BFH

BFHVI R 10/965.7.1996

Amtlicher Leitsatz:

Nimmt ein angestellter Geschäftspartner unentgeltlich an einer von einem Geschäftspartner seines Arbeitgebers veranstalteten und vorwiegend touristisch ausgerichteten Reise teil, ist der Wert des zugewendeten Vorteils als Arbeitslohn des Geschäftsführers zu erfassen.

Lohnsteuerrechtliche Behandlung von Reisekosten

Nimmt ein Arbeitnehmer unentgeltlich an einer von einem Geschäftspartner seines Arbeitgebers veranstalteten und vorwiegend touristisch ausgerichteten Reise teil, ist der Wert des zugewendeten Vorteils als Arbeitslohn des Arbeitnehmers zu behandeln.

USK = Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung, © AOK-Verlag GmbH.

Normen

§ 19 EStG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1989 als Geschäftsführer der X-GmbH & Co. KG (im folgenden: Arbeitgeberin) angestellt. Die Arbeitgeberin bezog in den Jahren 1988 bis 1990 zwischen 13 bis 17 v. H. ihres gesamten Wareneinsatzes von der K-GmbH. Der Kläger nahm im Streitjahr an einer vorwiegend touristisch ausgerichteten Japanreise teil, die von der K-GmbH organisiert und finanziert worden war. Nach einer Auskunft der K-GmbH diente die Reise dazu, die Geschäftsbeziehungen zu festigen. Daneben sollten die Teilnehmer davon überzeugt werden, daß die im Ausland gefertigten Produkte die Qualität von Inlandsprodukten erreichten.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erfaßte die Aufwendungen der K-GmbH für die Reise als Arbeitslohn des Klägers und erließ einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1989. Die Kläger machten demgegenüber geltend, es habe sich um ein Geschenk der K-GmbH gehandelt und ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Zuwendung der Reise und dem Dienstverhältnis des Klägers nicht bestanden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 437 veröffentlicht.

Die Kläger stützen ihre Revision auf eine Verletzung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Sie beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Zum Arbeitslohn gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG alle "Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden". Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Leistung besteht oder nicht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat diese Vorschrift in inzwischen gefestigter Rechtsprechung dahin ausgelegt, daß Arbeitslohn jeder geldwerte Vorteil ist, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlaßt ist (vgl. Urteile vom 17. Dezember 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; vom 11. März 1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726; vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513, BStBl II 1990, 472). Auch die Zuwendungen Dritter können Arbeitslohn sein (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 23. Oktober 1992 VI R 62/88, BFHE 169, 432, BStBl II 1993, 117).

2. Im Streitfall hat das FG zutreffend einen Veranlassungszusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis des Klägers und der Zuwendung der Reise durch die K-GmbH bejaht.

a) Ein Veranlassungszusammenhang konnte nicht wegen unmittelbarer eigener rechtlicher oder wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Kläger und der K-GmbH ausgeschlossen werden. Denn derartige Beziehungen hat das FG nicht festgestellt. Sie sind von den Klägern auch im Revisionsverfahren nicht behauptet worden.

b) Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH war bei Zuwendungen Dritter ein Veranlassungszusammenhang zwischen Vorteil und Dienstverhältnis dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer einen erhaltenen Vorteil "wirtschaftlich als Frucht seiner Dienstleistung für den Arbeitgeber betrachtet"; dabei kam es auf die Sicht des Arbeitnehmers an (vgl. Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707, 708, unter Nr. 1). Diese Aussage bedarf der Klarstellung und ist im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Vorinstanz zu objektivieren. Sie ist dahin zu verstehen, daß die Zuwendung eines Dritten dann durch das Dienstverhältnis veranlaßt ist, wenn der Arbeitnehmer sie vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber ansehen muß.

Das Vorliegen dieses Erfordernisses hat das FG im Streitfall rechtsfehlerfrei bejaht. Es hat dargelegt, der Kläger sei von der K-GmbH nur deshalb zu der Reise eingeladen worden, weil er als Geschäftsführer maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsbeziehungen der K-GmbH zu seiner Arbeitgeberin gehabt habe. Die Wertung des FG, in einem solchen Fall sei ein Veranlassungszusammenhang zwischen der Zuwendung und dem Dienstverhältnis zu bejahen, ist zutreffend. Dies gilt auch für die weitere Auffassung des FG, es sei unschädlich, daß die K-GmbH mit der Zuwendung das Ziel verfolgt habe, die Geschäftsbeziehungen zu der Arbeitgeberin des Klägers zu verbessern. Denn ein derartiges Motiv des Zuwendenden steht zu der Annahme, daß der Arbeitnehmer den erhaltenen Vorteil vernünftigerweise als Frucht seiner Leistung für den Arbeitgeber beurteilen muß, nicht im Widerspruch.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die rechtliche Beurteilung, ob der von einem Dritten zugewendete geldwerte Vorteil Arbeitslohn i. S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist, ohne Bedeutung, ob es sich dabei um ein Geschenk handelt. Denn auch Geschenke können geldwerte Vorteile i. S. des § 19 Abs. 1 EStG sein. Nach der ausdrücklichen Regelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 EStG ist es nämlich gleichgültig, ob auf die Zuwendung ein Rechtsanspruch besteht.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der Hinweis der Kläger auf das BFH-Urteil vom 23. Juni 1993 I R 14/93 (BFHE 171, 521, BStBl II 1993, 806). Danach sind die Kosten einer für Geschäftsfreunde veranstalteten Auslandsreise Aufwendungen für Geschenke i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 1 EStG und mithin nichtabziehbare Betriebsausgaben. Das Vorbringen der Kläger, für den Begriff des Geschenks müsse auf der Empfängerseite die gleiche Definition gelten wie bei dem Zuwendenden, ist in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen, daß sie eine korrespondierende Behandlung der Zuwendung der Reise in der Weise für geboten erachten, daß eine Einnahme auf seiten des Beschenkten jedenfalls dann nicht angesetzt werden dürfe, wenn auf seiten des Schenkers ein Abzug als Betriebsausgabe ausscheide. Dieser Rechtsansicht ist jedoch nicht zu folgen. Vielmehr hat der BFH bereits mit Urteil vom 13. Dezember 1973 I R 136/72 (BFHE 111, 108, BStBl II 1974, 210) entschieden, daß Sachgeschenke, die ein Gastwirt in seiner Eigenschaft als bedeutender Bierabnehmer von seiner Brauerei erhält, bei ihm auch dann Betriebseinnahmen sind, wenn die Brauerei ihre Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht gewinnmindernd geltend machen kann. Die unter anderem auch aus der Entstehungsgeschichte des § 4 Abs. 5 EStG abgeleitete Begründung dafür, daß eine korrespondierende Behandlung des Geschenks nicht geboten ist, trifft weiterhin zu. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf dieses Urteil Bezug genommen (vgl. BFH-Urteil vom 26. September 1995 VIII R 35/93, BFHE 179, 251, BStBl II 1996, 273, 276, unter Nr. 3a).

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