Normen
§ 7 EStG 1953/55
Abschn. 35 EStR 1953
Abschn. 43 EStR 1955
Tatbestand
Die Bf. errichteten im Streitjahr 1954 zwei Gewächshäuser, für die sie die sogenannte degressive Abschreibung in Anspruch nahmen. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung wurde für diese Gewächshäuser nur eine lineare Absetzung für Abnutzung (AfA) nach dem Satz von 5 v.H. zugelassen. Das Finanzamt ging dabei davon aus, daß die Gewächshäuser als Gebäude anzusehen seien, für die eine degressive Abschreibung nicht vorgesehen sei.
Die Bf. sind demgegenüber der Auffassung, daß die Gewächshäuser Betriebsvorrichtungen darstellten und deshalb als bewegliche Wirtschaftsgüter behandelt werden müßten. Für die Charakterisierung der Bauten sei entscheidend, daß mit Hilfe dieser Kulturhäuser ein Treibhausklima erzeugt werde, das Voraussetzung für die von den Bf. betriebene Pflanzenzucht sei.
Die Sprungberufung blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht ließ sich im wesentlichen von folgenden Erwägungen leiten. Die sogenannte degressive Abschreibung könne nur dann vorgenommen werden, wenn es sich um Betriebsvorrichtungen und damit um Wirtschaftsgüter des beweglichen Anlagevermögens handle. Liege ein Gebäude vor, so komme eine Betriebsvorrichtung nicht in Betracht. Ein Gebäude sei ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung Personen und Sachen Schutz gegen äußere Einflüsse gewähre, darüber hinaus nicht nur den Eintritt von Menschen gestatte, sondern Menschen als Arbeitsraum diene und von einiger Beständigkeit sei. Wenn auch das Gewächshaus als eine Art "Klimakammer" dazu diene, die Aufzucht der Pflanzen zu ermöglichen, deren Wachstum nur bei einer bestimmten Temperatur und einer bestimmten Luftfeuchtigkeit möglich sei, so könne die Zucht klimaabhängiger Pflanzen auch unter dem Schutz von Glasflächen vor sich gehen, die nicht Gewächshäuser darstellten. Ließe sich sowohl das Vorhandensein eines Gebäudes wie auch einer Betriebsvorrichtung rechtfertigen, so könne der Bau nicht als Betriebsvorrichtung angesehen werden. Vor allem sei zu berücksichtigen, daß die Häuser den fortwährenden Aufenthalt von Menschen im Sinne einer Arbeitshalle ermöglichten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Die Vorinstanz geht unter Hinweis auf die EStR 1953 und 1955 zutreffend davon aus, daß die sogenannte degressive Abschreibung in aller Regel nur bei beweglichen Anlagegütern des Betriebsvermögens sowie bei Betriebsvorrichtungen, nicht aber bei Gebäuden zulässig ist. (Vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 231/53 U vom 24. November 1955, BStBl 1956 III S. 38, Slg. Bd. 62 S. 97, sowie Abschn. 35 EStR 1953 und Abschn. 43 EStR 1955.) Ob die Bf. auf die Gewächshäuser degressiv oder nur linear abschreiben dürfen, hängt also entscheidend davon ab, ob es sich um Betriebsvorrichtungen handelt. Schwierigkeiten bereitet die Unterscheidung bei der Abgrenzung gebäudeähnlicher Betriebsvorrichtungen von den eigentlichen Gebäuden. Als Betriebsvorrichtung kann ein Bauwerk schon dann angesehen werden, wenn es zwar einen bestimmten Raum umschließt, die in diesem Raum befindliche betriebliche Vorrichtung aber ohne diesen umschlossenen Raum nach den heutigen technischen Erfordernissen ihren Zweck nicht erfüllen kann. Wenn technische Apparatur und Bauwerk derart eine Einheit bilden, daß erstere ohne das Bauwerk nicht oder nicht voll funktionsfähig ist, so liegt es nahe, eine Betriebsvorrichtung anzunehmen.
Im Gegensatz zum Finanzgericht hält es der Senat für vertretbar, ein Gewächshaus in der Regel als eine Betriebsvorrichtung anzusehen. Der Ausgangspunkt des Finanzgerichts, die Zucht klimaabhängiger Pflanzen könne auch unter dem Schutz von Glasflächen in Frühbeeten vor sich gehen und setze nicht die Einrichtung von Gewächshäusern voraus, ist nicht überzeugend und rechtfertigt nicht die Schlußfolgerungen des Finanzgerichts. Denn ob die Pflanzen in höher gebauten Gewächshäusern oder in Frühbeeten gezogen werden müssen, hängt weitgehend von der Pflanzensorte ab. Im allgemeinen können nur Pflanzen unseres Klimagebiets, besonders solche von niedrigem Wuchs, in Frühbeeten erzeugt werden, die indessen für die Erzeugung klimaabhängiger Pflanzen anderer Art in der Regel nicht geeignet sind.
Auch der Vergleich eines Gewächshauses mit einer Fabrikhalle, die dem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen zu dienen geeignet ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn ein Gewächshaus ist anders als eine Fabrikhalle, die den eigentlichen, von der räumlichen Umschließung unabhängigen Produktionsvorgang durch Schutz vor Witterungseinflüssen fördert, in der Regel eine der wichtigsten Voraussetzungen und Mittel des Produktionsvorganges selbst, der außerhalb eines solchen Gewächshauses nicht möglich ist. Diese enge Verbindung und Zugehörigkeit des Gewächshauses zum Erzeugungsvorgang rechtfertigt es, dem möglichen und vorübergehenden Aufenthalt von Menschen in Gewächshäusern keine entscheidende Bedeutung beizumessen, zumal diese Funktion anders als bei Fabrikhallen an Bedeutung für den Produktionsvorgang in den Hintergrund tritt. Der Senat folgt damit der zu der gleichen Frage ergangenen Entscheidung II 11/60 U vom 9. Dezember 1964 (BStBl 1965 III S. 116, Slg. Bd. 81 S. 320), die Gewächshäuser ähnlicher Art für Zwecke der Grunderwerbsteuer als Betriebsvorrichtungen, nicht aber als Gebäude behandelt.
Da die Vorentscheidung mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang steht, muß sie aufgehoben werden. Die Sache geht an das Finanzgericht zurück. Es wird darüber zu entscheiden haben, ob die übrigen von der Rechtsprechung für die Anerkennung der degressiven AfA geforderten Voraussetzungen, besonders die durch schnelles Veraltern des Anlagegutes geschaffene betriebswirtschaftliche Notwendigkeit, vorliegen (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs IV 231/53 U sowie EStR 1953 und 1955 a.a.O.). Die in § 7 Abs. 2 EStG 1958 für die degressive AfA getroffene gesetzliche Regelung gilt erstmals für nach dem 31. Dezember 1957 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter, also nicht für die von den Bf. in den Jahren 1954 und 1955 angeschafften Gewächshäuser.