Normen
§ 6 Abs. 1 KStG
Tatbestand:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein rechtsfähiger Verein, der als Lohnsteuerhilfeverein i. S. des § 13 Abs. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) anerkannt ist.
Organe der Klägerin sind die Mitgliederversammlung, der Vorstand und der Verwaltungsrat. Auf der Gründungsversammlung wurde gemäß der Satzung zum Vorsitzenden des Vorstands auf Lebenszeit das Gründungsmitglied R gewählt, der gleichzeitig als Geschäftsführer für die Klägerin tätig war. Stellvertretender Vorsitzender war ab dem Jahr 1975 B, der Vater von R. Mitglieder des Verwaltungsrates waren in den Jahren 1973 bis 1977 R und dessen Ehefrau, K, sowie zwei familienfremde Personen.
R war aufgrund eines zwischen ihm und der Klägerin abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrages für die Klägerin tätig. Der Vertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren sah ein festes Jahresgehalt von 120 000 DM und Sonderzahlungen von eineinhalb Monatsgehältern vor. Bei einer wesentlichen Verschlechterung in den Vermögensverhältnissen der Klägerin sollte der Verwaltungsrat zu einer Halbierung der Bezüge berechtigt sein. Für das Jahr 1973 wurde die Vergütung rückwirkend auf 32 000 DM festgesetzt. Aufgrund einer Zusatzvereinbarung vom 3. März 1975 wurde R im Hinblick auf seine Berufsausbildung bis auf weiteres ohne Bezüge beurlaubt. Die übrigen Bestimmungen des Anstellungsvertrages blieben hierdurch unberührt.
B war nach dem Anstellungsvertrag für die Klägerin als Abteilungsleiter und Berater tätig. Der auf die Dauer von elf Jahren abgeschlossene Vertrag sah eine monatliche Vergütung von 3 000 DM vor.
In der Mitgliederversammlung der Klägerin vom 19. November 1975 traten R und B von ihren Vorstandsämtern zurück. Aufgrund des Rücktritts wurden die Anstellungsverträge einvernehmlich aufgehoben. In den hierüber getroffenen Vereinbarungen zwischen der Klägerin, vertreten durch die neuen Vorstandsmitglieder, und dem ehemaligen Vorstand wurde R eine Abfindung von 410 000 DM zuerkannt, die durch Verrechnung mit einer Gegenforderung der Klägerin sowie durch Zahlung eines Betrags von 290 000 DM am 9. Januar 1976 getilgt wurde. B erhielt eine Abfindung von 240 000 DM zugesprochen, die je zur Hälfte im November 1975 und Januar 1976 ausgezahlt wurde.
Die Klägerin behandelte die an R und B gezahlten Vergütungen als Betriebsausgaben. Bezüglich der Abfindungsvereinbarungen wies sie auf der Aktivseite der Bilanz zum 31. Dezember 1975 ein immaterielles Wirtschaftsgut in Höhe von 530 000 DM aus, das sie in den Streitjahren 1976 und 1977 mit je einem Viertel (132 500 DM) gewinnmindernd absetzte. Die sich hierdurch in den Streitjahren ergebenden Verluste legte die Klägerin ihren Körperschaftsteuererklärungen zugrunde.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wertete die von der Klägerin an R und B geleisteten Zahlungen zum überwiegenden Teil als verdeckte Gewinnausschüttungen, wobei er davon ausging, daß die Stellung von R innerhalb der Klägerin der eines beherrschenden Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft vergleichbar war. Während das FA die rückwirkend vereinbarten Gehaltszahlungen an R für 1973 und die Abfindungszahlungen in voller Höhe als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelte, hielt es für 1974 und 1975 Monatsgehälter des R von 4 000 DM und des B von 500 DM für angemessen. Das FA erkannte ferner die Aktivierung der Abfindungen als immaterielle Wirtschaftsgüter nicht an und machte die in den Jahren 1976 und 1977 vorgenommenen Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von jeweils 132 500 DM gewinnerhöhend rückgängig.
Durch den Ansatz der verdeckten Gewinnausschüttungen ergab sich in den Körperschaftsteuerveranlagungen der Streitjahre ein positives Einkommen.
Mit ihrer nach überwiegend erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, daß sie mangels eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs und wegen Fehlens einer Gewinnerzielungsabsicht keine gewerblichen Einkünfte erziele und folglich Gewinne weder offen noch verdeckt ausschütte. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur in geringem Umfang statt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. und des § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Abänderung der angefochtenen Steuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Körperschaftsteuer 1973, 1976 und 1977 auf 0 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der Körperschaftsteuer in den angefochtenen Bescheiden auf 0 DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die von der Klägerin an R und B geleisteten Zahlungen stellen keine verdeckten Gewinnausschüttungen dar. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Klägerin, deren satzungsmäßiger Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, überhaupt mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1975 (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977) vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 8. Oktober 1985 VIII R 284/83, BFHE 146, 108, BStBl II 1986, 481, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen).
a) Das Wesen der verdeckten Gewinnausschüttung besteht darin, daß dem Gesellschafter von der Gesellschaft Gewinn in einer Form zugeführt wird, in der er nicht als Gewinn erscheint, sondern in einer anderen Form verborgen ist (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 KStG 1975 Anm. 68). Die Rechtsfolgen der verdeckten Gewinnausschüttung treten deshalb nur ein, wenn Zuwendungsempfänger ein Gesellschafter oder eine diesem nahestehende Person sind, weil einkommensteuerrechtlich Kapitaleinkünfte nicht einer Person zugerechnet werden können, die an der Kapitalgesellschaft nicht beteiligt ist (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1963 I 325/61 S, BFHE 78, 46, BStBl III 1964, 17). Diese für Kapitalgesellschaften entwickelten Rechtsgrundsätze sind auf sonstige Körperschaften und Personenvereinigungen i. S. des § 1 Abs. 1 KStG folglich nur anzuwenden, wenn die Rechte der Mitglieder der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft vergleichbar sind. Diese Voraussetzung ist bezogen auf die Mitgliedschaftsrechte von R und B nicht erfüllt.
b) Während im Handelsrecht das Gesetz für eine Verknüpfung der wirtschaftlichen Eigeninteressen des Mitglieds mit dem wirtschaftlichen Schicksal der Gesellschaft sorgt, indem es Einlagen erzwingt und dafür die Mitgliedschaft als verwertbares Vermögensrecht ausgestaltet (vgl. Reuter in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2. Aufl., § 38 Anm. 11), ist das Vereinsvermögen ausschließlich dem Verein selbst als selbständigem Rechtsträger zugeordnet. Das Mitgliedschaftsrecht, das grundsätzlich weder übertragbar noch vererblich ist (vgl. § 38 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), verkörpert kein Vermögensrecht im Sinne eines Anteils am Vereinsvermögen. Dagegen wird den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft der Anteil am Wert des Gesellschaftsvermögens durch die Rechtsstellung vermittelt, die sie als Mitglied der Gesellschaft einnehmen (Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 168). Da das Vermögen des Vereins der Beteiligung seiner Mitglieder entzogen ist, können Zuwendungen des Vereins an seine Mitglieder nicht als Erträge angesehen werden, die Ausfluß einer kapitalmäßigen Beteiligung sind (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. September 1970 I R 22/67, BFHE 100, 369, BStBl II 1971, 47).
c) Bereits im Gesetz selbst findet sich ein entscheidender Anhaltspunkt dafür, daß es für die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen nicht auf die bloße Mitgliedschaft, sondern auf die kapitalmäßige Beteiligung des Zuwendungsempfängers an der die Leistung gewährenden Körperschaft ankommt. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 (§ 7 Satz 2 KStG 1975) dürfen neben verdeckten Gewinnausschüttungen auch Ausschüttungen jeder Art auf Genußscheine, mit denen das Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Kapitalgesellschaft verbunden ist, das Einkommen nicht mindern. Zivilrechtlich verbriefen Genußscheine keine Mitgliedschaftsrechte an der Kapitalgesellschaft, sondern reine Gläubigerrechte schuldrechtlicher Art, die jedoch nach ihrem Inhalt typische Vermögensrechte eines Aktionärs sein können (vgl. Knoppe, Betriebs-Berater - BB - 1966, 281). Der Gesetzgeber hat es für die steuerliche Einordnung der Genußscheine als Gesellschafterrechte als maßgebend angesehen, daß dem Rechtsinhaber neben der Gewinnbeteiligung auch eine Beteiligung am Liquidationserlös der Gesellschaft zusteht, und diesen insoweit trotz fehlender Mitverwaltungsrechte dem Anteilseigner einer Kapitalgesellschaft gleichgestellt. Gewähren die Genußscheine dagegen keine Beteiligung am Liquidationserlös der Gesellschaft, so sind Ausschüttungen hierauf wegen deren zivilrechtlichem Charakter als Gläubigerrechte unbeschränkt abziehbare Betriebsausgaben.
d) Ausschüttungen eines Vereins stellen in der Regel keinen Kapitalertrag dar und führen damit beim Empfänger nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs vom 20. Dezember 1933 VI A 353/33, RStBl 1934, 429). Die Beschränkung des in § 8 Abs. 3 KStG 1977 (§ 7 Satz 1 KStG 1975) verankerten Verbots der einkommensmindernden Berücksichtigung von Ausschüttungen einer Körperschaft auf solche Vorteile, die sich beim Empfänger als Ertrag aus einer Kapitalbeteiligung darstellen, ist jedoch auch im Hinblick auf das mit dem KStG 1977 eingeführte Anrechnungsverfahren geboten, das eine Entlastung von der Körperschaftsteuer sowohl für offene wie auch für verdeckte Gewinnausschüttungen vorsieht (vgl. § 27 Abs. 1 und 3 KStG 1977) und grundsätzlich auf alle unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften Anwendung findet (§ 43 KStG 1977).
Die Zielsetzung des Anrechnungsverfahrens bedingt nicht nur ein Ineinandergreifen der Vorschriften über die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nach §§ 27 ff. KStG 1977 bei der ausschüttenden Körperschaft einerseits und den Vorschriften über die Besteuerungsgrundlagen und die Körperschaftsteueranrechnung (§ 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 und § 36 Abs. 2 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes i. d. F. des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 - EStG 1977 -, BGBl I 1976, 2597) beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner andererseits (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 20 Anm. 10). Wie die Angleichung der Begriffsbestimmung für Genußscheine zwischen § 8 Abs. 3 KStG 1977 und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 1977 zeigt, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung dieser Vorschriften auch sicherstellen, daß die in § 8 Abs. 3 KStG 1977 aufgeführten Ausschüttungen beim Empfänger als Einnahmen aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG 1977 erfaßt werden. Denn die Anrechnung von Körperschaftsteuer beim Zuwendungsempfänger setzt den Zufluß von Einnahmen im Sinne der letztgenannten Vorschrift voraus (§ 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1977).
2. Die an R und B geleisteten Zahlungen stellen bei der Klägerin gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KStG 1975 (§ 8 Abs. 1 KStG 1977) i. V. m. § 4 Abs. 4 EStG unbeschränkt abziehbare Betriebsausgaben dar. Für den Abzug von Aufwendungen als Betriebsausgaben kommt es regelmäßig auf deren Angemessenheit nicht an. Dieser Grundsatz erfährt lediglich dann eine Einschränkung, wenn es sich um Aufwendungen handelt, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren (§ 4 Abs. 5 Satz 2 EStG i. d. F. vom 1. Dezember 1971, BGBl I, 1881, und § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG i. d. F. vom 5. September 1974, BGBl I, 2165). Diese Vorschrift will verhindern, daß unangemessener betrieblicher Repräsentationsaufwand zu Lasten des steuerpflichtigen Gewinns berücksichtigt wird (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1980 I R 111/77, BFHE 131, 469, BStBl II 1981, 58). Die streitigen Gehalts- und Abfindungszahlungen stellen bereits dem Grunde nach keine Repräsentationsaufwendungen dar.
3. Der Senat entscheidet in der spruchreifen Sache selbst. Die Körperschaftsteuer der Streitjahre ist auf 0 DM herabzusetzen (§§ 121, 100 Abs. 2 Satz 1 FGO), da sich ohne die vom FA angenommenen verdeckten Gewinnausschüttungen in diesen Jahren kein positives Einkommen ergibt.
Für 1973 hat das FA in dem angefochtenen Änderungsbescheid einen Gewinn von 69 035 DM zugrunde gelegt. In diesem Betrag sind ausweislich der Einspruchsentscheidung als verdeckte Gewinnausschüttungen angesetzte Gehaltszahlungen an R in Höhe von 49 081 DM und an B in Höhe von 21 000 DM enthalten.
In den Jahren 1976 und 1977 hat das FA zu Unrecht die AfA in Höhe von jeweils 132 500 DM auf ein immaterielles Wirtschaftsgut Abfindungen rückgängig gemacht und die Einkommen dieser Jahre entsprechend erhöht. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der bilanziellen Behandlung der Abfindungszahlungen kommt es hierbei nicht an. Denn die Nichtanerkennung der Aktivierung eines entsprechenden immateriellen Wirtschaftsguts durch das FA im Jahre 1975 und die hierdurch bedingte Versagung der AfA in den Streitjahren 1976 und 1977 wird durch die Erhöhung des vortragsfähigen Verlustes kompensiert (§ 6 Abs. 1 KStG 1975 bzw. § 8 Abs. 1 KStG 1977 i. V. m. § 10d EStG). Da es sich bei den Abfindungszahlungen nicht um verdeckte Gewinnausschüttungen gehandelt hat, hat das FA die entsprechende Gewinnkorrektur zu Unrecht außerhalb der Bilanz vorgenommen.
Für 1976 hat das FA den erklärten und mit geringfügigen Abweichungen anerkannten Verlust von 55 247 DM mit dem Betrag von 132 500 DM verrechnet und hierbei gleichzeitig einen Verlust aus 1974 in Höhe von 21 752 DM berücksichtigt. Der Verlust dieses Jahres erhöht sich um die laut Einspruchsentscheidung in 1974 angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen von 16 000 DM bei R und von 33 550 DM bei B, so daß der für 1977 vortragsfähige Verlust von über 125 000 DM den von der Klägerin für dieses Jahr erklärten und vom FA bei der Veranlagung insoweit anerkannten Gewinn von 114 280 DM übersteigt.
1) Vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 14. August 1987 - IV B 7 - S 2742 - 30/87 - (BStBl I S. 631).