Normen
§ 4 Abs. 3 EStG
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war selbständig als Steuerberater tätig; seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In den Jahren 1972 und 1973 beteiligte sich der Kläger an mehreren GmbH, die Autowaschstraßen betrieben, so u. a. auch an der Kfz-GmbH. Die weiteren Gesellschafter der Kfz-GmbH waren Mandanten des Klägers.
Ende 1973 gewährte der Kläger der in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Kfz-GmbH ein Darlehen von 100 000 DM. Außerdem verbürgte er sich für Verbindlichkeiten der Kfz-GmbH. Zur Refinanzierung des Darlehens und der Beteiligung an der Kfz-GmbH hatte der Kläger einen Kredit aufgenommen. Die Kfz-GmbH ist 1976 in Konkurs gefallen.
Bei der Ermittlung seines Gewinns aus freiberuflicher Tätigkeit für 1974 behandelte der Kläger die im Zusammenhang mit der Beteiligung und der Darlehensgewährung in 1974 angefallenen Schuldzinsen in Höhe von 12 163,97 DM und Zahlungen aufgrund der für die Kfz-GmbH übernommenen Bürgschaft in Höhe von 38 755,80 DM als Betriebsausgaben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für 1974 die genannten Beträge nicht zum Abzug zu.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß die Beteiligung des Klägers an der Kfz-GmbH nicht zu seinem Betriebsvermögen gehört habe und die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen nicht betrieblich veranlaßt gewesen seien.
Mit der Revision beantragt der Kläger, das Urteil des FG aufzuheben und 12 163,97 DM Schuldzinsen und 38 755,80 DM Bürgschaftszahlungen als Betriebsausgaben anzuerkennen. Der Kläger rügt Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 4 Abs. 4 EStG.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Der Senat pflichtet der Vorentscheidung allerdings darin bei, daß die im Zusammenhang mit der GmbH-Beteiligung und den Darlehensgewährungen an die GmbH im Streitjahr 1974 angefallenen Schuldzinsen und die Zahlungen des Klägers aufgrund der für die GmbH übernommenen Bürgschaften bei den Einkünften des Klägers aus selbständiger Arbeit nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.
a) Aufwendungen eines Angehörigen eines freien Berufs, z. B. eines Rechtsanwalts, eines Wirtschaftsprüfers oder eines Steuerberaters, der seinen Gewinn aus selbständiger Arbeit gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, insbesondere der Beteiligung an einer GmbH, sind nur dann als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abzugsfähig, wenn die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft betrieblich veranlaßt war und deshalb die Eigenschaft von notwendigem Betriebsvermögen i. S. von § 4 Satz 1 EStG hatte. Zu beachten ist dabei jedoch, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Geldgeschäfte, so auch die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft und die damit verknüpfte Darlehensgewährung oder Bürgschaftsübernahme bei Angehörigen eines freien Berufs, so auch bei einem Steuerberater, im Regelfalle nicht betrieblich veranlaßt sind, weil sie nicht dem Berufsbild eines freien Berufs, so auch dem des Steuerberaters, entsprechen, und die einkommensteuerrechtlichen Begriffe der Betriebsausgaben und des notwendigen Betriebsvermögens nicht umfassender sein können als der durch das jeweilige freiberufliche Berufsbild geprägte einkommensteuerrechtliche Begriff des Betriebs eines freien Berufs (vgl. z. B. Urteil vom 22. Januar 1981 IV R 107/77, BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564; ferner die Nachweise im Urteil vom 15. Oktober 1981 IV R 77/76, BFHE 135, 175, 177, BStBl II 1982, 340). Die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, die Gewährung von zusätzlichen Darlehen an diese Gesellschaft und die Übernahme von Bürgschaften für Verbindlichkeiten der Beteiligungsgesellschaft gehören grundsätzlich nicht zur "Berufstätigkeit" eines Steuerberaters. Nur in Ausnahmefällen können danach Geldgeschäfte eines Angehörigen eines freien Berufs objektiv in einem unmittelbaren und notwendigen wirtschaftlichen Zusammenhang mit der freiberuflichen Betätigung stehen und damit als betrieblich veranlaßt zu werten sein. Eine solche betriebliche Veranlassung hat die Rechtsprechung bejaht, z. B. bei einer Darlehensgewährung eines Rechtsanwalts und Notars zur Abwehr von Schadenersatzansprüchen (BFH-Urteil vom 7. Februar 1980 IV R 82/77, nicht veröffentlicht) oder (unter bestimmten Voraussetzungen) bei einer Darlehensgewährung eines Steuerberaters zur Rettung von Honorarforderungen (BFH-Urteil vom 22. April 1980 VIII R 236/77, BFHE 130, 454, BStBl II 1980, 571) oder bei der Beteiligung eines Baustatikers an einer Wohnungsbau-AG (BFH-Urteil vom 23. November 1978 IV R 146/75, BFHE 126, 298, BStBl II 1979, 109) oder bei der Beteiligung eines Architekten an einer Bauträgergesellschaft (BFH-Urteil vom 14. Januar 1982 IV R 168/78, BFHE 135, 188, BStBl II 1982, 345). Andererseits hat die Rechtsprechung des BFH aber stets betont, daß ein Geldgeschäft nicht schon deshalb notwendiges Betriebsvermögen eines Rechtsanwalts oder Notars oder Steuerberaters begründet, weil dieser das Geldgeschäft tätigt, um einen Mandanten neu zu gewinnen oder zu behalten (z. B. Urteile in BFHE 133, 168, 171, BStBl II 1981, 564 für die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, und vom 9. September 1965 IV 245/63, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 18, Rechtsspruch 379 für die Übernahme einer Bürgschaft).
Hieran hält der Senat jedenfalls für die (über die bloße vorübergehende Anlage flüssiger Mittel in börsengängigen Wertpapieren hinausgehende) Beteiligung eines Angehörigen eines freien Berufs an einer Kapitalgesellschaft und den damit verknüpften weiteren Geldgeschäften schon im Hinblick auf das wirtschaftliche Eigengewicht fest, das einer gesellschaftsrechtlichen Verbindung in einer Kapitalgesellschaft in der einkommensteuerrechtlichen Wertung beizumessen ist (vgl. insbesondere § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 17 EStG).
b) Im Streitfall hat sich der Kläger zusammen mit anderen natürlichen Personen, die nach seiner Sachdarstellung schon bisher zu seiner Klientel gehörten, an Kapitalgesellschaften beteiligt, deren Zweck auf den Betrieb von Autowaschstraßen gerichtet war. Zu Recht hat die Vorentscheidung insoweit hervorgehoben, daß dieser Unternehmensgegenstand der Kapitalgesellschaft der freiberuflichen Tätigkeit eines Steuerberaters wesensfremd ist und daher keine Qualifikation der Betätigung als notwendiges Betriebsvermögen der freiberuflichen Praxis rechtfertigen kann. Die einschlägigen Einwendungen der Revision greifen nicht durch.
aa) Unerheblich ist, in welchem Ausmaße Angehörige eines freien Berufs heute tatsächlich Geldgeschäfte der fraglichen Art tätigen. Auch wenn dies in größerem Umfange als in früheren Zeiten geschehen sollte, vermag dies nichts daran zu ändern, daß dem Begriff der freiberuflichen Tätigkeit nach wie vor ein bestimmtes Berufsbild zugrunde liegt, das die in Frage stehenden Geldgeschäfte ebensowenig umfaßt, wie z. B. die ebenfalls erst in neuerer Zeit verbreitete Vermittlung von Vermögensanlagen durch Freiberufler (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 92/83, BFHE 139, 380, BStBl II 1984, 129).
bb) Offenbleiben kann, ob, wie der Kläger meint, die Beteiligung eines Steuerberaters an einer Kapitalgesellschaft seine finanzielle Unabhängigkeit gegenüber seiner Klientel stärkt. Sollte dies zutreffen, so doch nur deshalb, weil solchen Beteiligungen wirtschaftliches Eigengewicht beizumessen ist; gerade dieser Gesichtspunkt spricht aber gegen die Wertung solcher Beteiligungen als notwendiges Betriebsvermögen einer freiberuflichen Praxis.
cc) Schließlich kann der Senat der Revision nicht darin folgen, daß eine Beteiligung eines Steuerberaters an einer GmbH, deren weitere Gesellschafter Mandanten des Steuerberaters sind, in gleicher Weise notwendiges Betriebsvermögen der freiberuflichen Praxis sein müßte, wie ein zur Rettung einer Honorarforderung gewährtes Darlehen, weil die Beteiligung der Erhaltung der Klientel diene, so wie das Darlehen der Erhaltung der Honorarforderung. Die Revision verkennt, daß der gesellschaftsrechtliche Zusammenschluß zum Betrieb eines bestimmten (der freiberuflichen Betätigung wesensfremden) Gewerbes in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft anderes wirtschaftliches Eigengewicht hat als eine bloße Darlehensgewährung an den Schuldner einer Honorarforderung, und daß die im Streitfall als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Beteiligungen an den Kapitalgesellschaften stehen. Darüber hinaus ist zwischen Maßnahmen zur Gewinnung neuer Mandanten (vgl. BFHE 133, 168, BStBl II 1981, 564) und zur Erhaltung der bisherigen Mandanten kein so wesentlicher Unterschied, daß eine unterschiedliche einkommensteuerrechtliche Beurteilung von Geldgeschäften mit der Zielrichtung der Gewinnung neuer Mandanten oder der Erhaltung der bisherigen Klientel zu rechtfertigen wäre.
2. Gleichwohl ist die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Nach der neueren Rechtsprechung des BFH sind Schuldzinsen für einen Kredit zur Anschaffung einer dem Privatvermögen zuzurechnenden Kapitalanlage als Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abzugsfähig, wenn bei der Anschaffung oder dem Halten der Beteiligung nicht die Absicht zur Realisierung von kurzfristigen Wertsteigerungen der Kapitalanlage, z. B. durch Veräußerung einer Beteiligung, sondern die Absicht der Erzielung von Überschüssen im Vordergrund stand (z. B. Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, BStBl II 1982, 37; vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463). Dabei schließt auch der Umstand, daß eine Beteiligung tatsächlich ständig ertragslos gewesen ist, eine Tatbestandsverwirklichung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht notwendig aus, es sei denn, es sind konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß von vornherein aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer Gesellschafter auch langfristig mit einem Überschuß aus der Beteiligung nicht zu rechnen war (BFH-Urteil vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 139, 257, BStBl II 1984, 29) oder daß rein persönliche Gesichtspunkte, wie freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen u. a. , für die Beteiligung bestimmend waren.
Das angefochtene Urteil enthält keine tatsächlichen Feststellungen zur Frage, ob für den Kläger bei der Anschaffung und dem Halten der GmbH-Beteiligungen - abgesehen von der geltend gemachten Motivation des Erwerbs durch die freiberufliche Betätigung - Überschußabsicht oder Substanzverwertungsabsicht im Vordergrund stand, oder ob etwa persönliche Gründe, wie freundschaftliche Beziehungen u. ä. zu anderen Gesellschaftern bestimmend waren. Der Senat kann daher nicht abschließend prüfen und entscheiden, ob wenigstens die vom Kläger als Betriebsausgaben geltend gemachten Schuldzinsen unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen abzugsfähig sind.