Normen
§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG 1977
Tatbestand:
1. Der angestellte Betriebsleiter K erwarb mit Vertrag vom 11. Dezember 1973 alle Geschäftsanteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, zum Preise von 750 000 DM und bestellte sich zu deren Geschäftsführer. Die Mittel zur Bezahlung des Kaufpreises erlangte K durch zwei auf ein Bankkonto der Klägerin gezogene Schecks, die am 31. Oktober 1973 (250 000 DM) und am 24. Dezember 1973 (500 000 DM) von ihrem Bankkonto abgebucht wurden. In der Buchführung der Klägerin für 1973 wurden diese Beträge einem Konto "langl. Darlehen K - langf. Darlehensforderung" belastet und bis zum Streitjahr lediglich zum 31. Dezember 1975 um eine Ausschüttung in Höhe von 50 000 DM gemindert. Ein darüber zuvor geschlossener schriftlicher Darlehensvertrag lag nicht vor. Ebensowenig mußte K Sicherheiten für die Rückzahlung dieser Beträge leisten. K zahlte keine Zinsen; Zinsen wurden lediglich für die Jahre 1973 und 1974 verbucht. Zum 31. Dezember 1976 wies das Darlehenskonto eine Schuld des K von 768 714,44 DM auf.
Daneben führte die Klägerin ab 1973 für K ein Verrechnungskonto, dessen Schuldsaldo per 31. Dezember 1976 385 888,87 DM betrug. Diese Schuld ging darauf zurück, daß K in den Jahren 1974 bis 1976 Gehalt, Umsatzprovision und Darlehen "entnommen" hatte. Insbesondere entnahm er am 20. Februar 1976 100 000 DM.
Am 30. Dezember 1976 übertrug K seine Anteile an der Klägerin unentgeltlich auf die Hauptlieferantin, eine ausländische Aktiengesellschaft. Am 28. Dezember 1976 hatte K mit der Klägerin einen Vertrag geschlossen, in dem diese die ihr gegenüber bestehende Schuld zinslos bis zum 31. Dezember 1986 stundete. Am 9. Mai 1977 wurde diese Vereinbarung erneuert. Dabei erteilte K der Klägerin ein "notarielles" Schuldanerkenntnis über 1 154 603,31 DM und unterwarf sich wegen der Forderung der Zwangsvollstreckung.
Die Klägerin schrieb die Forderung gegen K in ihrer Bilanz per 31. Dezember 1976 auf null DM ab. Zu diesem Zeitpunkt war K zahlungsunfähig.
2. Im Streitjahr (1976) bezog K für seine Geschäftsführertätigkeit Gehalt in Höhe von 53 000 DM und Umsatzprovisionen in Höhe von 43 983,56 DM. Zunächst betrug das Gehalt für 1976 6 500 DM monatlich. Im März des Jahres beschloß K bei einer Gesellschafterversammlung, daß dieser Betrag ab 1. Januar 1976 nicht mehr als Gehalt gezahlt, sondern bis auf Widerruf monatlich "entnommen" würde. Ab Juli 1976 bezog jedoch K wieder ein "Bruttogehalt" von monatlich ca. 4 500 DM.
3. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in der Gewährung der Darlehen an K eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 1 154 603,31 DM. Es behandelte ferner das Gehalt des K in Höhe von 28 200 DM als verdeckte Gewinnausschüttung, weil keine klare Vereinbarung über die Wiederaufnahme (verminderter) Gehaltszahlungen getroffen worden sei. Der Einspruch gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1976 vom 9. Juli 1979 hatte keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
4. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin sinngemäß die Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes 1975 (KStG 1975).
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des FG sowie den Körperschaftsteuerbescheid für 1976 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der dem Gesellschafter-Geschäftsführer K gewährten Darlehen angenommen. Es hat ferner die "Gehalts"-Zahlung vom 1. Juli bis 31. Dezember 1976 an K zutreffend als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt.
1. Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1975 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1989 I R 9/85, BFHE 156, 428, BStBl II 1989, 631). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH seit seinem Urteil vom 16. März 1967 I 261/63 (BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626) eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine verdeckte Gewinnausschüttung auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteile vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761, und vom 2. März 1988 I R 63/82, BFHE 152, 515, BStBl II 1988, 590).
2. Zu Recht hat das FG die "Gehalts"-Zahlung vom 1. Juli bis 31. Dezember 1976 in der unstreitigen Höhe von 28 200 DM als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt. K war in dieser Zeit beherrschender Gesellschafter der Klägerin. Nach den Feststellungen des FG, an die der Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, fehlte es an einer vertraglichen Regelung der Geschäftsführerbezüge des K. Der Gesellschafterbeschluß vom März 1976 ist schon von seinem Inhalt her nicht geeignet, einen Gehaltsanspruch des K zu begründen. Der Vertrag vom 1. Dezember 1966, mit dem K als Betriebsleiter der Klägerin eingestellt wurde, regelt nicht die Rechtsbeziehungen des K zur Klägerin als deren Geschäftsführer, zu dem er erst 1973 bestellt wurde. Die tatsächliche Würdigung des FG ist somit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar kann die monatliche Zahlung und Verbuchung des Geschäftsführergehalts auf eine klare und vorherige Vereinbarung schließen lassen. Diese Folgerung hat das FG im Streitfall jedoch nicht aus der Buchung der Gehaltszahlungen an K gezogen, weil diese Beträge stark schwankten. Diese Tatsachenwürdigung ist möglich und widerspricht nicht den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen. Insbesondere wurde nicht festgestellt, daß die Klägerin zeitnah Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für diese Gehaltszahlungen abgeführt hätte. Stark schwankende Leistungen in der Gesellschaft an den Gesellschafter-Geschäftsführer deuten aber eher auf Gewinnausschüttungen als auf Gehaltszahlungen hin.
3. Ebenfalls mit Recht hat das FG eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe der dem K gewährten Darlehen angenommen. Dabei kann es dahinstehen, ob die verdeckte Gewinnausschüttung entstanden ist, weil der Anspruch auf Rückforderung der Darlehensvaluta uneinbringlich wurde (s. nachfolgend a)) oder weil die Klägerin vorher auf die Rückforderung der Darlehen verzichtet hatte (nachfolgend b)).
a) Die Darlehensforderung der Klägerin gegenüber dem Gesellschafter-Geschäftsführer K wurde nach den Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, im Streitjahr wegen Zahlungsunfähigkeit des K uneinbringlich. Darin liegt - ausgehend von den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen - eine Vermögensminderung, die sich auf die Höhe des Einkommens der Klägerin auswirkt und die im Streitjahr eingetreten ist. Nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1975 ist die verdeckte Gewinnausschüttung dann entstanden, wenn objektiv gesehen bei der Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung im Sinne einer Einkommensminderung eintritt (BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 176/83, BFHE 150, 337, BStBl II 1987, 733).
Die durch den Ausfall der Darlehensforderungen eingetretene Vermögensminderung findet ihre Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis, denn die Klägerin hatte es unterlassen, rechtzeitig die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die dem K gewährten Darlehen zu sichern und zurückzuerhalten (vgl. BFH-Urteile vom 16. September 1958 I 88/57 U. BFHE 67, 468, BStBl III 1958, 451; vom 31. Juli 1974 I R 238/72, BFHE 113, 434, BStBl II 1975, 48; vom 19. März 1975 I R 173/73, BFHE 115, 359, BStBl II 1975, 614, und BFH-Beschluß vom 5. Februar 1986 I S 15/85, BFH/NV 1986, 563). Kein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter würde einem außenstehenden Dritten Darlehen in der Höhe gewähren, wie sie K erhalten hat, ohne sie ausreichend zu sichern. Dies gilt auch für die 1973 dem K zum Erwerb der Gesellschaftsanteile der Klägerin gewährten Darlehen in Höhe von 750 000 DM. Nachdem dadurch der Klägerin Kapital in Höhe des Wertes ihrer Gesellschaftsanteile entzogen wurde, stellen die Anteile keine angemessene Sicherheit für die Darlehensrückzahlung dar. Überdies ist nicht festgestellt, daß die Klägerin von K Sicherungsrechte an den ihm an ihr zustehenden Gesellschaftsrechten erhalten hatte.
Die Ursache für den Ausfall der Darlehensforderungen liegt daher im Gesellschaftsverhältnis zwischen der Klägerin und K begründet. Dies gilt auch in bezug auf das dem K am 31. Oktober 1973 und damit vor Erwerb der Geschäftsanteile an der Klägerin (11. Dezember 1973) gewährte Darlehen in Höhe von 250 000 DM. Die verdeckte Gewinnausschüttung hat insoweit ebenfalls ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis, da diese ungesicherte Darlehensausreichung in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Begründung steht und der Empfänger danach tatsächlich Gesellschafter wurde (vgl. BFH-Urteil vom 24. Januar 1989 VIII R 74/84, BFHE 156, 126, BStBl II 1989, 419).
b) Es bedarf keiner Klärung in tatsächlicher Hinsicht, ob die Klägerin bereits vor Uneinbringlichkeit auf Rückzahlung der ausgereichten Darlehen verzichtet hatte. Die Klägerin durfte nämlich auch im Fall eines vorherigen Verzichts ihr Einkommen nicht um die im Streitjahr ausgebuchten Darlehen mindern.
aa) Ein solcher Darlehensverzicht könnte gemäß den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen ebenfalls nur als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilt werden. Vor allem ist kein Grund festgestellt oder sonst erkennbar, daß ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter gegenüber einem Dritten einen ebensolchen Verzicht ausgesprochen hätte. In gleicher Weise wäre eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen, wenn die Klägerin - entgegen der tatsächlichen Würdigung des FG - von Anfang an auf die Rückzahlung der als Darlehen bezeichneten Beträge verzichtet hätte, wobei dies wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs mit der Gesellschafterstellung des K - wie oben unter 3. a) ausgeführt - ebenfalls für den am 31. Oktober 1973 ausgereichten Betrag von 250 000 DM gelten müßte.
Für einen Verzicht auf die Rückzahlung der Darlehen (Erlaß der Darlehensforderung gemäß § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuches), der auch durch schlüssiges Verhalten zustande kommen kann, spricht vor allem, daß K keinen wesentlichen Beitrag zur Tilgung der Darlehen geleistet hat, vielmehr seine Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin beständig anwachsen ließ. Auf einen Verzicht deutet ferner hin, daß die Klägerin keine Zinsen auf das Darlehen eingefordert und ab 1975 nicht einmal mehr gebucht hat. Die Verzinslichkeit gehört zwar nicht zum Wesen eines Darlehens. Die mangelnde Verzinsung weist aber darauf hin, daß K die Gelder im Laufe der Zeit nicht mehr als fremde, sondern als eigene angesehen hat.
bb) Es kann dahinstehen, ob der Darlehensverzicht im Streitjahr oder in den vorangegangenen Jahren 1973 bis 1975 vollzogen wurde. Wäre der Verzicht bereits in den Jahren 1973 bis 1975 zustande gekommen, so hätten die Darlehensforderungen in diesen Jahren aus der Bilanz der Klägerin erfolgsneutral ausgebucht werden müssen. Da dies in den Jahren 1973 bis 1975 nicht geschehen ist, wäre nach dem Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs die Schlußbilanz des ersten Jahres zu berichtigen, dessen Veranlagung noch geändert werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 1967 IV R 96/67, BFHE 90, 430, BStBl II 1968, 144, und vom 14. Dezember 1982 VIII R 53/81, BFHE 137, 339, BStBl II 1983, 303). Die Darlehensforderungen wären also auch in diesem Fall im Streitjahr erfolgsneutral auszubuchen. Die Korrektur der Schlußbilanz des ersten Jahres, dessen Veranlagung noch geändert werden kann, wäre nur dann nicht zulässig, wenn der Fehler an der Quelle, d. h. in den Veranlagungszeiträumen des Verzichts, berichtigt werden könnte. Dies müßte jedoch im Streitfall ausscheiden. Einer Änderung der in Betracht zu ziehenden Veranlagungen der Jahre 1973 bis 1975 stünde die Verjährung der Steueransprüche entsprechend den Vorschriften der Reichsabgabenordnung in der vor dem 1. Januar 1977 geltenden Fassung entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1980 VIII R 58/80, BFHE 132, 1, BStBl II 1981, 245). Zudem fehlte es an einer tatsächlichen Änderung dieser Veranlagungen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 1972 I R 189/68, BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874).