BFH

BFHV R 37/0017.1.2002

Amtlicher Leitsatz:

1. Im Rahmen des Konzepts einer "übertragenden Sanierung" kann eine Gesellschaft (Auffanggesellschaft) umsatzsteuerrechtlich bereits zu einem Zeitpunkt in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein, zu dem sie selbst noch keine Umsätze ausführt.

2. In diesem Fall steht der Auffanggesellschaft kein Vorsteuerabzug aus der Übertragung von Gegenständen des Betriebsvermögens des Organträgers auf sie zu.

Normen

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1991
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG 1991

FG Baden-Württemberg

 

Gründe

I.

Streitig ist, ob der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GmbH, der Vorsteuerabzug zu versagen ist, weil sie als --umsatzsteuerrechtlich unselbständige-- Organgesellschaft in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert war.

Gegenstand des Unternehmens der E-GmbH war insbesondere die Herstellung und der Vertrieb von . . . . Im Streitjahr 1992 beantragte sie am 23. März 1992 die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkurses wegen Überschuldung. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom folgenden Tag wurde der Beigeladene zum vorläufigen Verwalter bestellt.

Nach dessen Konzept der "übertragenden Sanierung" erwarb die E-GmbH --u. a. handelnd durch den Beigeladenen-- mit Vertrag vom 31. März 1992 sämtliche Geschäftsanteile der im Wege der Vorratsgründung entstandenen Klägerin und veräußerte dieser mit Vertrag vom 30. April 1992 einen Teil ihres Betriebsvermögens. Es handelte sich dabei um das dem Vertrieb der Produkte und der Erbringung von Kundendienstleistungen dienende bewegliche Anlage- und Umlaufvermögen einschließlich der immateriellen Wirtschaftsgüter. Beide Parteien wurden bei Vertragsschluss durch dieselben Geschäftsführer vertreten; der Beigeladene stimmte für die E-GmbH dem Vertrag vom 30. April 1992 zu.

Am 5. Mai 1992 genehmigte der Aufsichtsrat der E-GmbH die Gründung der --in dem Beschluss als "Tochtergesellschaft" bezeichneten-- Klägerin "als Vertriebsgesellschaft".

Die E-GmbH übergab der Klägerin am 30. Mai 1992 und am 1. Juni 1992 die ihr veräußerten Wirtschaftsgüter.

Am 1. Juni 1992 eröffnete das Amtsgericht das (Anschluss-)Konkursverfahren über das Vermögen der E-GmbH. Am selben Tag begann die Klägerin die ihr zugedachte Tätigkeit. Sie vertrieb die von der E-GmbH gefertigten . . . , wozu sie deren Personal in Anspruch nahm. Ferner kaufte sie das Material für die Herstellung der Produkte ein und stellte es der E-GmbH, die nahezu ausschließlich für die Klägerin tätig war, zum Zwecke der Lohnveredelung zur Verfügung. Die E-GmbH rechnete die Lohnfertigungskosten mit der Klägerin ab.

Über den Kaufpreis der übergebenen Gegenstände des Betriebsvermögens in Höhe von 7 710 768 DM erteilte die E-GmbH der Klägerin eine Rechnung, in der sie 14 % Umsatzsteuer in Höhe von 1 079 507, 52 DM auswies. Im vorliegend streitigen Umsatzsteuerbescheid für 1992 vom 12. Juli 1993 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) der Klägerin den Vorsteuerabzug aus dieser Rechnung.

Im Gegensatz zum Einspruch hatte die Klage Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1354 veröffentlicht ist, bejahte das Recht zum Vorsteuerabzug, weil die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe der Gegenstände des Betriebsvermögens nicht gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) als Organgesellschaft in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert, sondern selbständige Unternehmerin gewesen sei. Es fehle jedenfalls an der organisatorischen Eingliederung, weil insbesondere mangels einer laufenden Geschäftsführung bei der Klägerin bis zum 1. Juni 1992 ihr der in der E-GmbH allein den maßgeblichen Einfluss ausübende Beigeladene überhaupt keine entsprechenden Weisungen hätte erteilen können.

Mit der Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage als unbegründet abzuweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen vorzulegen:

"a) Gestatten es die Ziele der Richtlinie 77/388/EWG, zwei rechtlich selbständige Unternehmen unter den hier vorliegenden Voraussetzungen zu dem Zweck als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, um den Steuerfiskus dadurch vor dem Ausfall seiner Umsatzsteuerforderung gegen das leistende Unternehmen zu bewahren, indem dem empfangenden Unternehmen mit der Begründung, es sei zusammen mit dem leistenden Unternehmen als ein Steuerpflichtiger zu behandeln, der Vorsteuerabzug versagt wird,

oder

liegen die Ziele des Art. 4 Abs. 4 S. 2 der Richtlinie 77/388/EWG lediglich in der Steuervereinfachung, so daß einer rechtlich unabhängigen Person das Insolvenzrisiko des leistenden Unternehmens aus einer mit Umsatzsteuer ausgewiesenen Leistung nicht dadurch aufgebürdet werden darf, daß die beiden Unternehmen nachträglich mit der Begründung, sie seien durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen miteinander verbunden, zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden?

Insbesondere: Ist den finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch verbundenen Unternehmen nach einer den Zielen der Richtlinienvorschrift entsprechenden teleologischen Reduktion (. . . ) ein Wahlrecht einzuräumen, ob sie von der Verfahrensvereinfachung der umsatzsteuerlichen Organschaft Gebrauch machen,

oder

darf die Rechtsfigur der umsatzsteuerlichen Organschaft dafür bemüht werden, um ein verbundenes Unternehmen nachträglich und entgegen den im übrigen ordnungsgemäß durchgeführten und erklärten Vereinbarungen den Regeln der umsatzsteuerlichen Organschaft i. S. v. Art. 4 Abs. 4 S. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu unterwerfen, um dem Finanzamt einen drohenden Umsatzsteuerausfall wegen Insolvenz des anderen verbundenen Unternehmens zu ersparen?

b) Wenn die Frage (a) entgegen der hier vertretenen Auffassung beantwortet werden sollte:

Sind zwei rechtlich unabhängige Personen im Sinne von Art. 4 Abs. 4 S. 2 der Richtlinie 77/388/EWG 'durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden', so daß sie zusammen als ein Steuerpflichtiger behandelt werden dürfen, wenn das leistende Unternehmen unter den hier vorliegenden Umständen eine einmalige Lieferung an eine kurz vorher erworbene, bis dahin nicht tätig gewordene GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile dem leistenden Unternehmen gehören, vornimmt, und wenn unmittelbar nach Durchführung der streitgegenständlichen Lieferung das Konkursverfahren über das Vermögen des leistenden Unternehmens eröffnet wird und wenn von Konkurseröffnung an die nach Art. 4 Abs. 4 S. 2 der 6. Richtlinie geforderte enge Verbindung nicht mehr gegeben ist?"

Der Beigeladene beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den streitigen Vorsteuerabzug, weil sie im Zeitpunkt des Leistungsbezugs in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert und deshalb nicht (selbständige) Unternehmerin i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 UStG war. Zweifelhafte Fragen des Gemeinschaftsrechts stellen sich dabei nicht; die Voraussetzungen für die von der Klägerin hilfsweise begehrte Vorlage der Sache an den EuGH liegen nicht vor.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer unter den dort genannten Voraussetzungen Vorsteuerbeträge abziehen. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 2 Abs. 1 S. 1 UStG). Die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in ein Unternehmen eingegliedert ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG).

Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass insoweit bei der Prüfung der Berechtigung zum Vorsteuerabzug auf die Verhältnisse bei Bezug der Leistung --hier also bei Übergabe der zum Betriebsvermögen der E-GmbH gehörenden Gegenstände an die Klägerin-- abzustellen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, zu II. 2. a. E. ). Die Klägerin war bei Leistungsbezug am 30. Mai/1. Juni 1992 (vor Eröffnung des Konkursverfahrens am 1. Juni 1992) als juristische Person (§ 13 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--) Organgesellschaft der E-GmbH i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG.

a) Die finanzielle Eingliederung der Klägerin in die E-GmbH ist zu Recht zwischen den Beteiligten nicht umstritten.

Finanziell ist eine Organgesellschaft eingegliedert, wenn der Organträger an ihr über eine entscheidende kapitalmäßige Beteiligung verfügt, die es ihm ermöglicht, im Rahmen der Willensbildung der Organgesellschaft seinen eigenen Willen durchzusetzen (BFH-Urteile vom 14. Dezember 1978 V R 85/74, BFHE 127, 75, BStBl II 1979, 288, und vom 20. April 1988 X R 3/82, BFHE 153, 445, BStBl II 1988, 792, zu II. 1. b). Im Streitfall hat die E-GmbH sogar sämtliche Geschäftsanteile der Klägerin gehalten.

b) Die Klägerin war auch wirtschaftlich in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert.

Für die wirtschaftliche Eingliederung ist charakteristisch, dass die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint (BFH-Urteil vom 20. Januar 1999 XI R 69/97, BFH/NV 1999, 1136, zu II. 3. , m. w. N. ). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Organgesellschaft die Funktion einer Vertriebsabteilung erfüllt (Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz. 120).

Am 30. Mai/1. Juni 1992 hatte die Klägerin zwar ihre bestimmungsgemäße Vertriebstätigkeit noch nicht aufgenommen, sondern mit dem Erwerb des entsprechenden Betriebsvermögens nur Vorbereitungshandlungen getroffen. Darin liegt aber bereits der Beginn der wirtschaftlichen Eingliederung (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258 und --betr. Vorbereitungshandlungen eines Unternehmers-- vom 17. September 1998 V R 28/98, BFHE 187, 67, BStBl II 1999, 146).

c) Die Klägerin war schließlich auch --entgegen der Auffassung des FG-- organisatorisch in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert.

aa) Das FG hat angenommen, die Klägerin könne bei Übertragung der Wirtschaftsgüter am 30. Mai/1. Juni 1992 schon deshalb nicht organisatorisch in das Unternehmen der E-GmbH eingegliedert gewesen sein, weil sie erst danach (am 1. Juni 1992) ihre Geschäftstätigkeit aufgenommen habe; vor dem Beginn einer laufenden Geschäftstätigkeit sei eine organisatorische Eingliederung eines Tochterunternehmens ausgeschlossen.

Dieser Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Er hat eine (auch organisatorische) Eingliederung bei einer Sachverhaltsgestaltung angenommen, deren Ziel --wie hier-- eine "übertragende Sanierung" war; auch dort ging es um den die laufende Geschäftstätigkeit vorbereitenden Kauf von Betriebsvermögen (Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II. 2. ). Entgegen der Auffassung der Klägerin ist unerheblich, dass sie nach dem hier praktizierten Sanierungskonzept nicht in das Unternehmen der E-GmbH ein-, sondern dass ein Teil der Geschäftstätigkeit der E-GmbH auf die Klägerin ausgegliedert werden sollte, um einen Teil ihres Vermögens dem Konkursbeschlag zu entziehen.

bb) Eine organisatorische Eingliederung im Sinne einer engen Verflechtung mit Über- und Unterordnung (vgl. dazu BFH-Urteile vom 17. April 1969 V R 123/68, BFHE 95, 558, BStBl II 1969, 505, unter 2. b; vom 9. Januar 1992 V R 82/85, BFH/NV 1993, 63, unter II. 2. a) liegt regelmäßig vor, wenn Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft besteht (vgl. BFH-Urteil vom 20. Februar 1992 V R 80/85, BFH/NV 1993, 133, zu II. a, aa); eine vollständige Identität ist allerdings nicht erforderlich (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, zu II. 2. ), zumal das Merkmal der Personenidentität nicht zwingend ist (Schmidt/Müller/Stöcker, Die Organschaft, 5. Aufl. , Rz. 1374). Zu berücksichtigen ist dabei, dass gerade das Merkmal der organisatorischen Eingliederung (nur) nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) zu beurteilen ist, also nicht voll ausgeprägt sein muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II. 2. ).

Im Streitfall war am 30. Mai/1. Juni 1992 --bereits vor Aufnahme der Geschäftstätigkeit der Klägerin-- der maßgebliche Einfluss der E-GmbH auf die Klägerin sichergestellt. In beiden Gesellschaften waren dieselben Geschäftsführer tätig; es bestand also Personenidentität in den Leitungsgremien von Organträger und Organgesellschaft. Dem steht die Sachverhaltswürdigung durch das FG nicht entgegen, der Beigeladene als (vorläufiger) Vergleichsverwalter der E-GmbH habe bei ihr den maßgeblichen und alleinigen Einfluss ausgeübt, dagegen auf die laufende Geschäftsführung der Klägerin keinen Einfluss gehabt. Denn wesentlich für die Tätigkeit aller für die Klägerin und für die E-GmbH Handelnden war es, in Abstimmung mit den Gläubigern und anderen Interessenvertretern das von dem Beigeladenen verfolgte Konzept der übertragenden Sanierung durchzusetzen, in das auch die Übertragung der Gegenstände des Betriebsvermögens der E-GmbH auf die Klägerin eingebettet war:

Entsprechend diesem Konzept erwarb die E-GmbH wenige Tage nach der Bestellung des Beigeladenen als Verwalter die Geschäftsanteile der Klägerin und setzte als Geschäftsführer die bereits bei der E-GmbH als solche tätigen Personen ein; Anstellungsverträge hatten diese zudem nur mit der E-GmbH. Der Vertrieb der Produkte der E-GmbH erfolgte ab 1. Juni 1992 durch die Klägerin, nachdem sie das entsprechende Betriebsvermögen zuvor übernommen hatte und indem sie das Personal der E-GmbH in Anspruch nahm. Das Vorbringen der Klägerin im Revisionsverfahren, dass es sich dabei um den ersten Schritt gehandelt habe, stimmt im Übrigen mit der Feststellung des FG überein, im Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung sei die E-GmbH nur noch vermögensverwaltend tätig gewesen.

2. Dem Hilfsantrag der Klägerin, im Streitfall eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften einzuholen, folgt der Senat nicht.

a) Gemeinschaftsrechtliche Bedenken gegen die umsatzsteuerrechtliche Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG als solche bestehen nicht.

Nach Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steht es vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie 77/388/EWG den Mitgliedstaaten frei, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln. Damit sieht diese Bestimmung eine Organschaft ausdrücklich vor (vgl. dazu EuGH vom 12. Juni 1979 Rs. 181/78 und 229/78 - Ketelhandel und Denkavit, Slg. 1979, I-2063).

Dementsprechend geht der Senat in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. BFH-Urteile vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter 3. , m. w. N. ; vom 21. Juni 2001 V R 68/00, BFHE 195, 446, BFH/NV 2001, 1683, unter II. 5. a. ). Diese Auffassung wird ebenfalls in der Literatur einhellig vertreten (vgl. z. B. Stadie in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz. 623, m. w. N. ).

b) Aus den von der Klägerin in ihrem Hilfsantrag unter a) formulierten Fragen ergibt sich ebenfalls kein gemeinschaftsrechtlicher Klärungsbedarf.

aa) Bei Vorliegen einer Organschaft ist die Organgesellschaft nicht selbständig und damit kein Unternehmer (vgl. BFH-Urteile vom 13. April 1961 V 81/59 U, BFHE 73, 209, BStBl III 1961, 343; in BFH/NV 1993, 133, m. w. N). Sie hat deshalb kein (eigenes) Recht auf Vorsteuerabzug.

Dies ist gerade eine der --zwingenden-- Folgen der Organschaft, und zwar auch dann, wenn --wie im Streitfall-- die Organgesellschaft Leistungen nicht von einem Dritten, sondern von ihrem Organträger bezieht. Anhaltspunkte, dass es sich dabei um eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Rechtsfolge handelt, bestehen nicht. Sie ergeben sich entgegen der Ansicht der Klägerin insbesondere nicht daraus, dass der Gesetzgeber des UStG 1967 die Organschaft seinerzeit "zur Vermeidung unnötiger Verwaltungsarbeit in der Wirtschaft beibehalten" hat und dabei davon ausging, dass damit steuerliche Auswirkungen wegen des Vorsteuerabzugs "grundsätzlich" nicht verbunden seien (vgl. BTDrucks V/1581, S. 10).

bb) Diese Rechtslage steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Soweit die Klägerin geltend macht, der Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG weiche --maßgeblich-- von demjenigen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG ab, trifft dies nicht zu. Überdies wurde diese Bestimmung gerade deshalb in die Richtlinie 77/388/EWG aufgenommen, um die nationalrechtliche Regelung der Organschaft in der Bundesrepublik Deutschland --Bundesrepublik-- (und in den Niederlanden) gemeinschaftsrechtlich abzusichern (vgl. z. B. Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag der Richtlinie 77/388/EWG vom 31. Januar 1974, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1974 Nr. C 139/15, 17). Dementsprechend hat die Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen der gegen die Bundesrepublik zu § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG 1980 am 4. Oktober 1985 erhobenen Vertragsverletzungsklage die Regelung der Organschaft als solche nicht beanstandet, sondern --nur-- gerügt, dass die deutsche Regelung seinerzeit noch nicht auf das Inland beschränkt war (vgl. ABlEG 1985 Nr. C 285/6, Rs. C 298/85).

Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG verlangt mit dem Wort "Beziehungen" entgegen der Ansicht der Klägerin für die Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen auch nicht zwingend eine Mehrzahl von gegenseitigen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen, so dass bei einem einzigen Umsatz --wie er hier vorliege-- die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Bestimmung zweifelhaft sei. Denn die Formulierung "finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen" (Mehrzahl) ergibt sich notwendig aus dem verwendeten Satzbau; hieße es "Beziehung" (Einzahl) wäre dies sprachlich falsch. Entsprechendes gilt für die von der Klägerin angeführten englischen und französischen Fassungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG.

cc) Soweit die Klägerin kritisiert, diese Rechtslage führe im Falle einer Insolvenz des Organträgers im Ergebnis dazu, den Steuerfiskus vor dem Ausfall seiner Umsatzsteuerforderung gegen den Organträger zu bewahren bzw. das Insolvenzrisiko der Organgesellschaft aufzubürden und sie hierzu die Frage aufwirft, ob dies den Zielen der Richtlinie 77/388/EWG bzw. dem Sinn des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG entspreche, rechtfertigt dieses Vorbringen ebenfalls keine Vorlage an den EuGH.

Denn auch dabei handelt es sich um eine zwingende Folge der Organschaft, die vom nationalen Gesetzgeber und vom Richtliniengeber möglicherweise bewusst herbeigeführt wurden, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen worden ist.

dd) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist ferner zweifelsfrei, dass das Gemeinschaftsrecht für die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch verbundenen Unternehmen kein Wahlrecht vorschreibt, von den Regeln der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft Gebrauch zu machen.

Das ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Soweit ein solches Wahlrecht im Wege der teleologischen Reduktion des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG hergeleitet wird (vgl. Stadie, a. a. O. , Rz. 641 ff. ), vermag der Senat dem angesichts des eindeutig als zwingendes Recht formulierten Wortlauts der Vorschrift nicht zu folgen (vgl. auch FG Thüringen, Urteil vom 5. Mai 1999 I 443/98, EFG 1999, 1050).

c) Bei der von der Klägerin unter b) aufgeworfenen Frage geht es nicht --wie für eine Vorlage an den EuGH erforderlich-- um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht, sondern im Kern darum, ob --wie die Klägerin selbst ausführt-- "unter den hier vorliegenden Umständen" die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorliegen, also um eine Frage der (zutreffenden) Subsumtion.

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