BFH

BFHIV R 50/9126.3.1992

Amtlicher Leitsatz:

Grundstücke, die der Fabrikation dienen, gehören regelmäßig im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (Anschluß an BFH-Urteil vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014). Es kommt nicht darauf an, ob der Betrieb auch in einem anderen gemieteten oder gekauften Gebäude ausgeübt werden könnte.

Normen

§ 15 Abs. 2 EStG

 

Tatbestand:

Streitig ist, ob die sachlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vorliegen. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind die einzigen Gesellschafter der Firma X GmbH. Dieses Unternehmen bearbeitet mit eigenen Schleifmaschinen für fremde Auftraggeber Metallteile (sog. Lohnschleiferei). Daneben stellt die GmbH Meßgeräte her, für die sie Erlöse in Höhe von etwa 15 bis 20 v. H. ihres Umsatzes erzielt. Ihre Umsätze betrugen in den Streitjahren zwischen 167 000 DM und 186 000 DM. Die Betriebsausgaben ohne das Gesellschafter-Geschäftsführergehalt für den Kläger beliefen sich auf Beträge zwischen 123 000 DM und 170 000 DM.

Von der Gründung der GmbH im Jahre 1974 an bis zum Jahre 1979 befand sich der Betrieb in gemieteten Räumen. Im Jahre 1979 erwarben die Kläger das Grundstück in A, B-Straße 8, mit einem Einfamilienhaus und einer Halle. Die Halle sowie den Teil des Einfamilienhauses, in dem ein Büro untergebracht war, vermieteten sie ohne weitere Umgestaltung an die GmbH. Die anteiligen Anschaffungskosten für die Halle betrugen 57 000 DM und für die Büroräume 17 000 DM, die dazugehörige Grundstücksfläche hatte einen Wert von 27 000 DM. Bei der Halle handelte es sich um ein etwa 5 m hohes Gebäude mit einer Grundfläche von 110 qm, das früher von einem Handwerksinstallationsbetrieb als Werkstatt verwendet worden war. Das Gebäude ist in einfacher Fertigbauweise errichtet. Die Wände bestehen aus großformatigen, dünnen Betonplatten, die durch sichtbare Metallträger zusammengehalten werden und weder innen noch außen verkleidet sind. Die Lichtöffnungen sind mit einfachem Glas verschlossen. Zu 2/3 der Grundfläche ist die Halle eingeschossig; der Innenraum reicht hier bis unter die Dachsparren. Über den restlichen Teil ist eine Zwischendecke eingezogen. Das dadurch geschaffene weitere Geschoß dient als Lager und ist nur mit Hilfe einer nicht fest montierten Leiter zu erreichen. Unter dem Teil mit der eingezogenen Decke befinden sich ein kleines Büro sowie die Sanitär- und Sozialräume. Der eingeschossige Hallenteil wird für Produktionszwecke verwendet. In ihm sind die Metallbearbeitungsmaschinen installiert, von denen keine höher als 1,80 m und keine breiter als 2 bis 3 m ist. Alle Maschinen stehen unmittelbar auf dem Hallenboden. Besondere Betriebsvorrichtungen sind nicht vorhanden.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte die Einkünfte der Kläger aus der Vermietung der Räume an die GmbH sowie die Ausschüttungen der GmbH als Gewinn aus Gewerbebetrieb (Besitzunternehmen).

Die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg.

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Grundstücksvermietung durch die Kläger stellt sich als gewerbliche Tätigkeit dar, die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung entfaltet wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine derartige Betriebsaufspaltung anzunehmen, wenn einer Kapitalgesellschaft wesentliche Grundlagen ihres Betriebs überlassen werden (sachliche Verflechtung) und die hinter dem Besitzunternehmen stehenden Personen ihren Willen auch in der Betriebsgesellschaft durchsetzen können (personelle Verflechtung; vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63).

An der personellen Verflechtung können im Streitfall keine Zweifel bestehen, weil die Kläger jeweils zur Hälfte am Betriebs- wie am Besitzunternehmen beteiligt waren.

Im Gegensatz zur Auffassung des FG handelt es sich bei dem der GmbH überlassenen Grundstück auch um eine wesentliche Betriebsgrundlage für das Betriebsunternehmen.

Ein Grundstück ist im Rahmen einer Betriebsaufspaltung für das Betriebsunternehmen eine wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich ist und besonderes Gewicht für die Betriebsführung besitzt (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1991 VIII R 77/87, BFHE 166, 82 , BStBl II 1992, 334). Grundstücke, die der Fabrikation dienen, gehören nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig im Rahmen einer Betriebsaufspaltung zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen (z. B. BFH-Urteile vom 12. März 1970 I R 108/66, BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439; vom 26. Juni 1975 IV R 59/73, BFHE 116, 160, BStBl II 1975, 700; vom 15. Mai 1975 IV R 89/73, BFHE 116, 277, BStBl II 1975, 781, und vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379). Denn bei Fabrikgrundstücken sind die Gebäude durch ihre Gliederung oder sonstige Bauart in der Regel dauernd für den Betrieb eingerichtet oder nach Lage, Größe und Grundriß auf den Betrieb zugeschnitten (Urteile vom 24. August 1989 IV R 135/86, BFHE 158, 245, BStBl II 1989, 1014, unter 7; vom 1. Februar 1990 IV R 91/89, BFH/NV 1990, 562; vom 10. April 1991 XI R 22/89, BFH/NV 1992, 312; vom 5. September 1991 IV R 113/90, BFHE 165, 420 , BStBl II 1992, 349, und in BFHE 166, 82 , BStBl II 1992, 334; ähnlich Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 Satz 6 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1987 und Abschn. 137 Abs. 5 Nr. 1 EStR 1990).

Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. September 1991 IV R 8/90 (BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347) mit Zustimmung des VIII. Senats des BFH entschieden, daß der Regelfall, demzufolge ein Fabrikationsgrundstück als wesentliche Betriebsgrundlage anzusehen ist, insbesondere dann vorliegt, wenn das Betriebsgebäude in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Vermietung an die Betriebsgesellschaft errichtet worden ist. Aber auch ein ursprünglich für die Zwecke eines anderen Betriebes errichtetes, später vom Besitzunternehmen gekauftes Gebäude kann wesentliche Betriebsgrundlage sein. Der Ausnahmefall (keine wesentliche Betriebsgrundlage) ist dagegen dann gegeben, wenn das Grundstück für das Betriebsunternehmen nur von geringer wirtschaftlicher Bedeutung ist (BFH-Urteil in BFHE 166, 82 , BStBl II 1992, 334). Das kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn das Gebäude entweder seiner Art nach überhaupt nicht für gewerbliche Fertigungszwecke bestimmt ist (ehemalige Schule, Wohngebäude, BFH-Urteil vom 25. Oktober 1988 VIII R 339/82, BFHE 154, 539, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1989, 145; Söffing, Finanz-Rundschau - FR - 1992, 74-75) oder im Vergleich zu vom Betriebsunternehmen in gleicher Weise genutzten Grundstücken nur eine geringe Größe hat (BFH-Urteile in BFHE 166, 82 , BStBl II 1992, 334, und in BFHE 166, 55, BStBl II 1992, 347).

Im Streitfall hat das FG die sachliche Verflechtung mit der Begründung verneint, daß die in Rede stehende Halle nicht auf die Zwecke der GmbH zugeschnitten sei und eher das Bild eines gerade noch hinnehmbaren Provisoriums biete. Diese Umstände reichen jedoch nicht aus, um eine Ausnahme von dem vorstehend dargestellten Grundsatz, daß ein Fertigungsgebäude regelmäßig eine wesentliche Betriebsgrundlage darstellt, zu begründen.

Die GmbH ist nach den Feststellungen des FG aus gemieteten Betriebsräumen in die von den Klägern erworbene Halle umgezogen. Der Grund hierfür lag nach den Bekundungen der Kläger darin, daß die ursprünglich benutzten Räume nicht mehr ausreichten. Das spricht dafür, daß beim Erwerb der neuen Halle durch die Kläger und die anschließende Anmietung seitens der GmbH darauf geachtet wurde, daß ihre Größe und ihre Gliederung den derzeitigen betrieblichen Zwecken der GmbH entsprachen. Es handelt sich nicht etwa um ein Gebäude, dem eine gewerbliche Nutzung an sich fremd ist, sondern um eine Halle, die für einen Handwerksbetrieb errichtet worden ist. Mit einem größeren Fertigungsraum, einem Werkstattbüro, Sanitär- und Sozialräumen, sowie einem als Lager dienenden Obergeschoß bietet sie die für eine kleine Lohnschleiferei, wie sie die GmbH betreibt, notwendigen Räumlichkeiten. Wenn die Ausstattung auch nicht optimal sein mag, so ist sie doch ausreichend und entspricht insbesondere den finanziellen Möglichkeiten des Unternehmens. Auch die Lage des Betriebsgebäudes ist für den Betrieb der GmbH günstig. Es befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Wohnung des Geschäftsführers, in der sich auch das Büro der Geschäftsleitung befindet. Der Umstand, daß die Halle und das Wohngebäude auf demselben Grundstück stehen und von den Klägern zusammen angeschafft wurden, spricht auch dagegen, daß es sich um ein Provisorium handelt.

Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man als maßgebliches Kriterium für die Annahme einer sachlichen Verflechtung ansieht, ob das Betriebsunternehmen jederzeit am Markt ein für seine Belange gleichwertiges Grundstück mieten oder kaufen kann. Entgegen der vom FG und den Klägern vertretenen Auffassung kommt es nicht darauf an, ob der Betrieb auch in einem anderen gemieteten oder gekauften Gebäude ausgeübt werden könnte. In den BFH-Urteilen vom 7. August 1990 VIII R 110/87, BStBl II 1991, 336; BFH/NV 1991, 93, und in BFHE 166, 82 , BStBl II 1992, 334) wird eine sachliche Verflechtung vielmehr nur für den Fall verneint, daß ein Austausch der Betriebsgrundstücke "jederzeit" möglich ist. Das kann nur so verstanden werden, daß ein Betriebsgrundstück bereits dann besonderes Gewicht für die Betriebsführung hat, wenn bei einer Kündigung des Mietverhältnisses die Gefahr einer vorübergehenden Stillegung des Betriebes bestünde.

Im Streitfall war die Tätigkeit der GmbH - wie die Aufgabe der ursprünglich gemieteten Betriebsräume zeigt - so angewachsen, daß sie nicht mehr wie zu Anfang in einer ehemaligen Scheune oder Garage ausgeführt werden konnte. Mithin war ein Ersatzgrundstück nicht jederzeit, zumal nicht innerhalb der vierteljährlichen Kündigungsfrist des § 565 Abs. 1 Nr. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), zu mieten oder zu kaufen. Das gilt insbesondere deshalb, weil die finanziellen Möglichkeiten der Gesellschaft begrenzt waren.

Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es nicht darauf an, daß die Halle bei einer weiteren Ausdehnung des Betriebs möglicherweise einmal nicht mehr ausreichen könnte. Maßgebend ist vielmehr, daß das Grundstück in den Streitjahren zur Erreichung des Betriebszwecks der GmbH erforderlich und als einziges Betriebsgebäude von besonderem Gewicht war.

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