BFH

BFHI R 50/7522.6.1977

Amtlicher Leitsatz:

1. Betriebsvorrichtungen rechnen nicht zum Grundbesitz im Sinn der Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG.

2. Ein Grundstücksverwaltungsunternehmen kann die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags auch dann in Anspruch nehmen, wenn zu den vermieteten Objekten Grundstücksteile gehören, die nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter Betriebsvorrichtungen sind.

Normen

§ 9 Nr. 1 S. 2 GewStG
§ 20 BewG
§ 68 BewG

 

Tatbestand:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, hatte sich früher als Handelsunternehmen betätigt. Seit 1967 beschränkte sie sich auf die Verwaltung und Nutzung ihrer Grundstücke. Diese Grundstücke grenzen aneinander und sind mit einem Geschäftshaus, mehreren Wohnhäusern und einem Parkhaus bebaut. Alle Gewerberäume, Wohnungen und Einstellplätze waren in den Streitjahren 1970 und 1971 an Dritte vermietet. Zu den vermieteten Gewerberäumen gehörte auch ein eingebautes Schwimmbad (Bewegungsschwimmbad), welches die Mieterin im Rahmen ihres Gewerbebetriebs - Schlankheits- und Schönheitsinstitut - nutzte. Das Schwimmbad konnte gegen Entgelt, welches an das Institut zu entrichten war, auch von den Mietern der Wohnhäuser benutzt werden.

Bei den Gewerbesteuerveranlagungen 1970 und 1971 versagte der Beklagte und Revisionskläger (FA) die beantragte erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, weil die Klägerin nicht ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalte und nutze. Das vermietete Schwimmbad gehöre nicht zum Grundbesitz i. S. dieser Vorschrift, da es eine Betriebsvorrichtung sei (§ 68 BewG). Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das FG gab der Klage statt (EFG 1975, 436), da die Klägerin ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalte und nutze. Aus dem Zweck der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ergebe sich, daß der Begriff "Grundbesitz" in einem weiteren Sinne als nach § 68 BewG zu verstehen sei. Die mit der Vorschrift angestrebte Gleichstellung der Klägerin, die als GmbH & Co. KG wie eine Kapitalgesellschaft behandelt werde, mit einer "reinen" Personengesellschaft werde nur erreicht, wenn die Frage, ob die genutzten Gegenstände Grundbesitz darstellten, ausschließlich aus der Sicht der Klägerin ohne Rücksicht auf die Art der Verwendung durch die Mieterin beurteilt werde. Aus dieser Sicht aber sei das Bewegungsschwimmbad, obwohl Betriebsvorrichtung im Rahmen des Gewerbebetriebs der Mieterin, Teil des vermieteten Gebäudes, zumindest dessen wesentlicher Bestandteil. Als einfache Personengesellschaft wäre die Klägerin mit ihrer Vermietungstätigkeit nicht gewerbesteuerpflichtig.

Das FA beantragt mit der Revision Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage. Es rügt Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff "Grundbesitz" in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu Unrecht in einem weiteren Sinne angewandt als in der vorhergehenden Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG und in § 20 BewG. Maßgebend sei der Begriff in seinem bewertungsrechtlichen Sinn.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

1. Der Ansicht des FG, der Begriff "Grundbesitz" in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG sei nicht in dem engeren bewertungsrechtlichen Sinn, sondern unter Einschluß von Betriebsvorrichtungen zu verstehen, kann nicht gefolgt werden. Der Begriff "Grundbesitz" ist in dieser Kürzungsvorschrift in keinem anderen Sinne zu verstehen als in der vorausgehenden Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG. Er deckt sich auch mit der Verwendung dieses Begriffes in § 8 Nr. 7 und § 9 Nr. 4 GewStG. Die Auffassung des FG würde dazu führen, daß bei der Klägerin die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen (§§ 7, 8 GewStG) auch um den Teil des Gewerbeertrags zu kürzen wäre, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes einschließlich vermieteter Betriebsvorrichtungen entfällt. Insoweit ergäbe sich eine vom Gesetz nicht gewollte Besteuerungslücke, da der Ertrag aus der Vermietung einer Betriebsvorrichtung dann beim Pächter nur zur Hälfte der Gewerbesteuer unterläge, beim Verpächter aber in vollem Umfang von der Bemessungsgrundlage abgezogen würde. Dieses Ergebnis stünde insbesondere nicht in Einklang mit der Vorschrift des § 9 Nr. 4 GewStG, nach welcher eine solche Kürzung bei Miet- und Pachtzinsen für die Überlassung von nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur insoweit stattfindet, als diese Miet- oder Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG dem Gewinn aus Gewerbebetrieb des Mieters oder Pächters hinzugerechnet worden sind. Nach dieser Vorschrift aber wird dem Gewinn aus Gewerbebetrieb des Mieters oder Pächters grundsätzlich nur die Hälfte der Miet- und Pachtzinsen für die Benutzung der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen, hinzugerechnet. Der Zusammenhang dieser Vorschriften (vgl. auch § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG) zeigt, daß der Begriff "Grundbesitz" einheitlich auszulegen ist, wobei die bewertungsrechtlichen Unterscheidungen zugrunde zu legen sind (vgl. Urteile des BFH vom 29. August 1973 I R 146/71, BFHE 110, 427, BStBl II 1974, 37; vom 12. Juni 1974 I R 229/72, BFHE 112, 502, BStBl II 1974, 584; vom 26. Mai 1976 I R 74/73, BFHE 119, 485, BStBl II 1976, 721). Daraus folgt, daß Betriebsvorrichtungen nicht zum Grundbesitz i. S. der Kürzungsvorschrift rechnen (vgl. §§ 20, 68 BewG). Zutreffend ist das FG selbst davon ausgegangen, daß das vermietete Bewegungsschwimmbad eine Betriebsvorrichtung i. S. dieser Vorschriften darstellt.

2. Gleichwohl ist der Vorentscheidung im Ergebnis zuzustimmen. Die Ausschließlichkeit der Tätigkeit der Klägerin als Grundstücksverwaltungsunternehmen wird jedenfalls nicht dadurch in Frage gestellt, daß im Zusammenhang mit der Vermietung von Grundbesitz zu gewerblichen Zwecken Grundstücksteile mitvermietet werden, die nur wegen der Eigenart ihrer Nutzung durch den Mieter die Rechtsnatur von Betriebsvorrichtungen besitzen, sofern nicht diese Vermietung nach den Umständen des Einzelfalls gewerblichen Charakter aufweist. Letzteres ist im Streitfall zu verneinen.

a) Für die Auslegung der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist von dem Zweck der Vorschrift auszugehen, der darin zu sehen ist, Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft entsprechenden - gewerbesteuerfreien - Personenunternehmen gleichzustellen (vgl. zur Entstehungsgeschichte BFH-Urteile vom 7. April 1967 VI 294/65, BFHE 89, 130, BStBl III 1967, 559; vom 28. Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688). Personenunternehmen, die nur die in der Kürzungsvorschrift genannte Haupttätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes betreiben, sind grundsätzlich nicht gewerbesteuerpflichtig, weil es sich um keine gewerbliche Tätigkeit handelt. Es liegt insoweit eine reine Vermögensverwaltung gem. § 9 GewStDV vor. Die Rechtsprechung hat andererseits die Anwendung der Begünstigungsvorschrift auf solche Unternehmen abgelehnt, bei denen die Grundstücksverwaltung über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht und gewerblichen Charakter annimmt, wie in den Fällen der aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Besitzgesellschaft (vgl. BFH-Urteile vom 29. März 1973 I R 174/72, BFHE 109, 456, BStBl II 1973, 686; IV R 97/72). Gleiches gilt, wenn ein Grundstücksverwaltungsunternehmen in einem Umfange Grundstücke erwirbt und veräußert, der diesem Tätigkeitsbereich gewerblichen Charakter verleiht (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1974 I R 23/73, BFHE 113, 463, BStBl II 1975, 44). Der erkennende Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, daß ein Unternehmen, das außer der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes eine Tätigkeit ausübt. die ihrer Art nach gewerblicher Natur ist und die nicht zu den in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG genannten Nebentätigkeiten gehört, die für Wohnungsunternehmen geltende erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nicht in Anspruch nehmen kann. Denn der Sinn der Vorschrift liegt darin, solche Unternehmen zu begünstigen, die nach der Art ihrer Tätigkeit nicht gewerbesteuerpflichtig wären und die es nur aufgrund ihrer Rechtsform sind. Deshalb hat die Rechtsprechung die Kürzungsvorschrift in solchen Fällen angewendet, in denen es sich nur um eine gelegentliche Veräußerung von Grundstücken handelte, weil solche geringen Vermögensbewegungen noch zum Bereich der Grundstücksverwaltung gehören (vgl. BFH-Urteile vom 24. September 1970 I R 21/70, BFHE 100, 210, BStBl II 1970, 871; vom 24. Februar 1971 I R 174/69, BFHE 101, 396, BStBl II 1971, 338).

b) Die Klägerin, deren einzige Komplementärin eine GmbH ist, ist nur wegen ihrer Rechtsform als GmbH & Co. KG gewerbesteuerpflichtig (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799). Nach der Art ihrer Tätigkeit wäre sie nicht gewerbesteuerpflichtig. Wäre die Klägerin eine einfache Personengesellschaft, so würde der Umstand allein, daß sie im Zusammenhang mit der Vermietung von Grundbesitz zu teilweise gewerblichen Zwecken Einbauten mitvermietet, die nur deshalb Betriebsvorrichtungen sind, weil sie einem Gewerbebetrieb des Mieters dienen, einen gewerblichen Charakter der Vermietungstätigkeit und damit die Gewerbesteuerpflicht nicht begründen. Es entspricht deshalb dem in der angeführten Rechtsprechung zugrunde gelegten Sinn und Zweck der erweiterten Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG, auch in einem solchen Falle eine ausschließliche Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes anzunehmen. Die Vermietung einzelner Betriebsvorrichtungen stellt unter diesen Umständen eine unschädliche Nebentätigkeit dar. Die Sache liegt anders als im Falle der Vermietung oder Verpachtung etwa von Fabrikgrundstücken mit erheblichen Beständen an Betriebsvorrichtungen (vgl. Urteil des RFH vom 16. Mai 1939 I 160/39, RStBl 1939, 790).

3. Die Vorentscheidung ist indes aufzuheben, da ihr zu entnehmen ist, daß das FG zu Unrecht die erweiterte Kürzung offenbar auch für den Gewerbeertrag gewährt hat, welcher auf die Vermietung der Betriebsvorrichtung entfiel. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, nimmt dieser Teil des Gewerbeertrags, da nicht auf die Verwaltung und Nutzung von Grundbesitz im engeren Sinne entfallend, an der erweiterten Kürzung nicht teil. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen, damit geprüft werde, ob sich hieraus eine Änderung der vom FG vorgenommenen Gewerbesteuerfestsetzung ergibt.

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