BFH

BFHIX R 9/8921.7.1993

Amtlicher Leitsatz:

Das Entgelt aus dem Verkauf eines bodenschatzführenden Grundstücks gehört zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn die Auslegung von Bestimmungen des Kaufvertrages ergibt und/oder aus außerhalb des Vertrages liegenden Umständen zu ersehen ist, daß die Parteien keine dauerhafte Eigentumsübertragung, sondern eine zeitlich begrenzte Überlassung zur Substanzausbeute anstreben.

Normen

§ 21 EStG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs, den er durch notariell beurkundeten Übergabevertrag vom 29. Juli 1981 von seinem Vater erhalten hatte. Er traf mit der Firma A., einem Abbauunternehmen, eine mündliche Abmachung über die später vorzunehmende notarielle Beurkundung eines Vertrags, der den Verkauf einer Grundstücksparzelle beinhalten sollte. Bereits zuvor war der Firma A. die öffentlich-rechtliche Genehmigung zum Abbau des Kiesvorkommens in dem damals noch dem Vater des Klägers gehörenden Areal erteilt worden. Am 1. Oktober 1981 begann das Abbauunternehmen mit der Ausbeute des Vorkommens. Aufgrund der mündlichen Vereinbarung erhielt der Kläger am 17. Oktober 1981 einen Betrag von 50 000 DM als Abschlagszahlung. Am 9. Dezember 1981 schlossen der Kläger und die Firma A. einen notariell beurkundeten Vertrag über den Verkauf der Grundstücksfläche "zum Zwecke der Kiesgewinnung". Darin ist je qm Grundstücksfläche für die Ackerkrume und das Kiesvorkommen ein gesonderter Kaufpreis ausgewiesen. In dem Vertrag ist erwähnt, daß der Gesamtkaufpreis von 165 142,25 DM in Höhe eines Teilbetrags von 50 000 DM bereits gezahlt worden war. Ein Teilbetrag von 64 329,25 DM wurde am 1. April 1982 beglichen, ein Betrag von 50 813 DM, der dem auf die Ackerkrume entfallenden Teil des Gesamtkaufpreises entsprach, wurde bis zum 31. Dezember 1986 zinslos gestundet und Anfang 1987 entrichtet. Dem jeweiligen Eigentümer des Hofes wurde ein im Grundbuch einzutragendes Vorkaufsrecht an dem Grundstück eingeräumt. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war das Kiesvorkommen etwa zur Hälfte, zum 30. Juni 1982 war es vollständig ausgebeutet. Am 14. Januar 1986 wurde die Firma A. als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Der Kläger machte von dem Recht Gebrauch, das verkaufte Grundstück unentgeltlich zu bewirtschaften, solange und soweit es nicht für den Kiesabbau benötigt wurde. Auch nach der Auskiesung setzte er die landwirtschaftliche Nutzung fort. Durch schriftlichen Vertrag vom 10. Januar 1987 verpachtete die Firma A. die Fläche an den Kläger.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erfaßte bei der Einkommensteuerveranlagung des Klägers und seiner mit ihm zusammenveranlagten Ehefrau (Klägerin) die im Streitjahr 1981 zugeflossene Rate von 50 000 DM als Einnahme bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Das FA vertrat die Ansicht, der Kläger und die Firma A. hätten in Wirklichkeit eine zeitlich begrenzte Substanzausbeute beabsichtigt.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es führte u. a. aus, die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), derzufolge die entgeltliche, zeitlich begrenzte Überlassung eines Grundstücks zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze beim Überlassenden zu Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung führt, überzeuge nicht. Sie lasse außer acht, daß nicht nur die Grundstücksfläche, sondern auch ein weiteres Wirtschaftsgut, der Bodenschatz, Gegenstand des Substanzausbeutevertrags sei. Das Abbauunternehmen habe im Streitfall das wirtschaftliche Eigentum am Kiesvorkommen innegehabt. Im Gegensatz zur Rechtsansicht des Klägers sollte die Grundstücksfläche jedoch aus den vom FA angeführten Gründen nur zeitweilig zur Ausbeute überlassen werden, auch wenn die Firma A. inzwischen als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen worden sei. Hierfür spreche auch eine im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegte schriftliche Auskunft der Firma A., aus der hervorgehe, daß - von Ausnahmen abgesehen - ausgebeutete Grundstücke so bald als möglich wieder verkauft würden. Im Hinblick auf das dem Kläger eingeräumte Vorkaufsrecht sei davon auszugehen, daß die Vertragsparteien den Rückerwerb der Grundstücksfläche durch den Kläger von vornherein beabsichtigt hätten.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger halten die Revision für unbegründet.

Entscheidungsgründe

I.

1. Das FG hat rechtsfehlerhaft den dem Kläger im Streitjahr zugeflossenen Betrag von 50 000 DM nicht den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zugerechnet. Hierzu zählen nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch Einnahmen aus der zeitlich begrenzten Überlassung eines Grundstücks zur Hebung der darin ruhenden Bodenschätze (Urteil vom 5. Juni 1973 VIII R 118/70, BFHE 109, 513, BStBl II 1973, 702; Senatsentscheidungen vom 25. Juni 1985 IX R 60/82, BFH/NV 1985, 74; vom 7. Juli 1987 IX R 202/87, BFH/NV 1987, 640; vom 24. November 1992 IX R 30/88, BFHE 170, 71, BStBl II 1993, 296). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich nicht (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 3. Juni 1992 1 BvR 583/86, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1993, 36).

Nur ausnahmsweise, wenn Gegenstand des Vertragsverhältnisses die einmalige Lieferung einer fest begrenzten Menge von Bodenbestandsteilen ist, führt ein Substanzausbeutevertrag beim Grundstückseigentümer nicht zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Urteile vom 12. Dezember 1969 VI R 197/67, BFHE 97, 542, BStBl II 1970, 210; vom 5. Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130; vom 14. Oktober 1982 IV R 19/79, BFHE 137, 255, BStBl II 1983, 203). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Zu Recht weist das FG darauf hin, daß die Firma A. frei darüber bestimmen konnte, ob, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang das Kiesvorkommen abgebaut wurde. Außerdem hatte sie das Risiko der Qualität und des Umfangs des Vorkommens zu tragen.

2. Die vom FG vorgebrachten Einwände hält der Senat nicht für durchgreifend. Insbesondere steht der Annahme von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nicht entgegen, daß ein Bodenschatz, der zur nachhaltigen Nutzung in den Verkehr gebracht worden ist, steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut zu behandeln ist (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989 IV R 1/88, BFHE 159, 177, BStBl II 1990, 317, m. w. N.). Auch kommt es nicht darauf an, ob die Firma A. vor der Ausbeute das wirtschaftliche Eigentum am Kiesvorkommen innehatte (zum wirtschaftlichen Eigentum an einem Ausbeuterecht vgl. BFH-Urteil vom 8. November 1989 I R 46/86, BFHE 159, 348, BStBl II 1990, 388, m. w. N.). Ein Substanzausbeutevertrag ist bürgerlich-rechtlich in der Regel als Pachtvertrag nach § 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anzusehen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 7. Dezember 1984 V ZR 189/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1985, 1025, m. w. N.) und berechtigt den Pächter zum Genuß der Ausbeute (§ 99 Abs. 1 BGB). Der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums am noch nicht ausgebeuteten Vorkommen bzw. des bürgerlich-rechtlichen Eigentums an den ausgebeuteten Bodenbestandteilen ist nicht Folge eines Veräußerungsgeschäfts, sondern der Verpachtung, die in § 21 EStG ausdrücklich als Einkünftetatbestand geregelt ist. Entgegen der Rechtsansicht des FG kommt eine Aufspaltung des Substanzausbeutevertrags in eine Veräußerung des Wirtschaftsguts "Bodenschatz" einerseits und eine zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung andererseits nicht in Betracht. In Übereinstimmung mit der zivilrechtlichen Beurteilung ist auch steuerrechtlich eine vertragliche Vereinbarung, die zur Substanzausbeute berechtigt, als einheitliches, auf eine Überlassung des Grundstücks zur Ausbeute gerichtetes Rechtsgeschäft zu bewerten.

II.

Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

1. Nach den nicht mit Revisionsrügen angegriffenen Feststellungen des FG beabsichtigten der Kläger und die Firma A. keine dauerhafte Übertragung des Eigentums an dem Grundstück, sondern eine zeitlich begrenzte Überlassung zum Zwecke der Kiesausbeute. Das FG kam, die Sachverhaltswürdigung des FA übernehmend, angesichts folgender Umstände des Streitfalles zu dem Schluß, daß die Vertragsparteien keine dauerhafte Änderung der Eigentumsverhältnisse anstrebten:

a) Erst im November 1985, nahezu vier Jahre nach Abschluß des Kaufvertrages und erst nach Ankündigung einer Einspruchsentscheidung durch das FA, wurde die Eintragung der Firma A. im Grundbuch betrieben.

b) Der auf die Ackerkrume entfallende Teil des Kaufpreises wurde über einen Zeitraum von mehr als fünf Jahren hinweg zinslos gestundet.

c) Das Grundstück wurde während und nach der Ausbeute vom Kläger unentgeltlich zu landwirtschaftlichen Zwecken genutzt. Erst durch den Vertrag vom 10. Januar 1987 wurde ein Pachtverhältnis begründet.

d) Im Übergabevertrag vom 29. Juli 1981 wurden Ausgleichsansprüche nach § 13 der Höfeordnung (HöfeO) des Bruders des Klägers beim Verkauf von auszubeutenden Grundstücken ausgeschlossen.

e) Die Firma A., die nach ihrem eigenen Bekunden bestrebt war, ausgebeutete Grundstücke baldmöglichst zu verkaufen, räumte dem jeweiligen Hofeigentümer ein Vorkaufsrecht (§ 1094 BGB) an der Grundstücksfläche ein.

2. Diese Beurteilung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der BFH kann als Revisionsgericht nicht seine eigene Tatsachenwürdigung an die Stelle der Würdigung des FG setzen, wenn diese möglich ist (BFH-Urteil vom 27. August 1991 VIII R 84/89, BFHE 165, 330, BStBl II 1992, 9, mit Hinweis auf Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 118 Anm. 39 ff.). Bei einer Gesamtbetrachtung der unter Abschn. II Nr. 1 Buchst. a bis e angeführten Umstände konnte das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze zu der Schlußfolgerung gelangen, daß die Parteien keine dauerhafte Änderung der Eigentumsverhältnisse, sondern eine zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung anstrebten.

3. Der Abschluß des Kaufvertrages vom 9. Dezember 1981 und die nachfolgende Eintragung der Firma A. als Eigentümerin stehen dieser Beurteilung nicht entgegen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH führt der Verkauf eines bodenschatzführenden Grundstücks unter gleichzeitiger Begründung eines Rückkaufrechts zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung beim Verkäufer (vgl. Urteile vom 30. Oktober 1967 VI 331/64, BFHE 90, 215, BStBl II 1968, 30; in BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130; in BFH/NV 1985, 74; in BFHE 170, 71, BStBl II 1993, 296, sowie BVerfG in HFR 1993, 36). Für die einkommensteuerrechtliche Beurteilung derartiger Verträge kommt es nicht auf die bürgerlich-rechtliche Form und die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, sondern auf den wirtschaftlichen Gehalt an (BFH-Urteil in BFH/NV 1985, 74). In Fortführung dieser Grundsätze ist eine zeitlich begrenzte Überlassung eines Grundstücks zur Substanzausbeute bei steuerrechtlicher Wertung auch dann anzunehmen, wenn die Auslegung der Bestimmungen des Grundstückskaufvertrages ergibt und/oder aus außerhalb des Vertrages liegenden Umständen hervorgeht, daß die Parteien - wie im Streitfall - trotz des grundbuchmäßigen Vollzuges keine dauerhafte Übertragung des Eigentums an dem Grundstück anstreben (vgl. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., A 1227).

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