BFH

BFHIII R 242/8317.9.1987

Amtlicher Leitsatz:

Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen erwachsen nicht zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG und sind deshalb nicht steuerermäßigend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Normen

§ 33 EStG

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand:

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) machte mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1980 nichterstattete Kosten der Beerdigung seines im November 1980 vermögenslos verstorbenen 17jährigen Sohnes als außergewöhnliche Belastung (§ 33 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte den Abzug insoweit, als es sich um die Aufwendungen für Speisen und Getränke anläßlich der Trauerfeier (525,40 DM) handelte.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, dem Kläger seien sämtliche Kosten der standesgemäßen Beerdigung seines Sohnes aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Er, der Kläger, habe als Vater die Beerdigung ausrichten und dabei insbesondere auch die Aufwendungen zur Bewirtung der zum Teil aus Süd- und Norddeutschland nach X angereisten Verwandten tragen müssen.

Mit der Revision, die das FG wegen Abweichung von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Januar 1963 IV 243/59 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963, 208; Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 171) zugelassen hat, rügt das FA Verletzung des § 33 EStG und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen sind in diesem Sinne zwangsläuflg, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

2. a) Nach der Rechtsprechung des BFH werden die Aufwendungen für die Bewirtung der Trauergäste anläßlich einer Beerdigung nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt (vgl. das Urteil in HFR 1963, 208; StRK, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 171). Der BFH lehnte in dieser Entscheidung eine Rechtspflicht des Ehemannes zur Bewirtung der Trauergäste anläßlich der Beerdigung seiner verstorbenen Ehefrau ab. In der Begründung ist u. a. auch ausgeführt, der überlebende Ehemann, ein Steuerberater, sei zu den Aufwendungen auch nicht aus Erwägungen gezwungen gewesen, denen er sich aufgrund seiner Stellung innerhalb der Gemeinschaft nicht habe entziehen können.

b) Im Schrifttum wird die vorstehend angeführte Entscheidung des BFH (HFR 1963, 208; StRK, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 171) ganz überwiegend zustimmend kommentiert (vgl. z. B. Arndt in Kirchhoff/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Rdnr. C 41; Blümich/Falk, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 6, Stichwort "Todesfall"; Fitsch in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 78, Stichwort "Beerdigung" Ziff. 3; Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 33 Rz. 21, Stichwort "Beerdigungskosten"; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33 EStG Anm. 145; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 33 Anm. 8, Stichwort "Beerdigung"; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 33 Rdnr. 105 a).

3. Der erkennende Senat schließt sich der BFH-Entscheidung in HFR 1963, 208; StRK, Einkommensteuergesetz, § 33, Rechtsspruch 171 aus folgenden Erwägungen an:

a) Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen erwachsen nicht aus rechtlichen Gründen zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG.

Soweit es sich um die Rechtspflicht des Erben handelt, die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu tragen, hat der Erbe die Möglichkeit, dieser Verpflichtung durch Ausschlagung der Erbschaft auszuweichen. Auf die Regelung des § 1968 BGB allein läßt sich danach eine Zwangsläufigkeit der Aufwendungen aus rechtlichen Gründen nicht stützen (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1987 III R 208/82, BFHE 150, 351, BStBl II 1987, 715).

Im Streitfall ergibt sich allerdings für den Kläger als Unterhaltspflichtigen außerdem aus § 1615 Abs. 2 BGB eine Rechtspflicht, die Kosten der Beerdigung des unterhaltsberechtigten Sohnes zu tragen. Dieser Verpflichtung konnte sich der Kläger nicht durch Ausschlagung der Erbschaft entziehen. Die Bezahlung der Beerdigungskosten war im Streitfall auch nicht von anderen Erben zu erlangen.

Die Entscheidung des Streitfalles hängt danach davon ab, ob Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen anläßlich einer Beerdigung zu den gemäß § 33 EStG absetzbaren Bestattungskosten gehören. Die Frage, ob solche Aufwendungen zivilrechtlich den Kosten einer standesgemäßen Beerdigung i. S. von § 1615 Abs. 2 BGB i. V. m. § 1968 BGB zuzurechnen sind, wird in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedlich beurteilt (bejahend u. a. Urteil des Oberlandesgerichts - OLG - Kiel vom 1. Februar 1930 4 U 234/29, Juristische Wochenschrift - JW - 1931, 668; wohl nur unter gewissen Voraussetzungen bejahend: Marotzke in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 1968 Rz. 7; die Frage offenlassend das Reichsgericht - RG - im Urteil vom 9. Februar 1933 VI 359/32, RGZ 139, 393, und der Bundesgerichtshof - BGH - im Urteil vom 19. Februar 1960 VI ZR 30/59, BGHZ 32, 72; ablehnend Jaeger/Weber, Konkursordnung, 8. Aufl., § 224 Rz. 4). Unbeschadet dieser uneinheitlichen Beurteilung des Begriffs und des Umfangs der Beerdigungskosten im bürgerlichen Recht scheitert die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für ein Traueressen als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG nach Auffassung des erkennenden Senats jedenfalls daran, daß diese Aufwendungen nicht als notwendig i. S. der von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG geforderten Zwangsläufigkeit anzusehen sind.

Bei der Entscheidung, ob und ggf. welche Aufwendungen anläßlich einer Bestattung als notwendig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG zu beurteilen sind, ist davon auszugehen, daß auch die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für die Bestattung des Verstorbenen der nach Überlieferung und Sitte bevorzugten Stellung von Beerdigungskosten in der gesamten Rechtsordnung entsprechen muß. Die öffentliche Ordnung fordert, daß der Verstorbene bestattet werden muß (vgl. z. B. Jaeger/Weber, a. a. O., Rz. 3). Hieraus folgt, daß die Kosten der eigentlichen Bestattung, d. h. die Bestattungskosten in engerem Sinne, zwangsläufig gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Dabei ist hinsichtlich der Notwendigkeit und Angemessenheit dieser Bestattungskosten in engerem Sinne dem Steuerpflichtigen nach der ständigen Rechtsprechung ein größerer Spielraum zu gewähren als in sonstigen Fällen. Denn die Gestaltung eines Begräbnisses gehört zu den höchstpersönlichen Angelegenheiten des Kostenträgers (BFH-Urteile vom 16. Oktober 1952 IV 376/51 S, BFHE 56, 773, BStBl III 1952, 298; vom 11. Mai 1979 VI R 37/76, BFHE 128, 64, BStBl II 1979, 558). Aus der nach der Rechtsprechung gebotenen großzügigen Beurteilung von Notwendigkeit und Angemessenheit der Bestattungskosten in engerem Sinne kann jedoch nicht die Abziehbarkeit auch solcher Aufwendungen abgeleitet werden, die nur mittelbar durch die Bestattung veranlaßt sind und bloße Folgekosten der eigentlichen Bestattung sind. Die Anerkennung solcher Aufwendungen würde zu im Massenverfahren der Besteuerung nicht zu bewältigenden Abgrenzungsschwierigkeiten und zu einer nicht vertretbaren Rechtsunsicherheit führen.

Die Anwendung dieser Erwägungen auf den Streitfall ergibt, daß Aufwendungen für die Bewirtung von Trauergästen im Anschluß an die Beerdigung nicht zwangsläufig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erwachsen. Anders als etwa die Kosten der landesüblichen kirchlichen und bürgerlichen Leichenfeierlichkeiten, die herkömmlicherweise zur angemessenen Ausgestaltung der eigentlichen Bestattung gerechnet werden (vgl. Urteil in RGZ 139, 393, 395) und die i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG als zwangsläufig - auch notwendig und angemessen - anzusehen sind, stehen die Aufwendungen für das Traueressen im Anschluß an die eigentliche Bestattung mit dieser nur in einem mittelbaren Zusammenhang. Der Umstand, daß durch die Teilnahme Dritter an der Bestattung Aufwendungen entstehen, läßt diese nicht als für die eigentliche Bestattung notwendig i. S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG erscheinen. Dabei verkennt der Senat nicht, daß der Verstorbene durch die Teilnahme einer großen Trauergemeinde an der Beerdigung in besonderem Maße geehrt und gewürdigt wird und es auch in weiten Kreisen üblich ist, insbesondere die aus weiter Entfernung angereisten Trauergäste im Anschluß an die Beerdigung zu bewirten.

Die abweichende Beurteilung der hier streitigen Aufwendungen durch die Vorinstanz ist auch vom Ergebnis her abzulehnen. Aufwendungen für die Bewirtung von Gästen erwachsen in ähnlicher Weise bei anderen Anlässen persönlicher Art, wie z. B. bei Kindstaufen, Konfirmationen oder Hochzeitsfeiern (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 2. Mai 1958 VI 303/57 U, BFHE 67, 62, BStBl III 1958, 296). Der erkennende Senat sieht die Kosten der Bewirtung von Angehörigen und anderen Gästen anläßlich derartiger Ereignisse einheitlich nicht als notwendig i. S. der von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG vorausgesetzten Zwangsläufigkeit an. Auch eine unterschiedliche Beurteilung je nach der Entfernung, die die Gäste zwecks Teilnahme an der Feierlichkeit zurücklegen müssen oder je nach Alter und Gesundheitszustand der Gäste würde zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen und ist im Besteuerungsverfahren - einem Massenverfahren - als nicht praktikabel abzulehnen.

b) Die hier streitigen Aufwendungen sind dem Kläger auch nicht aus tatsächlichen oder sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Hinsichtlich des Umfangs der als zwangsläufig anzusehenden notwendigen Aufwendungen gelten die Erwägungen zur Zwangsläufigkeit aus rechtlichen Gründen in der Regel entsprechend. Im übrigen sind bei den hier streitbefangenen Kosten keine Umstände ersichtlich, die eine abweichende Abgrenzung der den Umständen nach "notwendigen" Aufwendungen rechtfertigen könnten.

4. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war aufzuheben. Die Streitsache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Klage als unbegründet abzuweisen.

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