Normen
§ 19 EStG
Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1959
Tatbestand:
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war früher Vorstandsmitglied der ... AG. In einem auf den 15. August 1966 datierten Vertrag zwischen dem Kläger und der AG wurde vereinbart, daß dem Kläger nach Vollendung des 60. Lebensjahres, unter bestimmten Voraussetzungen früher, ein Pensionsanspruch gegen die AG in Höhe von 42 000 DM jährlich zustehen solle. Es wurde zudem festgelegt, daß der Kläger mit der Pensionierung aus Altersgründen die Verpflichtung übernehme, Karenz zu halten und daß im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses aus anderem Anlaß die AG berechtigt sein solle, ihm eine Karenz bis zu fünf Jahren gegen eine besondere Entschädigung aufzuerlegen. In einer Vereinbarung vom 9. Mai 1967 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich gelöst. Die Vereinbarung enthält unter Nr. 3 zur Karenzfrage folgende Bestimmung:
"Für die Dauer von 2 Jahren ab dem Zeitpunkt der Beendigung Ihres Dienstverhältnisses, das ist vom 1. Januar 1968 bis 31. Dezember 1969, werden Sie eine Karenzverpflichtung in der Weise eingehen, daß Sie während dieser Zeit
a) Ihre den Geschäftsbetrieb der Firma betreffenden Kenntnisse und Erfahrungen in keiner Weise zu verwerten und insbesondere über die Fabrikationsmethoden der Firma und die den Fabrikationsmethoden zugrunde liegenden Prinzipien strenges Stillschweigen bewahren;
b) auch alle sonstigen Handlungen, die den geschäftlichen Interessen der Firma zuwiderlaufen oder Nachteile bringen können, zu unterlassen;
c) ohne vorherige Genehmigung der Firma keine Stellung in der Konkurrenz anzunehmen, eine Konkurrenzfirma auch nicht selbst zu gründen, noch sich daran irgendwie direkt oder indirekt zu beteiligen, noch einer solcher Firma mit Rat und Tat behilflich zu sein.
Das Wettbewerbsverbot erstreckt sich auf Ihren bisherigen Tätigkeitsbereich und gilt für alle Länder.
Während der Sperrzeit werden Sie in monatlichen Raten postnumerando fällige Zahlungen in Höhe Ihres derzeitigen Festgehaltes von
DM 120 000,- p. a.
erhalten.
Sollte während der Karenzzeit der in Abschnitt V Ziff. 2 a genannte Pensionsfall eintreten, so wird die Zahlung der Pension durch die Karenzvergütung ersetzt."
Im November 1967 verlegte der Kläger seinen Wohnsitz in die Schweiz. In den Jahren 1968 und 1969 erhielt er Karenzentschädigungen von jeweils 120 000 DM. Einen Lohnsteuerabzug hat die AG nicht vorgenommen. Mit dem auf § 46 LStDV gestützten Bescheid vom 26. Februar 1970 nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Kläger wegen der nach seiner Meinung auf die Karenzentschädigung entfallenden Lohnsteuer in Anspruch.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG führte aus, die Karenzentschädigung gehöre zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, die dem Kläger aus seinem früheren Dienstverhältnis zugeflossen seien. Deshalb sei entscheidend auf den Ort der früheren Tätigkeit abzustellen. Im übrigen sei auch die Karenzverpflichtung noch im Inland begründet und erfüllt worden. Der Kläger sei erst nach dem Abschluß der Karenzvereinbarung in die Schweiz gezogen. Sein späteres untätiges Verhalten beruhe auf einem Willensentschluß, den er, wenn man seine Vertragstreue unterstelle, gleichzeitig mit der Übernahme der Karenzverpflichtung gefaßt haben müsse. Damit sei der die Begründung des Entschädigungsanspruches ebenso wie der die Erfüllung der Unterlassungspflicht enthaltende Zustand geschaffen worden (vgl. Urteil des RG vom 6. Mai 1902 III 19/02, RGZ 51, 311). Der Ausübungsort im Sinne des Art. 4 des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern i. d. F. des Zusatzprotokolls vom 20. März 1959 - DBA-Schweiz 1959 - (BGBl II 1253, BStBl I 1959, 1006) liege mithin in der Bundesrepublik Deutschland.
Mit der Revision beantragt der Kläger, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Lohnsteuerbescheid dahin abzuändern, daß die Karenzentschädigung für 1968 und für 1969 von der Besteuerung ausgenommen wird. Gerügt wird, daß das FG durch eine unzutreffende Würdigung des vorgetragenen Sachverhalts sowie durch unrichtige Auslegung des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG sowie des Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz 1959 zu einer rechtswidrigen Entscheidung gekommen sei. Insbesondere wird darauf hingewiesen, daß die Vergütung für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots eine Entschädigung für die Nichtausübung einer Tätigkeit sei, die nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehöre. Die Zahlungen bezögen sich eindeutig auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbots in den Kalenderjahren 1968 und 1969. Da sich der Kläger in diesem Zeitraum nicht im Inland aufgehalten habe, könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß der Ausübungsort im Sinne des Art. 4 DBA-Schweiz 1959 in der Bundesrepublik Deutschland liege.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Ohne Rechtsverstoß ist das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß die vom Kläger für die Erfüllung seiner Karenzpflicht vereinnahmten Beträge den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG zuzuordnen sind. Es handelt sich allerdings nicht um Bezüge für eine bereits 1967 oder früher vom Kläger erbrachte Leistung, sondern für ein erst nach Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses an den Tag gelegtes bestimmtes Verhalten des Klägers. Dies steht jedoch einer Zuordnung der Bezüge zu den Einkünften aus Arbeit nicht entgegen. Denn zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne § 19 EStG gehören außer Löhnen und Gehältern auch andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt werden. Die Einhaltung des Wettbewerbsverbots gehört zu den Verpflichtungen des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis mit der AG. Die hierfür gezahlten Vergütungen sind "andere Bezüge" im Sinne § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Grundsätzlich unterliegen die an den Kläger für die Einhaltung des Wettbewerbsverbots gezahlten Vergütungen der deutschen Besteuerung im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht, denn die "Arbeit" (das Unterlassen eines Wettbewerbs) wurde, wie auch der Kläger zutreffend vorträgt, von seiner Arbeitgeberin im Inland verwertet (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Das sich mithin aus §§ 19, 49 EStG ergebende deutsche Besteuerungsrecht wird durch Art. 4 DBA-Schweiz 1959 weder eingeschränkt noch ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift werden Einkünfte aus Arbeit ... nur in dem Staate besteuert, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wird, aus der die Einkünfte herrühren. Die an den Kläger von der AG gezahlten Vergütungen sind Einkünfte aus Arbeit im Sinne der genannten Abkommensvorschrift. Mangels einer sich aus Wortlaut oder Sinn des Abkommens ergebenden anderen Begriffsbestimmung sind die Einkünfte nach dem Recht des jeweiligen Vertragsstaates zu qualifizieren, so daß die sich aus dem deutschen Recht ergebende Zuordnung der Bezüge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auf das Doppelbesteuerungs-Recht durchschlägt.
Die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte im Sinne Art. 4 DBA-Schweiz 1959 herrühren, wurde auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt. Zwar wurden die Entschädigungen unmittelbar für die Einhaltung der Karenzverpflichtung an den Kläger entrichtet und sind mithin im engeren Sinne nicht als Gegenleistung für bereits vor den Streitjahren geleistete Arbeit anzusehen. Art. 4 DBA-Schweiz stellt indes nicht auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung ab, sondern läßt, wie sich aus der Verwendung des Wortes "herrühren" ergibt, einen bloßen (mit-) ursächlichen Zusammenhang der Einkünfte mit der Arbeitsleistung für die Aufrechterhaltung des Besteuerungsrechts genügen. Der Senat hat aus diesem Grunde bereits im Urteil vom 18. Juli 1973 I R 52/69 (BFHE 110, 43, BStBl II 1973, 757) unter Bezugnahme auf das Urteil des RFH vom 13. Februar 1929 VI A 1614/28 (RStBl 1929, 199) ein deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Entschädigungen für ein nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingehaltenes Wettbewerbsverbot bejaht, weil die dem Wettbewerbsverbot vorausgegangene Tätigkeit im Inland ausgeübt worden war. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten.
Die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Falles steht nicht im Widerspruch zum Urteil vom 9. September 1970 I R 19/69 (BFHE 100, 194, BStBl II 1970, 867). Der Senat hat dort den Ort der Erfüllung der Unterlassensverpflichtung als für die Besteuerung maßgebend erachtet. Die Unterlassensverpflichtung jenes Falles hatte aber einen eigenständigen Charakter und war - im Gegensatz zur rechtlichen Gestaltung des vorliegenden Falles - inhaltlich nicht so stark mit der zuvor verrichteten aktiven Tätigkeit der Steuerpflichtigen, einer Filmschauspielerin, verknüpft. Das Unterlassen und das Sichbereithalten waren in jenem Fall die Hauptpflichten des Vertrags zwischen Schauspielerin und Filmgesellschaft, während sich im vorliegenden Fall das Wettbewerbsverbot gegenüber der zurückliegenden aktiven Arbeitsleistung des Klägers als eine nachträglich vereinbarte Nebenpflicht darstellt.
Angesichts der Anknüpfung an die vom Kläger verrichtete aktive Inlandstätigkeit kann auf sich beruhen, wo der Kläger seine Verpflichtung zur Karenz erfüllt hat.