BFH

BFHIX R 49/9628.4.1998

Amtlicher Leitsatz:

1. Werden durch den zuständigen Finanzbeamten Tatsachen oder Beweismittel bewußt unterdrückt oder ein fingierter Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt, kommt es für die Frage, ob die Tatsachen oder Beweismittel i.S des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nachträglich bekanntwerden und ob die Kenntnis des Beamten der Finanzbehörde zuzurechnen ist, darauf an, ob der Steuerpflichtige den Verstoß gegen die Dienstpflichten veranlaßt oder auf sonstige Weise mit dem Finanzbeamten einvernehmlich zusammengearbeitet hat.

2. Auch ein zuständiger Finanzbeamter, der Steuern bewußt zu niedrig festsetzt, kann Steuerhinterziehung begehen.

Normen

§ 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977
§ 370 Abs. 1 AO 1977

 

Tatbestand:

I. Die Revisionsklägerin zu 1 und ihr während des Revisionsverfahrens verstorbener Ehemann (die Kläger) wurden in den Streitjahren zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Revisionskläger zu 2 bis 4 (Revisionskläger) sind zusammen mit der Klägerin zu 1 Erben des Klägers.

Die Kläger waren jeweils zur ideellen Hälfte Eigentümer des von ihnen selbst bewohnten Einfamilienhauses in X. Dieses haben sie zum Teil in Eigenleistung errichtet. Für die Streitjahre liegen von den Klägern unterschriebene Einkommensteuererklärungen vor, die einen handschriftlichen Eingangsvermerk des seinerzeit für die Bearbeitung zuständigen Finanzbeamten P tragen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte bei den für die Streitjahre durchgeführten Steuerfestsetzungen die geltend gemachten Abzugsbeträge für Bauaufwendungen nach § 82 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) und § 10 e des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Finanzbeamten P im Jahre 1994 ergaben sich für die Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt K Auffälligkeiten in den Steuerfestsetzungen der Kläger. Sie führten zu einer Überprüfung der erklärten Besteuerungsmerkmale, insbesondere der geltend gemachten Bauaufwendungen. Bei einer Vernehmung des Klägers gab dieser an, daß die Angaben in den Steuererklärungen der Streitjahre zu den Bauaufwendungen im wesentlichen von dem Finanzbeamten P herrührten, ohne daß er oder seine Frau zum damaligen Zeitpunkt hiervon gewußt hätten.

Aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung erließ das FA für die Streitjahre nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Steuerbescheide. Die Steuervergünstigungen nach § 82 a EStDV wurden versagt, die Steuervergünstigungen nach § 10 e EStG teils reduziert, teils rückgängig gemacht.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) durch sein in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 199 veröffentlichtes Urteil ab. Das FA sei zutreffend davon ausgegangen, daß neue Tatsachen vorlägen, die eine geänderte Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 rechtfertigen, da der Finanzbeamte außerhalb seiner Amtsbefugnis gehandelt habe. Dieser Umstand sei wie ein privates Wissen zu werten und könne nicht der zuständigen Veranlagungsdienststelle zugerechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob den Kläger ein Verschulden am Verhalten des Finanzbeamten P treffe. Die 10jährige Festsetzungsverjährung sei maßgebend, da eine Steuerhinterziehung vorliege. § 370 AO 1977 greife auch ein, wenn ein Dritter die Steuerhinterziehung ohne Wissen des Steuerschuldners begehe, und zwar selbst dann, wenn es sich bei dem Täter um einen Amtsträger handele.

Mit der Revision rügen die Klägerin und die Revisionskläger die Verletzung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 und § 370 AO 1977.

Das FG erweitere den Begriff der neuen Tatsachen in einer bedenklichen und aus der Sicht des Steuerpflichtigen absolut nicht mehr übersehbaren und überprüfbaren Weise. Die angefochtene Entscheidung des FG führe dazu, daß alle aus tatsächlichen Gründen unrichtigen Steuerbescheide für die Finanzbehörde jederzeit wieder abänderbar wären.

Das FG habe nicht schlüssig dargelegt und nachgewiesen, daß der zuständige Sachbearbeiter eine Steuerhinterziehung zugunsten der Kläger begangen habe. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, würde dies für die Kläger nicht zu einer Verlängerung der Verjährungsfrist führen, weil diese Steuerhinterziehung der Risikosphäre des Finanzamtes zuzurechnen sei.

Die Revisionskläger beantragen, das Urteil des FG und die nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geänderten Einkommensteuerbescheide 1986 vom 5.2.1996 und die Einkommensteuerbescheide 1987, 1988 und 1989, jeweils vom 11.1.1996 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 19.3.1996 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist begründet. Nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuweisen. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 bejaht. Seine Feststellungen reichen aber nicht aus, um über die Rechtmäßigkeit der Änderungsbescheide in der Revisionsinstanz abschließend zu entscheiden.

1. Die Revision hat keinen Erfolg, soweit die Klägerin und die Revisionskläger sich darauf berufen, daß zum Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsbescheide Festsetzungsverjährung eingetreten sei.

Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt für die Einkommensteuer gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vier Jahre. Gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 beträgt die Festsetzungsfrist zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt unter den in Satz 3 aufgestellten Voraussetzungen auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflicht bedient.

a) Im Streitfall ist die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen, da die Steuern hinterzogen worden sind.

Gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wird wegen Steuerhinterziehung bestraft, wer den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nichtgerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Täter einer Steuerhinterziehung muß nicht notwendigerweise der Steuerpflichtige oder Steuerschuldner sein; jeder Dritte, der die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt, macht sich dieses Deliktes strafbar. Auch ein Finanzbeamter, der Steuern bewußt zu niedrig festsetzt, kann Steuerhinterziehung begehen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14.12.1983 3 StR 452/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 2230; BGH-Beschluß vom 7.10.1986 1 StR 373/86, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK-, Abgabenordnung, § 370, Rechtsspruch 95; BGH-Urteil vom 14.3.1972 g.E. 5 StR 589/71, BGHSt 24, 326; BGH-Beschlüsse vom 23.11.1990 3 StR 376/90, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1991, 678; vom 3.11.1989 3 StR 245/89, HFR 1990, 704).

Im Streitfall hat das FG zutreffend entschieden, daß die Voraussetzungen des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erfüllt sind. Nach den bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG hat der Beamte die ihm vorgelegten Unterlagen sinnwidrig bzw. eigenmächtig verwendet; er hat durch die Eintragung falscher Angaben in die Eingabebögen bewirkt, daß für die Streitjahre die Einkommensteuer der Kläger nicht in der zutreffenden Höhe festgesetzt wurden. Daraus folgt, daß der Finanzbeamte den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung zugunsten der Kläger erfüllt hat.

b) Soweit die Kläger mit der Revision geltend machen, daß auf dem Schreibtisch des Sachbearbeiters ein absolutes Chaos geherrscht habe und es durchaus denkbar sei, daß er deshalb falsche Eintragungen gemacht und zu falschen steuerlichen Ergebnissen gekommen sei, weil er Sachverhalte durcheinander gebracht und Belege nicht mehr gefunden habe, hat das FG diesen Sachverhalt ausweislich des Tatbestands des Urteils zur Kenntnis genommen. Es hat daraus jedoch nicht den Schluß gezogen, der subjektive Tatbestand der Steuerhinterziehung sei nicht er füllt. Soweit darin über die - mögliche - Tatsachenwürdigung hinaus eine rechtliche Beurteilung liegt, ist diese revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

2. Das FG hat jedoch zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 mit der Begründung bejaht, daß die Tatsachen bezüglich der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung nach § 82 a EStDV und § 10 e EStG als neu zu werten seien, weil der Finanzbeamte P insoweit außerhalb seiner Amtsbefugnis gehandelt habe.

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Nachträglich werden Tatsachen oder Beweismittel bekannt, wenn sie nach dem Zeitpunkt, in dem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist, bekannt werden (Senatsurteil vom 26.11.1996 IX R 77/95, BFHE 182, 2, BStBl II 1997, 422; BFH-Urteil vom 20.6.1985 IV R 114/82, BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492). Hierbei kommt es nicht auf die Kenntnis des Steuerpflichtigen, sondern allein auf die der Finanzbehörde an (Senatsurteil vom 19.4.1988 IX R 122/83, BFH/NV 1988, 685; BFH-Urteil vom 29.6.1984 VI R 34/82, BFHE 141, 234, BStBl II 1984, 694). Jeder Stelle innerhalb der Finanzverwaltung ist grundsätzlich das bekannt, was sich aus dem Inhalt der von ihr geführten Akten ergibt, ohne daß es auf die individuelle Kenntnis des Bearbeiters ankommt.

b) Ergibt sich die Tatsache oder das Beweismittel nicht aus den Akten, kommt es auf die Kenntnis derjenigen Person oder der Stelle innerhalb der Finanzbehörde an, die für die Bearbeitung des Steuerfalles organisationsmäßig berufen waren bzw. die den zu ändernden Steuerbescheid erlassen haben (ständige Rechtsprechung BFH-Urteile vom 3.5.1991 V R 36/90, BFH/NV 1992, 221; vom 13.4.1989 IV R 20/88, BFH/NV 1990, 477; vom 20.4.1988 X R 40/81, BFHE 153, 437, BStBl II 1988, 804; in BFHE 143, 520, BStBl II 1985, 492). Hierbei handelt es sich in der Regel um den Vorsteher eines Finanzamtes, den Sachgebietsleiter und den (zeichnungsberechtigten) Sachbearbeiter. Nur diese Bediensteten verantworten gegenüber dem Steuerpflichtigen die Steuerfestsetzung und repräsentieren insoweit die Finanzbehörde.

Es genügt grundsätzlich, daß die Tatsache oder das Beweismittel einem der für die Bearbeitung des Steuerfalles zuständigen Bediensteten bekanntgegeben worden ist (von Wedelstädt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, AO § 173 Rz. 57). In diesem Fall ist die Kenntnis der zuständigen Dienststelle insgesamt zuzurechnen; eine isolierte Betrachtung des Kenntnisstandes von Sachbearbeiter, Sachgebietsleiter und Vorsteher findet nicht statt (vgl. auch BFH-Urteil vom 23.3.1983 I R 182/82, BFHE 138, 313, BStBl II 1983, 548). Dem entspricht, daß der Finanzbehörde einmal bekanntgewordene Tatsachen durch einen Wechsel des Bearbeiters nicht wieder unbekannt werden (BFH-Urteil vom 15.10.1993 III R 74/92, BFH/NV 1994, 315; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Tz. 19).

c) Bekannt sind diejenigen Tatsachen und Beweismittel, die der zuständige Finanzbeamte in Ausübung seines Amtes erfährt und von denen er Kenntnis erlangt. Rein privates Wissen des Beamten ist demgegenüber der Finanzbehörde nicht zuzurechnen (Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 6. Aufl., § 173 Anm. 7; Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Tz. 21; von Wedelstädt, a.a.O., AO § 173 Rz. 59; Frotscher, in Schwarz, Abgabenordnung, § 173 Rz. 50). Nur soweit die Tatsachen im Rahmen des finanzbehördlichen Verfahrens bekanntgeworden sind, ist es gerechtfertigt, der Bestandskraft Vorrang vor der Richtigkeit der Steuerveranlagung einzuräumen. Zutreffend weist das FG darauf hin, daß die private Sphäre des Finanzbeamten unzumutbar belastet würde, wenn man ihm zur Pflicht machen würde, privates Wissen dienstlich zu nutzen.

d) Werden durch den zuständigen Beamten Tatsachen oder Beweismittel bewußt unterdrückt oder ein fingierter Sachverhalt der Besteuerung zugrunde gelegt, kommt es für die Frage, ob die Kenntnis des Beamten der Finanzbehörde zuzurechnen ist, darauf an, ob der Steuerpflichtige den Verstoß gegen die Dienstpflichten veranlaßt oder auf sonstige Weise mit dem Finanzbeamten einvernehmlich zusammengearbeitet hat. Eine fehlerhafte Bearbeitung oder eine Dienstpflichtverletzung alleine führt nicht dazu, daß das Wissen des Beamten der Finanzbehörde unbekannt ist.

Vertraut ein Steuerpflichtiger auf die zutreffende Bearbeitung durch die Finanzbehörde und hat er im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten den Sachverhalt vollständig offengelegt, sind die Tatsachen oder Beweismittel dem FA bekannt. Auch wenn der Beamte Tatsachen bewußt z.B. bei der Veranlagung eines Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt, weil er die Auslegung und Anwendung einer Rechtsnorm durch die Verwaltung oder Rechtsprechung nicht anerkennt, sind die zugrundeliegenden Tatsachen der Behörde als bekannt zuzurechnen. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die zutreffende Behandlung des offengelegten Sachverhalts durch die Finanzbehörde und in die Bestandskraft des Steuerbescheides ist insoweit schutzwürdig.

Hat der Steuerpflichtige demgegenüber die Unterdrückung von Tatsachen oder Beweismitteln durch den zuständigen Finanzbeamten veranlaßt oder einvernehmlich mit diesem zusammengearbeitet und wußte er daher von der unzutreffenden Behandlung des Sachverhalts durch den Beamten, kann die Kenntnis des Finanzbeamten dem FA nicht zugerechnet werden. In diesen Fällen bezweckt der Steuerpflichtige oder ist zumindest einverstanden damit, daß der Besteuerung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt wird. Die Tatsachen oder Beweismittel sollen nicht weiteren Bediensteten innerhalb der Finanzbehörde bekannt werden. Insbesondere die neben dem Finanzbeamten für die Bearbeitung des Steuerfalles berufenen Bediensteten sollen im Unklaren gelassen werden. Der Finanzbeamte unterstützt insoweit den Steuerpflichtigen bei der Unterdrückung von Tatsachen; er handelt nicht als Vertreter der Finanzbehörde gegenüber dem Steuerpflichtigen, sondern vertritt dessen Interessen. Der Beamte ist in diesen Fällen nicht als Repräsentant der Behörde anzusehen, dessen Kenntnis auch den anderen zuständigen Mitarbeitern des FA zugerechnet werden kann.

3. Die Entscheidung des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (vgl. § 126 Abs. 4 FGO).

Zwar darf gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 ein Steuerbescheid geändert werden, soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist. Dies kann auch durch eine andere Person als den Steuerpflichtigen geschehen (BFH-Urteil vom 14.12.1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293; BFH-Beschlüsse vom 9.10.1992 VI S 15/92, BFH/NV 1993, 78; vom 9.10.1992 VI S 14/92, BFHE 169, 197, BStBl II 1993, 13). Die Änderung eines Steuerbescheides gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO 1977 steht jedoch im Ermessen der Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 28.11.1996 V R 143/92, BFH/NV 1997, 741; BFH in BFHE 169, 197, BStBl II 1993, 13; BFH in BFH/NV 1993, 78; Klein/Rüsken, a.a.O., AO § 172 Anm. 5 d; von Wedelstädt in Beermann, a.a.O., AO § 172 Rz. 72; Kühn/Hofmann, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, AO § 172 Anm. 3 c; Frotscher, in Schwarz, a.a.O., § 172 Rz. 12; a.A. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 172 AO Rz. 170, 56 f.).

Die Revision kann in den Fällen, in denen das FA von einer Ermessensregelung keinen Gebrauch gemacht hat, gemäß § 126 Abs. 4 FGO nur zurückgewiesen werden, wenn das Ermessen derart reduziert ist, daß nur das in der Entscheidung des FG gefundene Ergebnis rechtmäßig ist und sich deshalb diese Entscheidung im Ergebnis als richtig darstellt. Eine solche Ermessensreduzierung, nach der nur die Änderung der ursprünglichen Bescheide in Betracht kommt, kann im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden. Zwar ist die Steuer aufgrund unlauterer Mittel zu niedrig festgesetzt worden. Auch haben die Kläger hierdurch Steuervorteile erlangt. Sollte sich jedoch herausstellen, daß die Kläger keinerlei Kenntnis hiervon hatten, und die Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Steuerbescheide weder kannten noch erkennen konnten, müßte dies bei der Ermessensentscheidung des FA berücksichtigt werden.

4. Da die Vorentscheidung auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache ist mangels ausreichender Feststellungen der Vorinstanz nicht spruchreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Das FG hat allein aufgrund der Tatsache, daß der Finanzbeamte "außerhalb seiner Amtsbefugnisse" gehandelt hat, dessen Kenntnis dem FA nicht zugerechnet. Es hat nicht geprüft, ob die Kläger mit dem Finanzbeamten zusammengearbeitet oder ihn zu den falschen Angaben in der Steuererklärung veranlaßt haben. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit die Kläger Einfluß auf das Verhalten des Finanzbeamten genommen haben.

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