BFG RV/6100398/2022

BFGRV/6100398/202229.3.2023

Umfang der Berücksichtigung österreichischer SV Beiträge für deutsche Einkünfte im Wege des Progressionsvorbehaltes

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100398.2022

 

Beachte:
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0048.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterDr. Ralf Schatzlin der Beschwerdesache***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Eidlwimmer Steuerberatung-GmbH, Neutorstraße 52, 5020 Salzburg,über die Beschwerde vom 17. September 2020gegen den Bescheid desFinanzamtes Österreichvom 24. August 2020betreffendEinkommensteuer 2018Steuernummer ***BF1StNr1***zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der BF erklärte in seinerösterreichischen Einkommensteuererklärung 2018 inländische Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Ausmaß der Aufwendungen für seine österreichische Pflichtversicherung bei der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) in Höhe von 19.142,50 €, Einkünfte aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Weiters erklärte er unter Progressionsvorbehalt steuerbefreite positive deutsche Einkünfte iHv. € 394.064,56 u.a. als selbständiger Radiomoderator.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 2018 berücksichtigte das FA die erklärten inländischen negativen Einkünfte aus selbständiger Arbeit nicht. Die Kosten der Pflichtversicherung bei der SVA wurden vom FA bei den unter Progressionsvorbehalt stehenden steuerbefreiten deutschen Einkünften in Abzug gebracht und diese mit 374.922,06 € angesetzt,da die Beiträge zur SVA mit den deutschen Einkünften des BF als Radiomoderator im Zusammenhang stehen würden.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass die Beiträge zur SVA in Deutschland nicht gewinnmindernd geltend gemacht werden könnten, da diese nicht in Deutschland bezahlt werden würden. Das FA wies die Beschwerde als unbegründet ab, verwies darauf, dass davon ausgegangen werde, dass im dEStG wie im EStG 1988 ausländische Pflichtversicherungsbeiträge absetzbar seien und dies das Unionsrecht auch so vorsehe.

Darauf beantragte der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte an, dass die SV Pflicht des BF bei der SVA in Österreich auf die EU/VO 1408/71 und 883/2004 gestützt werde, dem Versicherungsschutz in Österreich diene und deshalb nach Art 18 des DBA zwischen Österreich/Deutschland in Österreich steuerpflichtig sei. In Deutschland bestehe keine Versicherungspflicht des BF als selbständiger Radiomoderator.

Mit Erkenntnis vom 10.12.2020, RV/6100017/2020, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde keine Folge und begründete dies nach ausführlicher Darstellung des gegenständlichen Sachverhaltes im Wesentlichen damit, dass das Besteuerungsrecht hinsichtlich der in Deutschland erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit gemäß Art. 14 DBA-Deutschland in Deutschland liege und diese in Österreich lediglich zum Progressionsvorbehalt heranzuziehen seien. Die Anwendung des EStG 1988 bei der Berechnung des Progressionsvorbehaltes habe zur Folge, dass die ausländischen Einkünfte nach österreichischem Recht zu ermitteln seien.

Der BF sei aufgrund seiner in Deutschland erwirtschafteten Einkünfte nach den Bestimmungen des gewerblichen Sozialversicherungsgesetzes (§ 2 GSVG) in Österreich pflichtversichert und die von ihm diesbezüglich geleisteten Beiträge stellten Pflichtversicherungsbeiträge nach den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen dar. Die Pflichtversicherung umfasse sämtliche in der EU und der Schweiz ausgeübten selbständigen Tätigkeiten iSd § 2 GSVG. Die streitgegenständlichen Sozialversicherungsbeiträge seien unter Beachtung des Veranlassungszusammenhanges der deutschen Einkunftsquelle zuzuordnen. Dabei seien … die Pflichtversicherungsbeiträge bei der Ermittlung der Auslandseinkünfte als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Denn Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung seien kraft Gesetzes Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 und nach obigen Ausführungen bei jenen Einkünften in Abzug zu bringen, mit denen sie im Zusammenhang stünden. Aufwendungen im Zusammenhang mit Einnahmen, die auf Grund eines DBA von der Besteuerung im Inland ausgenommen seien, seien somit (im Inland) nicht abziehbar. Voraussetzung für die Versagung der Abzugsfähigkeit sei ein objektiver Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und den nicht der Einkommensteuer unterliegenden Einnahmen. Dabei genüge ein klar abgrenzbarer, objektiver Zusammenhang zwischen beiden Größen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob der BF durch seine ausgewiesene Vertreterin fristgerecht außerordentliche Revision. Die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liege darin, ob in Fällen einer österreichischen Pflichtversicherung für eine selbständige Tätigkeit in Deutschland die Pflichtversicherungsbeiträge in Österreich als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG 1988 abziehbar seien. Eine konsistente Erfassung sei geboten, um eine Beschränkung der Freizügigkeit der Unternehmer und Arbeitnehmer und der Dienstleistungsfreiheit zu vermeiden. Insoweit beinhalte die Frage von grundsätzlicher Bedeutung auch eine unionsrechtliche Dimension.

Mit Erkenntnis vom 29.09.2022, Ra 2021/15/0005, hob der VwGH das Erkenntnis des BFG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf und führte dazu im Wesentlichen aus, dass das BFG grundsätzlich zutreffend die Einkünfte der in Deutschland ausgeübten selbstständigen Tätigkeit nach österreichischem Steuerrecht ermittelt und daher die Pflichtbeiträge zur SVA als Betriebsausgaben berücksichtigt habe und sodann diese Einkünfte in Anwendung des DBA Österreich/Deutschland aus dem in Österreich zu versteuernden Einkommen ausgeschieden und nur für Zwecke des Progressionsvorbehaltes berücksichtigt habe. Allerdings habe sich das BFG nicht mit der Frage beschäftigt, ob die gegenständlichen in Österreich bezahlten und mit den deutschen Einkünften in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Beiträge zurSVAin Deutschland nach deutschem Recht auch steuerlich Berücksichtigung finden könnten. Im gegenständlichen Fall verfüge der BF in Deutschland wie in Österreich über einen Wohnsitz. Er sei in Deutschland wie in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig. Die in Rede stehenden, in Österreich entrichteten Pflichtbeiträge zur SVA seien den Einkünften zuzuordnen, für welche nach dem DBA-Österreich/Deutschland unbestrittenermaßen Deutschland das Besteuerungsrecht zukomme. Diese Pflichtbeiträge seien daher aufgrund der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland vorrangig von Deutschland zu berücksichtigen. Das BFG habe zwar festgestellt, dass der BF die im Jahr 2018 bezahlten österreichischen Pflichtversicherungsbeiträge in Deutschland weder in die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung noch in die Einkommensteuererklärung aufgenommen habe. Feststellungen dahingehend, dass die in Rede stehenden Beiträge im Falle ihrer Geltendmachung in Deutschland zum Abzug zuzulassen gewesen wären, habe das BFG in Verkennung der Rechtslage aber nicht getroffen.

Im fortgesetzten Verfahren erläuterte die Vertreterin des BF im Erörterungstermin vom 06.12.2022 die Berechnung der Beiträge zur SVA, die sozialversicherungsrechtliche Situation des BF in Deutschland und führte an, dass die bezahlten SV Beiträge nach ihrer Ansicht in Deutschland als freiwillige Sozialversicherung zu behandeln seien. Sie sagte zu, dass sie nochmals mit dem deutschen Steuerberater Rücksprache halten werde, warum die SV Beiträge nicht in der Steuererklärung angesetzt worden seien. Das FA vertrat weiter die Ansicht, dass die Beiträge in Deutschland bei der Ermittlung des Einkommens zu berücksichtigen seien.

Nach mehreren Fristverlängerungen übermittelte die Vertreterin ein Schreiben des deutschen Steuerberaters aus dem lediglich hervorging, dass die SV Beiträge in der Steuererklärung nicht berücksichtigt worden seien. Das FA gab dazu binnen gesetzter Frist keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der BF hatte im Jahr 2018 seinen Hauptwohnsitz in Österreich und erzielte in Östereich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft i.H.v. 960,90 €, Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 1.073,78 €, sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 128.440,51 €.

Zudem bezahlte der BF im Jahr 2018 Pflichtbeiträge an die SV der gewerblichen Wirtschaft i.H.v. 19.142,50 €, die er als negative Einkünfte aus selbständiger Arbeit in seine Steuererklärung 2018 aufnahm. Dabei handelte es sich um Zahlungen aufgrund einer Vorschreibung der SVA für die Jahre ab 2015, die dem BF nach den VO (EWG) Nr. 1408/71, VO (EG) Nr. 883/2004 aufgrund seiner in Deutschland erzielten Einkünfte aus selbständiger Arbeit vorgeschrieben wurden.Die Höhe ergab sich daraus, dass dem BF die geleisteten SV Beiträge bei der SV der Bauern angerechnet wurden. Durch dieZahlung von Beiträgen an zwei SV Träger wäreninsgesamt Beiträge über derHöchstbeitragsgrundlage vorgeschrieben worden. Dies führte zu einer Kürzung der Vorschreibungen derBeiträgezur SVAum 31,78%.Dadurch entfiel auf die (gekürzten) Beiträge zur Krankenversicherungein Betrag von 5.249,49 €, auf die (gekürzten) Beiträge zur Unfallversicherung ein Betrag von 147,43 €, auf die (gekürzten) Beiträge zur Selbständigen Vorsorge ein Betrag von 1.049,90 € und auf die (gekürzten) Beiträge zur Pensionsversicherung ein Betrag von 12.695,68 €.

In Deutschland hatte der BF im Jahr 2018 einen weiteren Wohnsitz. Er warseit 01.01.2015 in Deutschland als selbständiger Radiomoderator tätig und erzieltedort 2018 u.a. aus dieser Einkunftsquellelt. seiner Einnahmen-Ausgaben-Rechnung einenGewinn von 397.645,00 €.Dabei hatte der BF die im Jahr 2018 an die SVA geleisteten Pflichtversicherungsbeiträge nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt. In der deutschen Einkommensteuererklärung des BFwurden die an die SVA in Österreichgeleisteten Pflichtversicherungsbeiträge nicht als Sonderausgaben nach § 10 dEStG geltend gemacht. Sie finden sich auch nicht als Sonderausgaben im deutschen Einkommensteuerbescheid für 2018.

Die Berücksichtigung von Vorsorgeleistungen in Form von Sozialversicherungsbeiträgen erfolgt in Deutschland im Gegensatz zu Österreich nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den jeweiligen Einkünften. Sie stellen - neben anderen Vorsorgeleistungen - Sonderausgaben nach § 10 dEStG dar. Bei den im § 10 dEStG angeführten Sonderausgaben handelt es sich um eine abschließende Aufzählung.

Selbstständige Radio Moderatoren unterliegen in Deutschland nicht der Sozialversicherungspflicht. Sie haben selbst für die Absicherung der von Sozialversicherungen gedeckten Risiken vorzusorgen. Sie können dazu, wie andere Selbstständige auch, z.B. der gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig beitreten.

Nach den Bestimmungen des § 10 Abs 1 Z.2 lit a) dEStG sind Sonderausgaben Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen oder zur landwirtschaftlichen Alterskasse sowie zu berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen.

Dabei handelt es sich zunächst um Pflichtversicherungen, vor allem für Arbeitnehmer (§ 1 SGB VI) und bestimmte vom Gesetzgeber als besonders schutzbedürftig angesehene Gruppen von Selbstständigen. (§ 2 SGB VI)

Treten Selbständige, die diesen Pflichtversicherungen nicht unterliegen, einer gesetzlichen Rentenversicherung freiwillig bei (§ 7 SGB VI),dann unterliegen auch diese Beitragszahlungen § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a) dEStG. Diese Bestimmung des dEStG sieht keine Beschränkung auf Pflichtbeiträge zu einer gesetzlichen Rentenversicherung vor.Das Begriffspaar "gesetzlich"/"vertraglich" korreliert nicht notwendig mit dem Begriffspaar "Pflichtversicherung"/"freiwillige Versicherung".

Es besteht auch keine Einschränkung der Abzugsfähigkeit auf Beitragszahlungen an eine deutsche gesetzliche Rentenversicherung.Es muss sich lediglich um ein Versicherungsunternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat handeln.

Nach § 10 Abs. 3 dEStG sind Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Z. 2 bis zu dem Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung, aufgerundet auf einen vollen Betrag in Euro zu berücksichtigen. Dieser betrug im Jahr 2018 23.712,00 €.

Dieser Maximalbetrag für Vorsorgeaufwendungen nach Abs. 1 Z. 2 ist aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 3 S. 4 und 6 dEStG beginnend ab dem Jahr 2013mit 76% für einen Übergangszeitraum bis 2023um je 2% p.a. bis auf 100 % des Betrages zu erhöhen. Für das Jahr 2018 ergibt sich somit ein Wert von 86 % und somit ein Höchstbetrag von 20.392,32 €, der als Sonderausgaben geltend werden kann.

Nach § 10 Abs 1 Z.3 lit a) dEStG sind Sonderausgaben Beiträge zu Krankenversicherungen, soweit diese zur Erlangung eines durch das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch bestimmten sozialhilfegleichen Versorgungsniveaus erforderlich sind und sofern auf die Leistungen ein Anspruch besteht.

Unter diese Bestimmungen fallen sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Versicherungsverhältnisse. Auch hier besteht keine Beschränkung auf Pflichtbeiträge zu einer gesetzlichen Sozialversicherung und keine Einschränkung der Zahlungen auf die Leistung an eine deutsche gesetzliche Sozialversicherung. Vielmehr muss es sich um ein Versicherungsunternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat handeln.

Nach § 10 Abs 1 Z.3a dEStG sind Sonderausgaben auch Beiträge zu Kranken- und Pflegeversicherungen, soweit diese nicht nach Z. 3 zu berücksichtigen sind; Beiträge zu Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit, zu Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen, …, zu Unfallversicherungen.

Gemäß § 10 Abs. 4, S. 1 dEStG können Vorsorgeaufwendungen im Sinne des Abs. 1 Z. 3 und Z. 3a je Kalenderjahr insgesamt bis 2.800,00 € abgezogen werden.

Wenn Vorsorgeaufwendungen im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 3 die nach die nach § 10 Abs. 4 S. 1-3 dEStG zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungenübersteigen, dann sind gemäß § 10 Abs. 4, S. 4 dEStG diese abzuziehen und ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen im Sinn des Abs. 1 Z. 3a scheidet aus.

Damit wird gewährleistet, dass die Krankenbasis- und Pflegeversicherung unabhängig von einem Höchstbetrag in voller Höhe abziehbar ist.Für Krankenversicherungsbeiträge galt im Jahr 2018, dass diese im Ausmaß von 86 % der tatsächlich geleisteten Beiträge abzugsfähig sind.

2. Beweiswürdigung

Das Vorliegen des Hauptwohnsitzes des BF in Österreich sowie eines weiteren Wohnsitzes in Deutschland ergibt sich aus den Erklärungen des BF und ist zwischen den Parteien unstrittig.

Die Einkünfte des BF in Österreich und Deutschland ergeben sich aus den Steuererklärungen des BF in Deutschland in Österreich. Sie sind dem Grunde und der Höhe nach unbestritten. Dies gilt auchim Hinblick auf die nach österreichischen Vorschriften für Zwecke des Progressionsvorbehaltes anzusetzende Höhe der deutschen Einkünfte, mit Ausnahme der Behandlung der Beiträge an die SVA. Unbestritten ist auch die (grundsätzliche) Zuordnung der Besteuerungsrechte.

Die Ausnahme von selbstständigen Radio Moderatoren zur Sozialversicherungspflicht ergibt sich aus dem Vorbringen der Vertreterin des BF und beispielsweise auch aus dem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 31.08.2016, L6R 95/14.

Die Verteilung der im Jahr 2018 an die SVA geleisteten Beiträge i.H.v. von 19.142,50 € ergibt sich aus der von der steuerlichen Vertretung vorgelegten detaillierten Aufstellungder SVA betreffend die Beiträge zur Unfallversicherung, zur Pensionsversicherung,zur Krankenversicherung und zur Selbstständigen Vorsorge. Sie ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.Die prozentuelle Kürzung für die einzelnenBeitragsgruppen ist inHöhe und Verteilung ebenfalls unbestritten.

Die Ausführungen zu den einzelnen Bestimmungen der deutschen Sonderausgaben ergeben sich aus dem Wortlaut der im Sachverhalt zitierten Bestimmungen des § 10 dEStG. Sie decken sich im Einzelnen mit den unten dazu zitierten Bestimmungen aus dem Kommentar zum dEStG von Hermann/Heuer/Raupach. Das BFG folgte daher dem Wortlaut der Bestimmungen des dEStG, die durch die Ausführungen im Kommentar erläutert werden.

Zum Umfang der Berücksichtigung bzw. der abschließenden Aufzählung von Sonderausgaben in § 10 dEStG darf auf Hermann/Heuer/Raupach § 10 EStG, Anm.30 verwiesen werden. Lässt sich eine Zahlung somit nicht unter die genannten Titel subsumieren, besteht keine (beschränkte oder unbeschränkte) Abzugsmöglichkeit als Sonderausgaben.

Die Umschreibung des Umfanges der Pflichtversicherung zur gesetzlichen Rentenversicherung ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a) dEStG und wird in Hermann Heuer Raupach § 10 EStG, Anm.56 näher beschrieben.

Die Möglichkeit für Selbstständige freiwillig einer gesetzlichen Vorsorgeeinrichtung beizutreten ergibt sich aus § 7 SGB VI (siehe auch Hermann/Heuer/Raupach § 10 EStG, Anm.82)

Die Anforderungen an die Zahlungsempfänger begünstigter Vorsorgeaufwendungen i.S.d § 10 Abs. 2 Z. 2 lit. a) dEStG ergeben sich ausführlich aus Herrmann/Heuer/Raupach § 10 EStG, Anm.310 ff.

Der Umfang der Versicherungsverhältnisse zur Pflichtkrankenversicherung ergibt sich aus § 10 Abs. 1 Z. 3 lit. a) dEStG.

Die prozentuelle Kürzung für Aufwendungen zur Pensionsvorsorge für 2018 mit 86% des Höchstbetragesergibt sich für die Jahre zwischen 2005 bis 2025 aus Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG, Anm.350 unter Verweis auf die Übergangsbestimmungen seit 2005. Die prozentuelle Kürzung für Aufwendungen zur Krankenvorsorge für die Jahre 2013 bis 2024 für 2018 mit 86% ergibt sich aus § 10 Abs.3 S. 4 dEStG und aus Herrmann/Heuer/Raupach, § 10 EStG, Anm.384 ff.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (teilweise Stattgabe)

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Gemäß § 2 Abs. 8 Z. 1 und Z 2 EStG 1988 gilt, soweit im Einkommen oder bei Berechnung der Steuer ausländische Einkünfte zu berücksichtigen sind, Folgendes:

Für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte sind die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes maßgebend.

Der Gewinn ist nach der Gewinnermittlungsart zu ermitteln, die sich ergäbe, wenn der Betrieb im Inland gelegen wäre. Dabei sind inländische Regelungen für die Gewinnermittlung maßgebend, auch wenn eine gleichartige Bestimmung im Mitgliedsstaat nicht existiert (z.B. § 10 EStG).

Gemäß Art 16 DBA Österreich/Deutschland ist, wenn eine Person in jedem der Vertragsstaaten einen Wohnsitz hat, soweit sich das Besteuerungsrecht nach dem Wohnsitz richtet, der Wohnsitz maßgebend, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 DBA Österreich/Deutschland hat, wenn eine natürliche Person mit Wohnsitz in einem der Vertragsstaaten Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hat, die in dem anderen Staat ausgeübt wird oder ausgeübt worden ist, der andere Staat das Besteuerungsrecht für diese Einkünfte.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 DBA Österreich/Deutschland liegt die Ausübung eines freien Berufes in den anderen Staaten nur dann vor, wenn der freiberuflich Tätige seine Tätigkeit unter Benutzung einer in dort regelmäßig zur Verfügung stehenden ständigen Einrichtung ausübt. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für eine freiberuflich ausgeübte künstlerische, vortragende, sportliche oder artistische Tätigkeit.

Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich/Deutschland hat der Wohnsitzstaat kein Besteuerungsrecht, wenn es in den vorhergehenden Artikelndem anderen Vertragsstaat zugewiesen worden ist.

Wie bereits im Erstverfahren RV/6100522/2020 ist unstrittig, dass das Besteuerungsrecht für die in Deutschland erzielten Einkünfte als selbstständiger Radiomoderator Deutschland zustehen, diese Einkünfte in Österreich lediglich für Zwecke des Progressionsvorbehaltes heranzuziehen sind und diese nach den österreichischen steuerlichen Bestimmungen zu berechnen sind. Daraus ergab sich die von den Parteien des Verfahrens unstrittige Höhe der zum Progressionsvorbehalt heranzuziehenden deutschen Einkünfte (ohne Berücksichtigung der Beiträge an die SVA) i.H. 394.064.56 €.

Fraglich war und ist, ob die in Österreich vorgeschriebenen Beiträge der SVA, dieebenso unbestrittenermaßenim direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesen selbstständigen Einkünften als Radiomoderator in Deutschland stehen und die ebenso unbestritten nicht in Deutschland geltend gemacht wurden, bei der Ermittlung der deutschen Einkünfte und somit lediglich im Wege des Progressionsvorbehaltes oder als negative Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Österreich bei der Ermittlung der inländischen Bemessungsgrundlage zur Einkommensteuer 2018 zu berücksichtigen sind.Wie der VwGH in seinem Erkenntnis vom 29.09.2022, Ra2021/15/0005, Rz.30 ausgeführt hat, ist damit im fortgesetzten Verfahren die Frage zu klären, ob bzw. gegebenenfalls in welcher Höhe die im Jahr 2018 in Österreich bezahlten und mit deutschen Einkünften in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland - nach deutschem Recht - auch steuerlich Berücksichtigung finden könnten.

Wie im Sachverhalt dargestellt, liegt nach den deutschen sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen keine Sozialversicherungspflicht des BF aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit als Radiomoderator in Deutschland vor, es besteht jedoch nach den Bestimmungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a, des §§ 10 Abs. 1 Z. 3 bzw. § 10 Abs. 1 Z. 3a dEStG im Rahmen des § 10 Abs. 3 bzw. § 10 Abs. 4 dEStG die Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung z.B. in einer gesetzlichen Sozialversicherung fürZwecke der Pensionsvorsorge, der Kranken-und Pflegeversicherung sowie weiterer Versicherungsbeiträge wie beispielsweise zur Unfallversicherung.

Legt man diese gesetzlichen Rahmenbedingungen um, so hätte der BF die Möglichkeit gehabt, die im Jahr 2018bezahlten Beiträge zur Rentenversicherung der SVA i.H.v. 12.695,98 € in voller Höhe in Deutschland geltend zu machen, da dieser Betrag in dem für 2018 in Deutschland geltenden Höchstbetrag für Vorsorgeaufwendungen Deckung findet. Es hätte somit die Möglichkeit bestanden, diese Pensionsversicherungsbeiträgeals Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a) dEStG in voller Höhe in Deutschland zum Abzug zu bringen.

Die in Österreich im Jahr 2018 an die SVA geleisteten Krankenversicherungsbeiträge i.H.v. 5.249,69 € hätten im Jahr 2018 im Ausmaß von 86 % des tatsächlich geleisteten Betrages, das sind 4.514,73 €, in Deutschland als Sonderausgaben im Sinn des § 10 Abs. 1 Z. 3 abgezogen werden können.

Die übersteigenden Beitragsleistungen an die Krankenversicherung i.H.v. 734,96 €, die Unfallversicherung i.H.v. 147,43 € und die Selbstständigen Vorsorge i.H.v. 1.049,90 € wären auch bei einer Geltendmachung der oben dargestellten Sonderausgaben in Deutschland nicht abzugsfähig gewesen.

Zusammengefasst sind umgelegt auf österreichisches Recht für Zwecke des Progressionsvorbehaltes somit von den Einkünften aus selbstständiger Arbeit in Deutschland Betriebsausgaben i.H.v. 17.210,71 € abzuziehen.Für Zwecke des Progressionsvorbehaltes im Jahr 2018sind daher deutsche Einkünfte i.H.v. 376.943,85 € zu berücksichtigen.

Die weiteren Beitragszahlungen an die SVA für Kranken- und Unfallversicherung und für Selbstständigen Vorsorge i.H.v. 1.932,29 € sind hingegen als negative Einkünfte aus selbstständiger Arbeit in Österreich als dem (Haupt) Wohnsitzstaat des BF zu berücksichtigen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die gegenständliche Entscheidung folgt dem im vorangegangenen Verfahren ergangenen Erkenntnis des VwGH vom 29.09.2022, Ra 2021/15/0005 und den dazu im fortgesetzten Verfahren getroffenen Feststellungen, insbesondere zu den zitierten Bestimmungen des dEStG. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Salzburg, am 29. März 2023

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 2 Abs. 8 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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