungen der Deutschen Post AG und dem Erfahrungswissen der Gerichte grundsätzlich gerichtsbekannt (vgl. BFH-Urteil vom 7. Mai 1996 VIII R 60/95, BFH/NV 1997, 34, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 9. Februar 1998 VIII B 20/97, BFH/NV 1998, 988).

Die Beteiligten können grundsätzlich Rechtsmittelfristen bis zum letzten Tag ausschöpfen, ohne sich insoweit rechtfertigen zu müssen. Sie sind im Rahmen der von der Deutschen Post AG verlautbarten Regellaufzeiten auch nicht gehalten, zusätzliche Vorkehrungen zur Fristwahrung zu treffen.

Gegen Ende der Rechtsmittelfrist obliegt es ihnen lediglich, bei Inanspruchnahme der Post eine Beförderungsart zu wählen, die --unter Berücksichtigung der normalen Postlaufzeiten-- die Einhaltung der Frist gewährleistet.

Ist die übliche Postlaufzeit überschritten, so kommt es nicht mehr darauf an, auf welchen Gründen die Verzögerung beruht.

Insbesondere trifft den Prozessbeteiligten in diesem Rahmen weder eine zusätzliche Erkundigungspflicht bei der Empfangsbehörde noch ist er verpflichtet, alternative Beförderungsmittel zu nutzen.

Schließlich sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zur FGO bei der Überschreitung von Postlaufzeiten an die Sorgfaltspflichten bei einer Behörde dieselben Anforderungen zu stellen, wie bei einem Prozessbevollmächtigten (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 34, m.w.N.).

c)

In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist dem FA Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist zu gewähren.

Das FA hat auf das ihm am 15. März 2005 zugestellte Hinweisschreiben der Senatsvorsitzenden vom 14. März 2005 wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist am 24. März 2005 Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist fristgerecht beantragt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO).

Ausweislich des Poststempels vom 7. März 2005 auf dem zu den Akten genommenen Briefumschlag ist das Schriftstück zur Weiterbeförderung versandfertig gewesen. Nach der Bestätigung vom 24. März 2005 führt die Deutsche Post AG bei dem FA einen Abholservice durch. An Werktagen werden die Sendungen gegen ca. 17.00 Uhr abgeholt und unter normalen Voraussetzungen erreichen diese Sendungen den Empfänger am folgenden Werktag.

Unter diesen Umständen hat das FA seinen Sorgfaltspflichten hinsichtlich der Wahrung der Rechtsmittelbegründungsfrist entsprochen.

3.

Das FG ist zu Unrecht von negativen Feststellungen des FA bezüglich nur verrechenbarer Verluste der atypisch stillen Gesellschafterin nach § 15a Abs. 2 EStG in Verbindung mit den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungen für die Z-GmbH & atypisch Still in den Streitjahren 1997 und 1998 ausgegangen.

a)

Gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG darf der einem Kommanditisten zuzurechnende Anteil am Verlust der KG weder mit anderen Einkünften aus Gewerbebetrieb noch mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden, soweit ein negatives Kapitalkonto des Kommanditisten entsteht oder sich erhöht. Soweit der Verlust nach Abs. 1 nicht ausgeglichen oder abgezogen werden darf, mindert er nach § 15a Abs. 2 EStG die Gewinne, die dem Kommanditisten in späteren Wirtschaftsjahren aus seiner Beteiligung an der KG zuzurechnen sind.

Der nach Abs. 1 nicht ausgleichs- oder abzugsfähige Verlust eines Kommanditisten, vermindert um die nach Abs. 2 abzuziehenden und vermehrt um die nach Abs. 3 hinzuzurechnenden Beträge (verrechenbarer Verlust) ist jährlich gesondert festzustellen (§ 15a Abs. 4 Satz 1 EStG). Dabei ist von dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres auszugehen. Zuständig ist das für die gesonderte Feststellung des Gewinns und Verlusts der Gesellschaft zuständige Finanzamt. Der Feststellungsbescheid kann nur insoweit angegriffen werden, als der verrechenbare Verlust gegenüber dem verrechenbaren Verlust des vorangegangenen Wirtschaftsjahres sich verändert hat (§ 15a Abs. 4 Satz 1 bis 4 EStG).

Die geänderten Feststellungen nach Satz 1 können mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der einkommensteuerpflichtigen Einkünfte verbunden werden. In diesen Fällen sind die gesonderten Feststellungen des verrechenbaren Verlustes einheitlich durchzuführen (§ 15a Abs. 4 Sätze 5 und 6 EStG).

Gemäß § 15a Abs. 5 EStG sind die Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Sätze 1, 2 und 4 sowie Abs. 4 sinngemäß für andere Unternehmer anzuwenden, soweit deren Haftung der eines Kommanditisten vergleichbar ist, insbesondere für nach Nr. 1 stille Gesellschafter einer stillen Gesellschaft i.S. des § 230 des Handelsgesetzbuchs (HGB), bei der der stille Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist (BFH-Urteil vom 11. März 2003 VIII R 33/01, BFHE 202, 152, BStBl II 2003, 705).

b)

Das FA hat im Zusammenhang mit den einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheiden für 1997 vom 31. Mai 1999 und für 1998 vom 21. Februar 2000 entgegen der Annahme des FG nicht zugleich gesonderte und einheitliche negative Feststellungen über die Höhe der verrechenbaren Verluste in diesen Jahren getroffen.

aa)

Ob eine als Verwaltungsakt i.S. von § 118 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu qualifizierende Regelung vorliegt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1997 I R 32/95, BFHE 183, 496 , BStBl II 1998, 176) und welchen Regelungsinhalt ein Verwaltungsakt hat, ist über den bloßen Wortlaut hinaus im Wege der Auslegung zu ermitteln, wobei die §§ 133, 157 BGB auch für öffentlich-rechtliche Willensbekundungen geltende Auslegungsregeln enthalten.

Entscheidend ist danach, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen --nach seinem "objektiven Verständnishorizont" (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1995 V R 64/94, BFHE 179, 211, BStBl II 1996, 256)-- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (vgl. BFH-Urteile vom 18. April 1991 IV R 127/89, BFHE 164, 185, BStBl II 1991, 675; vom 18. Juli 1994 X R 33/91, BFHE 175, 294 , BStBl II 1995, 4; vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480).

Bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes kommt es somit nicht darauf an, was die Finanzbehörde mit ihrer Erklärung gewollt hat (BFH-Urteil vom 11. Mai 1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446). Es kommt auch nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter die Erklärung der Behörde auffassen konnte bzw. musste (BFH-Urteil vom 30. September 1988 III R 218/84, BFH/NV 1989, 749). Kommt es bei der Auslegung des Feststellungsbescheides auf die Sicht des Steuerpflichtigen an, so ist es unerheblich, ob die notwendige Feststellung unbewusst unterblieben ist oder ob das FA auch dann eine Feststellung in einem Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO 1977 treffen kann, wenn es zuvor bewusst auf diese Feststellung verzichtet hat (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 1446; vom 18. November 1997 VIII R 65/95, BFH/NV 1998, 573, mit umfangreichen Nachweisen; vom 18. Februar 1997 VII R 96/95, BFHE 182, 282 , BStBl II 1997, 339).

Weil der Verwaltungsakt nur mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam wird (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), muss aber die Auslegung zumindest einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben (vgl. BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; in BFHE 175, 294 , BStBl II 1995, 4; BFH-Beschluss vom 16. März 2001 IV B 17/00, BFH/NV 2001, 1103). Maßgebend sind deshalb auch nicht die erst nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu Tage tretenden Umstände (BFH-Urteil vom 4. Oktober 1988 VIII R 161/84, BFH/NV 1989, 758).

Im Zweifel ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen, da er als Empfänger einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung der Verwaltung durch etwaige Unklarheiten aus deren Sphäre nicht benachteiligt werden darf (BFH-Urteile vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791, mit umfangreichen Nachweisen; in BFH/NV 1999, 1446).

Bei der Auslegung ist nicht allein auf den Tenor des Bescheides abzustellen, sondern auch auf den materiellen Regelungsgehalt einschließlich der Begründung des Bescheides (BFH-Beschluss vom 9. März 1995 X B 242/94, BFH/NV 1995, 858).

Zur Auslegung ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG hierfür ausreichen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791). Der BFH ist nicht an die Auslegung eines Feststellungsbescheides durch das FG gebunden. Die Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom Revisionsgericht vielmehr in eigener Zuständigkeit zu beantworten und ggf. zu korrigieren (BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 1446, m.w.N.; in BFHE 175, 294 , BStBl II 1995, 4).

bb)

Nach diesen Auslegungsmaßstäben und nach den gesamten Umständen des Streitfalles konnte der Empfänger der Gewinnfeststellungsbescheide für 1997 und 1998 --der steuerlich beratene Geschäftsführer der Z-GmbH-- die Feststellungsbescheide nicht dahin gehend verstehen, dass für die atypisch stille Gesellschafterin durch die unausgefüllte Rubrik zu § 15a EStG in der Anlage ESt 1,2,3 B zugleich eine gesonderte negative Feststellung dahin gehend getroffen sei, dass für die Streitjahre 1997 und 1998 keine verrechenbaren, sondern im Ergebnis in vollem Umfang ausgleichsfähige Verluste vorlägen.

Zwar ist die Höhe der verrechenbaren Verluste von Amts wegen jährlich gesondert festzustellen.

In den vom Geschäftsführer der Z-GmbH unter Mitwirkung des Prozessvertreters gefertigten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 1997 und 1998 hatte er indes keine Angaben zu nur verrechenbaren Verlusten und zu deren Entwicklung gemacht. Insbesondere handelt es sich nicht um eine notwendige Feststellung im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung.

Notwendige Feststellungen sind solche, die im Einzelfall in einem Feststellungsverfahren getroffen werden müssen und nicht erst in einem Folgeverfahren (der Steuerfestsetzung oder einem weiteren gesonderten Feststellungsverfahren) getroffen werden dürfen (BFH-Urteil vom 6. Dezember 2005 VIII R 99/02, BFH/NV 2006, 1041 , m.w.N.).

Steuerverwaltung und Rechtsprechung sind insoweit nicht berechtigt, das Feststellungsverfahren jeweils nach Zweckmäßigkeitserwägungen zu gestalten (BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 48/93, BFH/NV 1995, 84, 86).

Die Feststellung des verrechenbaren Verlustes ist stets ein selbstständiger Verwaltungsakt, für den die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung Bindungswirkung als Grundlagenbescheid entfaltet (§ 182 Abs. 1 AO 1977; BFH-Urteile vom 13. Oktober 1998 VIII R 78/97, BFHE 187, 227, BStBl II 1999, 163; vom 23. Februar 1999 VIII R 29/98, BFHE 188, 146, BStBl II 1999, 592; vom 23. Januar 2001 VIII R 30/99, BFHE 194, 403, BStBl II 2001, 621; vom 8. April 1998 VIII R 40/95, BFH/NV 1998, 1363).

Ist streitig, ob der einem atypisch stillen Gesellschafter --insoweit unstreitig-- zugeteilte Verlustanteil ausgleichsfähig oder nur verrechenbar ist, so ist darüber ausschließlich im Verfahren zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG zu entscheiden (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1995 IV R 106/94, BFHE 179, 368, BStBl II 1996, 226).

Ob die Feststellung des verrechenbaren Verlustes gesondert durch einen Bescheid oder in Verbindung mit dem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid in einem zusammengefassten Bescheid erfolgt, liegt im pflichtgemäßen Ermessen des FA.

Diese wesentlich verschiedenartige verfahrensrechtliche Ausgangslage erlaubt es nicht, die Rechtsfolgen aus einer fehlenden Feststellung in den unterschiedlichen Feststellungsverfahren ohne weiteres in gleicher Weise zu ziehen.

In einem einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid kann eine fehlende ausdrücklich notwendige gesonderte Feststellung, zumal wenn sie eine zwangsläufige Folge aus einer anderen Feststellung bildet, stillschweigend getroffen sein. So kann etwa die Beteiligung oder Nichtbeteiligung an der Gewinnverteilung die Feststellung einer Mitunternehmerstellung oder ihres Fehlens enthalten (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480, unter II.2. der Gründe, ferner auch die Rechtsprechung zum rechtlichen Stufenverhältnis von gesonderten Feststellungen, BFH-Beschluss vom 14. Januar 2003 VIII B 108/01, BFHE 201, 6, BStBl II 2003, 335 ; BFH-Urteil vom 6. Dezember 2000 VIII R 21/00, BFHE 194, 97, BStBl II 2003, 194, m.w.N.).

In diesem Sinne hat der BFH im Urteil vom 26. Juni 2002 IV R 3/01 (BFHE 199, 482, BStBl II 2003, 112), welches einen Fall der Anteilsübertragung betraf, aus dem Fehlen einer entsprechenden Feststellung den Schluss auf eine negative Feststellung hinsichtlich eines Veräußerungsverlustes gezogen.

Wiederholt hat der BFH allerdings bei sog. Null-Feststellungen im Rahmen einheitlicher und gesonderter Gewinnfeststellungsbescheide entsprechende Feststellungen als auslegungsbedürftig und auslegungsfähig beurteilt. Im Einzelfall kann es sich dabei um positive oder auch um negative Feststellungen handeln (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 1998, 573, und in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293).

Im Streitfall ist indes keine notwendige gesonderte Feststellung als Regelungsgegenstand einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung zu beurteilen, sondern die grundsätzlich davon verfahrensrechtlich unabhängige gesonderte Feststellung eines nur verrechenbaren Verlustes.

Allein die im Vordruck enthaltene Möglichkeit, auch hierzu in Verbindung mit der Gewinnfeststellung eine entsprechende Feststellung zu treffen, bietet keinerlei Anhaltspunkt für eine entsprechende Ermessensentscheidung des FA (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 1363).

Auch kommt es entgegen der Auffassung des FG nicht entscheidend darauf an, ob in der Veranlagungspraxis der Finanzverwaltung in der Regel von der Möglichkeit einer verfahrensmäßigen Verbindung Gebrauch gemacht wird. Abgesehen davon, dass das FG zu der behaupteten Praxis keine nachvollziehbaren Feststellungen getroffen hat, ist die Sicht des Empfängers maßgebend. Es müsste also zusätzlich festgestellt worden sein, dass eine solche Praxis dem konkreten Empfänger auch tatsächlich bekannt gewesen ist. Anderenfalls würde es sich um Schlussfolgerungen aus der Sicht Dritter handeln.

Es kann jedoch nur im Einzelfall entschieden werden, ob der betroffene Empfänger ernstlich nicht erkennen konnte, was die Behörde wollte. Die Frage lässt sich nicht generell entscheiden (BFH-Beschluss vom 22. Mai 1997 I B 114/96, BFH/NV 1997, 826).

Zwar kommt es für die Auslegung, da die Sicht des Steuerpflichtigen maßgebend ist, nicht auf den Regelungswillen der Finanzbehörde an. Umgekehrt kann indes aber auch nicht ohne ausreichende konkrete Umstände fiktiv auf einen Verwaltungsakt geschlossen werden.

4.

Da eine gesonderte Feststellung über nur verrechenbare Verluste vom FA im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellungsbescheide noch nicht getroffen worden ist, war das FA nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Feststellungsbescheide für die Streitjahre 1997 und 1998 erstmals zu erlassen.

Gegen die Höhe der festgestellten verrechenbaren Verluste hat die Klägerin bzw. ihre Rechtsnachfolgerin keine Einwendungen erhoben. Nach Aktenlage sind insoweit auch keine Fehler ersichtlich.

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