BFG RV/5100547/2022

BFGRV/5100547/202228.5.2024

Krankenversicherung als Werbungskosten bei einem Grenzgänger

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2024:RV.5100547.2022

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Susanne Haim in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom 27. Juni 2022 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2021 wurde die Einkommensteuer mit € 19.861 festgesetzt.

Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit wurden mit 88.219,73 € angesetzt.

Als sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag wurden 17.174,66 € in Abzug gebracht.

Aus der Bescheidbegründung ergibt sich, dass die als Werbungskosten beantragten Sozialversicherungsbeiträge aliquot auf die laufenden und sonstigen Bezüge aufgeteilt wurden.

Aus der Bescheidbegründung ergibt sich weiters, dass der das Jahressechstel übersteigende Betrag der Bezüge, die nicht monatlich gewährt werden, mit dem Lohnsteuertarif besteuert werden.

Lt. Bescheid wurde für 10.985,65 € eine begünstigte Besteuerung vorgenommen.

Aus dem Bescheid ergibt sich weiter ein Lohnzettel der AG AG folgenden Inhalts:

Bruttobezüge (350)

101.861,08

Bezüge, die neben Arbeitslohn nicht monatlich gewährt werden (351)

20.013,00

Einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge

 

Für laufend ausgezahlten Arbeitslohn

15.934,22

Für Zuwendungen gem. KZ 351

3.896,14

Vom Beschwerdeführer wurde eine Lohnbescheinigung für 2021 vorgelegt. In dieser scheinen folgende Kennzahlen/Beträge auf:

Bruttobezüge (KZ 350)

96.378,84

Bezüge neben Arbeitslohn nicht laufend (KZ 351)

20.013

Einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge

 

Für laufenden Lohn (357)

19.830,36

Für Bezüge gem. KZ 351

0

Arbeitnehmerbeiträge zur Pensionsk.

1697,06

Tariflicher Demografiebeitrag

340

AG-Zuschuss zur freiw. KV

5442,24

Corona-Bonus

500

Mit der verfahrensgegenständlichen Beschwerde vom 14.7.2022 wurde ausgeführt: "Im Steuerbescheid 2021 wurden falsche Bruttobezüge angenommen. Vermutlich wurde aus der Lohnbescheinigung Punkt 7.8.1 - AG Zuschuss zur frw. KV/PV zu den Bruttobezügen hinzuaddiert. Bei den AG Zuschuss handelt es sich jedoch um die gesetzliche Krankenkasse. In Deutschland kann ab einem Bruttoverdienst von € 64.350.- in eine private Krankenversicherung gewechselt werden. In meinem Fall handelt es sich um den Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Krankenkasse. Der Wert des Bruttobezuges ist deshalb entsprechend zu verringern - Siehe Lohnbescheinigung 2021"

In der Beschwerdevorentscheidung vom 2. August 2022 wird die Beschwerde abgewiesen und sodann ausgeführt: "Beiträge auf Grund einer ausländischen Versicherungspflicht sind nur insoweit abzugsfähig, als sie der Höhe nach insgesamt Pflichtbeiträgen in der gesetzlichen Sozialversicherung entsprechen (vgl. UFS 12.05.2011, RV/0004-F/11).

Arbeitnehmer, die eine private dt. Krankenversicherung (bzw. freiwillig die gesetzliche Krankenversicherung) abschließen, haben die gesamten vorgeschriebenen Beiträge selbst zu tragen. Diesfalls ist der Arbeitgeber gern. § 257 SGB V verpflichtet, einen Zuschuss zur Krankenversicherung zu leisten. Der Arbeitnehmer kann daher im Umfang der österreichischen Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung (7,65 %) bezogen auf die österr. Höchstbeitragsgrundlage als Werbungskosten absetzen. Der vom Arbeitgeber geleistete Zuschuss zur Krankenversicherung stellt einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar, der somit den steuerpflichtigen Einnahmen zuzurechnen ist.

Nach § 250 Abs. 2 dt. SGB V tragen freiwillige Mitglieder in der GKV den Beitrag allein, also gleich wie in einer PKV. Nach § 257 Abs. 1 SGB V hat das freiwillige Mitglied in GKV - gleich wie nach § 257 Abs. 2 SGB V ein in der PKV versicherter Arbeitnehmer - Anspruch auf einen Beitragszuschuss durch den Arbeitgeber in Höhe des Betrages, den der Arbeitgeber bei Versicherungspflicht des Beschäftigten zu tragen hätte."

Dagegen richtet sich der rechtzeitig eingebrachte Vorlageantrag vom 28.8.2022. In diesem wird ausgeführt: "In dieser Vorentscheidung schreiben Sie, dass Beiträge für eine ausländische Versicherungspflicht, im Rahmen der freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, nur bis zu max. 7,65% als Werbungskosten abgesetzt werden können.

Da jedoch in meinem Fall, die Beitragssätze bei der ausländischen Versicherungsanstalt von den österreichischen Sätzen abweichen, ohne das daraus ein Versicherungstechnisch nennenswerter Vorteil entstehen würde, bzw. für Grenzgänger keine günstigeren Alternativen zur Verfügung stehen, sehe ich hier einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung von Grenzgänger.

Siehe dazu: Für die Grenzgänger, die in der Europäischen Union wohnen und arbeiten, gilt wie für alle Wanderarbeitnehmer der Grundsatz der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung, der auf alle innerhalb der Union zu- und abwandernden Arbeitnehmer Anwendung findet. So schreibt insbesondere die Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft in Artikel 7 die Gleichbehandlung hinsichtlich sämtlicher Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls der Arbeitnehmer arbeitslos geworden ist, berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, vor. In arbeitsrechtlicher Hinsicht unterliegt der Grenzgänger ebenso wie der Wanderarbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Beschäftigungslandes. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der genannten Verordnung genießt er die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

Eine Krankenversicherung ist in Deutschland eine Pflichtversicherung. Deshalb können dort die vollen Beiträge der gesetzlichen und privaten Krankenversicherung (AN + AG Anteile) steuerlich geltend gemacht werden (bei einem Versicherungsniveau wie in der gesetzlichen Krankenkasse). Wie Sie in weiterer Folge sehen werden, habe ich als österreichischer Grenzgängern derzeit keine Möglichkeiten, meine Beitragssätze auf die österreichische Höchstbeitragsgrundlage von 7,65% zu reduzieren! Von den ca. 50 deutschen Anbietern einer privaten Krankenversicherung gibt es lediglich zwei Anbieter welche umgekehrte Grenzgänger (Definition siehe Anhang) versichern würden. Bei den Angeboten entstehen entweder erhebliche Nachteile im Versicherungsschutz oder es wird lediglich ein Premiumtarif anboten, der sich auf dem gleichen preislichen Niveau wie die gesetzliche Krankenkasse ansiedelt. D.h. eine preisliche Reduzierung ohne einer deutlichen Schlechterstellung (siehe Anhang) ist nicht möglich!!!

Es folgt die Wiedergabe eines Mails vom 25.8.2022 von Vers, (Kooperationspartner der ***1***) an den Bf. mit folgendem Inhalt: "Sehr geehrter Herr Bf., am deutschen PKV-Markt gibt rund 50 Anbieter. Von diesen ca 50 Anbietern haben wir aktuell nur 2 Gesellschaften gefunden, welche Lösungen für "umgekehrte" Grenzgänger absichern. Wobei ein Anbieter hiervon das KTG (Krankentagegeld) pauschal ausschließt. (Umgekehrte Grenzgänger: Menschen die in Deutschland arbeiten und im Ausland leben). Der einzige Anbieter der auch Risiken im Ausland (Arztbesuche im Wohnland etc.) mit abdeckt ist die Barmenia in Ihren Premiumtarifen. Im Fall von Herr Bf. (Geb. Jahr) bewegen sich die Preise hier bei gesamt mit PVN und KTG ca. auf dem Preisniveau der GKV. Auf Wunsch können gern konkrete Tarife berechnet werden." Wie erläutert sehe ich in der vorliegenden Beschwerde 27.06.2022 einen Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung von Grenzgängern. Ich ersuche Sie daher diesen Fall dem Bundesfinanzgericht vorzustellen, damit diese den vorliegenden Fall beurteilen."

Der Beschwerdefall wurde dem Bundesfinanzgericht am 6. September 2022 vorgelegt, die Abweisung beantragt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Beschwerdeführer war im Jahr 2021 ganzjährig bei der AG AG in Ort, Deutschland beschäftigt und in Österreich (Adr.) wohnhaft.

In der Lohnbescheinigung finden sich folgende Beträge:

Bruttobezüge (KZ 350)

96.378,84

Bezüge neben Arbeitslohn nicht laufend (KZ 351)

20.013

Einbehaltene Sozialversicherungsbeiträge

 

Für laufenden Lohn (357)

19.830,36

Für Bezüge gem. KZ 351

0

Arbeitnehmerbeiträge zur Pensionsk.

1697,06

Tariflicher Demografiebeitrag

340

AG-Zuschuss zur freiw. KV

5442,24

Corona-Bonus

500

In Deutschland kann ab einem Bruttoverdienstes von € 64.350,-- (für 2021) in eine private Krankenkasse gewechselt werden oder freiwillig die gesetzliche Krankenkasse beibehalten werden.

Der Bruttoverdienst des Bf. liegt über dieser Grenze.

Der Bf. hat die gesetzliche Krankenkasse freiwillig beibehalten.

Es besteht eine gesetzliche Versicherungspflicht.

Die Amtspartei hat die sich aus der Lohnbescheinigung ergebenden Sozialversicherungsbeträge zunächst aliquot auf die laufenden Bezüge und das Jahressechstel aufgeteilt. (Siehe Seite 2)

Das Jahressechstel wurde mit € 13.641,35 ermittelt, der Sechstelüberhang mit € 6371,65. Sohin wurden die Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschalbetrag mit € 17.174,66 ermittelt.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig.

Die dargelegten Steuerberechnungen sind schlüssig und nachvollziehbar.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im folgenden ausdrücklich zugelassen ist. Hinsichtlich der durchlaufenden Posten ist § 4 Abs. 3 anzuwenden. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 auch:

g) Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung. Grenzgänger sind im Inland ansässige Arbeitnehmer, die im Ausland ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben.

Dazu wird ausgeführt:

Grenzgänger sind wie oben unter g) gesetzlich festgelegt im Inland ansässige Arbeitnehmer, die im Ausland ihren Arbeitsort haben und sich in der Regel an jedem Arbeitstag von ihrem Wohnort dorthin begeben.

Der Bf. ist ein Grenzgänger im Sinne dieser Definition.

Beiträge von Grenzgängern zu einer inländischen oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung sind grundsätzlich Werbungskosten.

Grenzgänger, die freiwillig die gesetzliche Krankenversicherung beibehalten, haben die gesamten Beiträge selbst zu tragen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dazu einen Zuschuss zu leisten.

Dieser Zuschuss stellt einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis dar, der den steuerlichen Einnahmen zuzurechnen ist. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde sind demnach unzutreffend.

Wenn der Bf. im Vorlageantrag ausführt, es würde ein Verstoß gegen Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung von Grenzgängern vorliegen, so wird ausgeführt: Richtig ist, dass Privatpersonen das Recht haben, sich im Zusammenhang mit der Aufnahme oder zur Ausübung einer Beschäftigung in andere EU-Mitgliedstaaten zu begeben, ohne in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen diskriminiert zu werden. Dies bedeutet jedoch nicht, dass nicht jeder Mitgliedsstaat unterschiedliche Regelungen zum Einkommensteuerrecht oder zur Sozialversicherung treffen kann. Es gibt auf Gemeinschaftsebene keine Rechtsvorschriften, in denen der Begriff des Grenzgängers unter steuerlichen Gesichtspunkten definiert ist und wie dementsprechend die Besteuerungsrechte zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten aufzuteilen oder die Steuervorschriften anzuwenden wären. Dies erfolgt zwischen den Mitgliedsstaaten in der Regel durch Doppelbesteuerungsabkommen. Die Richterin kann in den Regelungen des österreichischen Steuersystems für Grenzgänger keine Diskriminierung erkennen. Dass in Deutschland keine günstigeren Anbieter für private Krankenversicherungen für (aus deutscher Sicht) umgekehrte Grenzgänger bestehen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

Der Bf. leitet diese Diskriminierung in seinem Vorlageantrag aus den Ausführungen der Amtspartei ab, wonach der Arbeitnehmer die Beiträge im Umfang der österreichischen Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung (7,65 %) bezogen auf die österr. Höchstbeitragsgrundlage als Werbungskosten absetzen kann.

Dieser Begründungsbestandteil ist aber nach telefonischer Rücksprache mit der Amtspartei falsch und wurde auch keine diesbezügliche Aliquotierung im Bescheid vorgenommen. Die Sozialversicherungsbeiträge wurden zur Gänze berücksichtigt und lediglich eine (korrekte) Aufteilung auf die laufenden uns sonstigen Bezüge vorgenommen.

Der Bescheid erweist sich daher als inhaltlich richtig, es war spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine solche Rechtsfrage liegt im gegenständlichen Fall nicht vor.

Linz, am 28. Mai 2024

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 Z 4 lit. g EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

UFS 12.05.2011, RV/0004-F/11

Stichworte