BFH

BFHIV R 53/9128.7.1994

Amtlicher Leitsatz:

Scheidet ein Kommanditist mit negativem Kapitalkonto ohne Ausgleichsverpflichtung aus der KG aus und sind ihm die auf seinem Darlehenskonto ausgewiesenen Beträge zu zahlen, so gehört diese Forderung zu seinem Veräußerungserlös. Fällt die Forderung später wegen Vermögenslosigkeit der KG aus, wird der Veräußerungsgewinn rückwirkend gemindert.

Normen

§ 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG

 

Tatbestand:

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Kommanditisten der zwischenzeitlich vollbeendeten ... KG (KG). Zum 31. Dezember 1981 schieden sie aus der KG aus. Die Beigeladenen blieben Gesellschafter der KG. Zum 31. Dezember 1981 hatten die ausgeschiedenen Kommanditisten in der Bilanz der KG negative Kapitalkonten in Höhe von ./. 272 049 DM (Klägerin zu 1), ./. 249 572 DM (Klägerin zu 2) und ./. 147 428 DM (Kläger zu 3). Daneben bestanden Darlehensforderungen aus verzinslichen Gesellschafterdarlehen in Höhe von 98 809 DM (Klägerin zu 1), 206 510 DM (Klägerin zu 2) und 128 710 DM (Kläger zu 3). Nach den in Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Kläger in einem gerichtlichen Vergleich vom 9. April 1984 getroffenen Vereinbarungen brauchten die Kläger ihre negativen Kapitalkonten nicht auszugleichen und behielten ihre Darlehensforderungen, auf die in der Folgezeit von der KG auch Zinsen und geringfügige Tilgungsbeträge gezahlt wurden. Infolge des späteren Konkurses der KG gingen die Kläger im Jahre 1984 ihrer Darlehensforderungen verlustig.

Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte 1981 wurde ein laufender Verlust aus Gewerbebetrieb festgestellt, dessen Verteilung auf die Kläger und die übrigen Gesellschafter nicht mehr streitig ist. Außerdem stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in der Einspruchsentscheidung vom 4. September 1986 erstmals Veräußerungsgewinne der Kläger und des ebenfalls zum 31. Dezember 1981 ausgeschiedenen Kommanditisten Z fest. Z ist inzwischen verstorben; Klägerin im Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) war seine Gesamtrechtsnachfolgerin E als Klägerin zu 4. Das FA ermittelte die Veräußerungsgewinne als Differenz zwischen dem Stand der negativen Kapitalkonten und den Veräußerungskosten und stellte danach die Veräußerungsgewinne der Kläger zu 1 bis 3 wie folgt fest: Klägerin zu 1 = 269 629 DM, Klägerin zu 2 = 241 502 DM, Kläger zu 3 = 142 471 DM. Der Ausfall der Darlehensforderungen der Kommanditisten im Jahr 1984 wurde nicht gewinnmindernd berücksichtigt.

Die Klage, mit der unter Berufung auf das Urteil des FG Berlin vom 4. September 1986 II 531/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 449) geltend gemacht wurde, der Ausfall der Darlehensforderungen mindere die Veräußerungsgewinne, blieb ohne Erfolg.

Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Gewinnfeststellungsbescheides 1981 vom 29. August 1983 die Veräußerungsgewinne wie folgt festzustellen: Klägerin zu 1 = 170 820 DM, Klägerin zu 2 = 34 992 DM, Kläger zu 3 = 13 761 DM, hilfsweise, die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Der Senat hat die Entscheidung über die Revision bis zum Ergehen des Beschlusses des Großen Senats vom 19. Juli 1993 GrS 2/92 (BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) zurückgestellt. Nach Ergehen des Beschlusses des Großen Senats hat der Berichterstatter in dieser Sache mit Schreiben vom 11. Januar 1994 das FA um Prüfung gebeten, ob eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits möglich sei. Das FA hat darauf mit Schreiben vom 28. Februar 1994 mitgeteilt, nach seiner Auffassung sei der Beschluß des Großen Senats im Streitfall nicht einschlägig.

Entscheidungsgründe

1. Scheidet ein Kommanditist mit negativem Kapitalkonto aus der KG aus und braucht er nach den dazu getroffenen Vereinbarungen sein negatives Kapitalkonto nicht auszugleichen, so erzielt er, sofern es sich nicht um eine unentgeltliche Übertragung des Mitunternehmeranteils i. S. des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) handelt, einen Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe des negativen Kapitalkontos, soweit er nicht mit einer Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der KG rechnen muß (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164; Senatsurteil vom 12. Juli 1990 IV R 37/89, BFHE 162, 30, BStBl II 1991, 64; BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 29/91, BFHE 171, 419, BStBl II 1993, 747). Hiervon sind die Beteiligten zutreffend auch im Streitfall ausgegangen. Die Kläger brauchten ihre negativen Kapitalkonten nicht auszugleichen, auch nicht (teilweise) durch Verrechnung mit ihren Darlehensforderungen. Anhaltspunkte dafür, daß die ausgeschiedenen Kommanditisten mit einer Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der KG rechnen mußten, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar.

2. In die Gewinnermittlung für die Gesellschafter (Mitunternehmer) von Personengesellschaften ist nicht nur das Gesellschaftsvermögen der Personengesellschaft als solcher, sondern ist auch das Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmer einzubeziehen (§ 4 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; vgl. hierzu zuletzt Senatsurteil vom 9. September 1993 IV R 14/91, BFHE 173, 40, BStBl II 1994, 250). Dies gilt sowohl für die Ermittlung des laufenden Gewinns als auch für die Ermittlung von Veräußerungsgewinnen i. S. des § 16 EStG. Der BFH hat deshalb entschieden, daß dann, wenn im Zusammenhang mit einer Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs der Personengesellschaft oder dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Personengesellschaft Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens in das Privatvermögen des Gesellschafters übergehen, der gemeine Wert dieser Wirtschaftsgüter wie ein Veräußerungserlös zu berücksichtigen ist, dem bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der Buchwert dieser Wirtschaftsgüter gegenüberzustellen ist (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 1983 I R 5/82, BFHE 138, 548, BStBl II 1983, 771; vom 24. August 1989 IV R 67/86, BFHE 158, 329, BStBl II 1990, 132). Demzufolge waren in die Ermittlung der Veräußerungsgewinne der Kläger auch deren zum Sonderbetriebsvermögen gehörende Darlehensforderungen gegen die KG mit dem gemeinen Wert am 31. Dezember 1981 und andererseits der Buchwert dieser Forderungen einzubeziehen.

3. Darauf, ob und in welchem Umfang die Darlehensforderungen der Kläger schon am 31. Dezember 1981 im Wert gemindert waren oder ob sie erst zu einem späteren Zeitpunkt wertlos geworden sind, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls nicht an. Denn fest steht jedenfalls, daß die Darlehensforderungen wegen des Vermögensverfalls und des Konkurses der KG spätestens im Jahre 1984 wertlos geworden und die Kläger so mit ihren Forderungen ausgefallen sind. Der Große Senat des BFH hat im Beschluß BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 entschieden, daß ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Veräußerungsvorgangs vorliegt (§ 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -), wenn die gestundete Kaufpreisforderung für die Veräußerung eines Gewerbebetriebs in einem späteren Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise uneinbringlich wird. Steuerliche Rückwirkung entfaltet dieser Vorgang auch, wenn der Steuer- oder Feststellungsbescheid, in dem der Vorgang zu berücksichtigen ist, noch nicht ergangen ist. In diesem Falle ist das rückwirkende Ereignis beim erstmaligen Erlaß des Steuer- oder Feststellungsbescheids zu berücksichtigen.

Davon ist auch auszugehen, wenn der Gesellschafter einer Personengesellschaft seinen Gesellschaftsanteil an einen Dritten veräußert und die gestundete Kaufpreisforderung später uneinbringlich wird. Denn die Veräußerung eines Anteils an einem Betrieb kann in diesem Zusammenhang nicht anders behandelt werden als die Veräußerung des ganzen Betriebs. Nichts anderes kann dann aber gelten, wenn der Gesellschafter gegen Zahlung eines Abfindungsguthabens aus der Gesellschaft ausscheidet. Auch dann handelt es sich aus steuerlicher Sicht um die Veräußerung eines Gesellschaftsanteils i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 12. Aufl., § 16 Anm. 73 m. w. N.). Im Streitfall ist vereinbart worden, daß den ausscheidenden Gesellschaftern Beträge in Höhe ihrer Guthaben auf den Darlehenskonten zu zahlen seien. Diese Vereinbarung kann nicht anders gewertet werden als die Vereinbarung eines Kaufpreises, mit dem gleichzeitig die Darlehensforderung abgegolten wird. Das hat zur Folge, daß auch die Darlehensforderungen als Teil des Veräußerungspreises im Sinne des § 16 Abs. 2 EStG zu erfassen waren. Es ist deshalb gerechtfertigt, sie bei der Besteuerung des Veräußerungsgewinns ebenso zu behandeln wie eine bei der Anteilsveräußerung begründete Kaufpreis- oder sonstige Geldforderung.

4. Danach waren die bisher festgestellten und im übrigen dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsgewinne (§§ 16, 34 EStG) um den Betrag der ausgefallenen Darlehensforderungen der Kläger zu mindern. Das FG-Urteil war deshalb aufzuheben.

Die Sache ist nicht spruchreif. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG hat die KG an die Kläger geringfügige Beträge auf die Darlehensforderungen gezahlt; zu deren Höhe hat das FG, von seinem Standpunkt aus zu Recht, keine Feststellungen getroffen. Soweit Zahlungen auf die Darlehensforderungen tatsächlich noch erbracht worden sind, ist es nicht zu einem rückwirkenden Ausfall der Darlehensforderungen gekommen, der bei der Gewinnfeststellung berücksichtigt werden müßte. Das FG wird in der erneuten Verhandlung entsprechende Feststellungen nachzuholen haben und die Veräußerungsgewinne danach feststellen.

Stichworte