BFG RV/7103519/2019

BFGRV/7103519/20191.10.2020

Behandlung von rückgezahlten Sozialversicherungsbeiträgen im Zusammenhang mit Auslandseinkünften, für die Österreich kein Besteuerungsrecht hat

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.7103519.2019

 

Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/13/0111. Mit Erk. v. 22.9.2021 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinMag. R. in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Grant Thornton IBD Austria GmbH & Co KG Steuerberatungsgesellschaft, Nisselgasse 2 Tür 11, 1100 Wien, über die Beschwerde vom 28. Jänner 2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 11. Februar 2019 (mit der Begründung vom 18.12.2018) betreffend Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO des Bescheides hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 vom 12. Juli 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I.Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Dem Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 wird stattgegeben und der Einkommensteuerbescheid 2016 (als Beschwerdevorentscheidung bezeichnet) datiert vom 12. Juli 2018 wird aufgehoben.

II.Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) bezog im Jahr 2016 ausschließlich ausländische Einkünfte unter Progressionsvorbehalt.

Dem Finanzamt wurde neben einem Lohnzettel von der Fa. ***1*** (ohne Lohnsteuerausweis) noch ein Lohnzettel gem. § 69 Abs. 5 EStG 1988 von der WGKK (Bezugszeitraum 01.01. bis 31.12.2016) übermittelt. Darin ausgewiesen Bruttobezüge (210) in Höhe von € 12.257,40, Sonstige Bezüge vor Abzug der SV-Beiträge (220) in Höhe von € 1.751,06 und steuerpflichtige Bezüge (245) in Höhe von € 10.506,34.

Mit Bescheid vom 15. Mai 2018 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2016 wurden die rückgezahlten Sozialversicherungsbeiträge als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit angesetzt. Ebenso wurden Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von € 11.107,08 angesetzt.

Mit Eingabe vom 13. Juni 2018 erhob der steuerliche Vertreter des Bf. gegen den oa Bescheid Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zuwendungen gem. § 18 Abs. 1 Z 7 EStG iHv € 6.950,00 in voller Höhe als Sonderausgaben zu berücksichtigen seien. Aufgrund der geänderten Verhältnisse solle die Regelbesteuerungsoption für Kapitalbeträge gem. § 27 Abs. 5 EStG 1988 nicht ausgeübt werden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Juli 2018 wurde der Beschwerde teilweise stattgegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag gem. § 27a Abs. 5 EStG 1988 zurückgenommen wurde. Dem Beschwerdebegehren sei daher in diesem Punkt nachgekommen worden.

Ab der Veranlagung 2013 seien als Sonderausgaben Zuwendungen an nach § 4a EStG 1988 spendenbegünstigten Empfänger gem. § 18 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 abzugsfähig, wobei der Gesamtbetrag aller als Betriebsausgaben und Sonderausgaben abzugsfähiger Zuwendungen mit 10% des sich nach Verlustausgleich ergebenden Gesamtbetrages der Einkünfte (des jeweiligen Veranlagungsjahres) begrenzt sei. Die Einschleifregelung solle von jenem Gesamtbetrag der Einkünfte bemessen werden, der dem Welteinkommen zu Grunde liegt, unabhängig davon, ob ein Teil der Einkünfte solche sind, die als Auslandseinkünfte auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt seien. Da die beantragten Sonderausgaben vom auch die ausländischen Einkünfte umfassenden Gesamtbetrag der Einkünfte in Abzug gebracht wurden, war das Beschwerdebegehren in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.

Mit Eingabe vom 12. September 2018 wurde fristgerecht der Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides gem. § 299 BAO vom 12. Juli 2018 beantragt, da dieser sich als nicht richtig erweise. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Einkommensteuerbescheid 2016 die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von € 10.506,34 durch die WGKK als steuerpflichtiger Bezug behandelt worden sei und damit dem Gesamtbetrag der zu versteuernden Einkünfte hinzugerechnet worden sei.

Die Rückzahlung betreffe jedoch Sozialversicherungsbeiträge, welche auf eine ausländische Tätigkeit entfalle. Für diese ausländischen Einkünfte stehe Österreich nicht das Besteuerungsrecht zu. Sie seien daher nur im Rahmen der Progressionseinkünfte zu berücksichtigen. Insofern hätten die bezahlten SV-Beiträge nur die Progressionseinkünfte gemindert, nicht jedoch das steuerpflichtige Einkommen.

Gemäß Rz 687a LStR stellen erstattete Pflichtbeiträge als rückgängig gemachte Werbungskosten steuerpflichtige Einkünfte dar. Die auf ausländische Tätigkeiten entfallenden erstatteten Pflichtbeiträge wurden allerdings nicht als Werbungskosten berücksichtigt, wodurch auch die erzielten Einnahmen aus der Rückzahlung nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen werden können. Dies entspreche auch dem Zweck des § 25 Abs. 1 Z 3 lit d EStG, da auch nach den erläuternden Bemerkungen erstattete Pflichtbeiträge zu steuerpflichtigen Einkünften führen sollen, weil sie rückgängig gemachte Werbungskosten darstellen würden.

Im betreffenden Fall würden jedoch keine rückgängig gemachten Werbungskosten vorliegen, sondern lediglich eine Veränderung der Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt. Die rückerstatteten Beiträge seien lediglich als Einkünfte für den Progressionsvorbehalt anzusetzen. Eine andere Behandlung würde auch der Systematik der Ertragsbesteuerung widersprechen und zu einer Ungleichbehandlung führen.

Wären die zu Unrecht einbehaltenen Beiträge nämlich nicht einbehalten worden, hätte sich lediglich der Betrag der für den Progressionsvorbehalt maßgeblicher Einkünfte erhöht. Die Rückzahlung in 2016 soll aufgrund des angefochtenen Bescheides hingegen voll zu steuerpflichtigen Einkünften führen.

Es werde daher der Antrag gestellt, die Festsetzung des Gesamtbetrages der Einkünfte 2016 mit € 0,00 und die Berücksichtigung der SV-Rückerstattung iHv € 10.506,34 im Rahmen der Berechnung des Progressionsvorbehaltes in der Kennzahl 440 der Einkommensteuererklärung.

Mit Bescheid vom 11.02.2019 wurde der Antrag des Bf. auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 gem. § 299 BAO abgewiesen. In der dazu ergangenen gesonderten händischen Begründung (datiert vom 18.12.2018) wurde ausgeführt:

"Gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit.d EStG 1988 sind Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 einbehalten oder rückgezahlt wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Demzufolge hat die auszahlende Stelle gemäß § 69 Abs. 5 EStG bei Auszahlung von Bezügen nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit.d EStG 1988 einen Lohnzettel zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 leg. cit. auszuweisen.

Voraussetzung für die Ausstellung eines Lohnzettels ist ein Zahlungsvorgang. Diese erstatteten Pflichtbeiträge stellen als rückgängig gemachte Werbungskosten steuerpflichtige Einkünfte dar.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten, Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen,….Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Zu den Werbungskosten gehören auch nach Z 4 der Bestimmung auch

  1. 1. Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung sowie

f) Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

Zum Inhalt der Norm des § 25 Abs. 1 Z 3 lit.d EStG 1988 besteht eine einhellige Rechtsmeinung: Wenn Pflichtbeiträge - auch nur teilweise - auf Grund des Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzubehalten bzw. zu entrichten waren, stellen die erstatteten (rückgezahlten) Beiträge zur Gänze Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar.

Fest steht, dass Sie im Kalenderjahr 2016 von der WGKK einen Erstattungsbetrag iHv € 10.506,34 erhalten haben.

Darüber hinaus wurde von der WGKK ein korrekter Lohnzettel gem. § 69 Abs. 5 EStG 1988 (KZ 2010: € 12.257,40; KZ 220: € 1.751,06; KZ 245: € 10.506,34) an das Finanzamt elektronisch übermittelt.

Ebenso steht fest, dass Sie im Kalenderjahr 2016 lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen haben, weshalb die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit.d EStG 1988 zur Gänze Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.

Bei den rückerstatteten Beiträgen handelt es sich somit um inländische Einkünfte, an denen das Besteuerungsrecht ausschließlich Österreich zusteht und eine Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens nicht erforderlich ist, womit ein Progressionsvorbehalt ausgeschlossen ist.

Ihr Antrag auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2016 gem. § 299 BAO war daher abzuweisen."

Mit Eingabe vom 28. Jänner 2019 erhob die steuerliche Vertretung des Bf. gegen den oa Bescheid (Abweisung des Antrages auf Aufhebung gem. § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2016) Beschwerde.

Im Wesentlichen wurden die bereits in der Eingabe vom 12. September 2018 vorgebrachten Einwendungen wiederholt.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. Februar 2019 wurde die Beschwerde vom 28.01.2019 gegen die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt:

"Gem. § 25 Abs. 1 Z 3. lit. d EStG 1988 sind Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 einbehalten oder rückgezahlt wurden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Demzufolge hat die auszahlende Stelle gemäß § 69 Abs. 5 EStG 1988 bei Auszahlung von Bezügen nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 einen Lohnzettel zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 leg. cit. auszuweisen.

Voraussetzung für die Ausstellung eines Lohnzettels ist ein Zahlungsvorgang. Diese erstatteten Pflichtbeiträge stellen als rückgängig gemachte Werbungskosten steuerpflichtige Einkünfte dar.

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen,... Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Zu den Werbungskosten gehören nach Z.4 der Bestimmung auch

a) Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung

sowie

f) Beiträge von Arbeitnehmern zu einer ausländischen Pflichtversicherung, die einer inländischen gesetzlichen Sozialversicherung entspricht.

Zum Inhalt der Norm des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 besteht eine einhellige Rechtsmeinung: Wenn Pflichtbeiträge - auch nur teilweise - auf Grund des Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzubehalten bzw. zu entrichten waren, stellen die erstatteten (rückgezahlten) Beiträge zur Gänze Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dar.

§ 70 / 70a ASVG idgF lautet auszugsweise: (1) Überschreitet in einem Kalenderjahr

1. bei einer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Beschäftigung

oder

2. bei gleichzeitiger Ausübung mehrerer die Pflichtversicherung nach diesem Bundesgesetz begründenden Beschäftigungen die Summe aller Beitragsgrundlagen der Pflichtversicherung - einschließlich der Sonderzahlungen - die Summe der monatlichen Höchstbeitragsgrundlagen für die im Kalenderjahr liegenden Beitragsmonate der Pflichtversicherung auf Grund einer Erwerbstätigkeit, wobei sich deckende Beitragsmonate nur einmal zu zählen sind, so hat die versicherte Person Anspruch auf Beitragserstattung nach den Abs. 2 und 3. Gleiches gilt für die Erstattung von Beiträgen bei gleichzeitigem Vorliegen einer oder mehrerer Pflichtversicherungen nach dem GSVG oder BSVG, wenn ausschließlich Beiträge nach dem ASVG entrichtet wurden. Monatliche Höchstbeitragsgrundlage ist der 35fache Betrag der Höchstbeitragsgrundlage nach § 45 Abs. 1.

Fest steht, dass Sie im Kalenderjahr 2016 von der WGKK einen Erstattungsbetrag iHv € 10.506,34 erhalten haben.

Darüber hinaus wurde von der WGKK ein korrekter Lohnzettel gem. § 69 Abs. 5 EStG 1988 (KZ 210: € 12.257,40; KZ 220: € 1.751,06; KZ 245: € 10.506,34) an das Finanzamt elektronisch übermittelt.

Ebenso steht fest, dass Sie im Kalenderjahr 2016 lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen haben, weshalb die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge gem. § 25 Abs. 1 Z. 3 lit. d EStG 1988 zur Gänze Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit darstellen.

Bei den rückerstatteten Beiträgen handelt es sich somit um inländische Einkünfte, an denen das Besteuerungsrecht ausschließlich Österreich zusteht und eine Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens nicht erforderlich ist, womit ein Progressionsvorbehalt ausgeschlossen ist.

Ihre Beschwerdeausführungen ändern nichts an der im bekämpften Bescheid dargestellten Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Da Sie keinen Antrag auf sofortige Vorlage Ihrer Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gestellt haben, ergeht diese Beschwerdevorentscheidung in Ansehung der zwingenden gesetzlichen Anordnung des § 262 Abs 1 Bundesabgabenordnung."

Mit Eingabe (über FinanzOnline) vom 04.04. 2019 wurde eine Verlängerung der Frist bis zum 3.5.2019 zur Einbringung eines Antrages auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht beantragt.

Mit Eingabe vom 2. Mai 2019 stellte der steuerliche Vertreter des Bf. rechtzeitig den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das BFG.

Begründend wurden im Wesentlichen die bereits in der Beschwerde vom 28. Jänner 2019 vorgebrachten Argumente wiederholt. Ergänzend wurde auf ein Erkenntnis des UFS RV/2756-W/08 vom 18.11.2008 bzw. ein Erkenntnis des VwGH 2008/13/0246 vom 20.11.2012 verwiesen.

Im gegenständlich Fall erhalte der Bf. die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge für seine in Österreich dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Auslandseinkünfte. Damit seien aber auch die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge Einnahmen im Rahmen dieser Auslandseinkünfte und demnach als für den Progressionsvorbehalt maßgebliche Einkünfte anzusetzen.

Abschließend wurde einerseits der Antrag auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung gem. § 274 BAO gestellt, andererseits wurde beantragt, die Festsetzung des Gesamtbetrages der Einkünfte 2016 mit € 0,00 und die Berücksichtigung der SV-Rückerstattung iHv € 10.506,34 im Rahmen der Berechnung des Progressionsvorbehalts in der KZ 440 der Einkommensteuererklärung 2016.

Im Zuge des Verfahrens vor dem BFG wurde in einem Telefonat mit dem Vertreter des Finanzamtes festgehalten, dass seitens des Finanzamtes nicht bestritten wird, dass der Bf. das ganze Jahr im Ausland tätig war. Nach Meinung des Finanzamtes handelt es sich bei den rückerstatteten Beiträgen aber um inländische Einkünfte, an denen das Besteuerungsrecht ausschließlich Österreich zusteht (s. AV vom 26. 08.2020).

Mit Eingabe vom 29. September 2020 (eingelangt beim BFG am 1. Oktober 2020) zog der steuerliche Vertreter den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück.

 

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. bezog im streitgegenständlichen Jahr ausschließlich Auslandseinkünfte unter Progressionsvorbehalt.

Von der WGKK wurde ein korrekter Lohnzettel (L 16) gem. § 69 Abs. 5 EStG 1988 (KZ 210: € 12.257,40; KZ 220: € 1.751,06; KZ 245: € 10.506,34) elektronisch an das Finanzamt übermittelt. Ebenso wurde ein Lohnzettel (L16) ohne Ausweis von einbehaltener Lohnsteuer von der Fa. ***1*** übermittelt.

Das Finanzamt behandelte die Rückzahlung der Sozialversicherungsbeiträge als steuerpflichtigen Bezug und setzte diese im Einkommensteuerbescheid 2016 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit an.

Strittig ist, ob es sich bei den rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträgen um inländische Einkünfte gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit.d EStG 1988 oder um Sozialversicherungsbeiträge, die auf ausländische Einkünfte entfallen, für welche Österreich nach den entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen nicht das Besteuerungsrecht zukommt, handelt.

Unstrittig ist, dass Österreich für die Auslandseinkünfte kein Besteuerungsrecht hat. Die ausländischen Einkünfte sind lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen. Ebenso ist die Höhe der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und der rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge unstrittig.

Unstrittig ist auch, dass die Rückerstattung der Sozialversicherungsbeiträge auf eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit entfällt.

Laut einer Aufstellung des steuerlichen Vertreters des Bf. bezog dieser nachstehende Einkünfte:

Auszahlende Stelle

Auszahlung in fremder Währung BGN

Auszahlung in fremder Währung HUF

Auszahlung in EUR

Fa. ***1*** L8

 

 

57.488,44

Bratislava

 

 

--

Ungarn

 

7.705.755,00

24.373,30

Bulgarien

887.174,55

 

446.807,72

V+V DE

 

 

3.133,23

Progressionseinkünfte in EUR

 

 

531.802,69

 

Beweiswürdigung

Die obigen Sachverhaltsdarstellungen sind allesamt aktenkundig, dagegen sprechende Umstände wurden nicht vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund durfte das BFG die obigen Sachverhaltsfeststellungen gem. § 167 Abs. 2 BAO als erwiesen annehmen.

 

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

1. Antrag auf Aufhebung gemäß § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2016:

§ 299 BAO lautet:

"(1) Die Abgabenbehörde kann gemäß § 299 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Der Antrag hat zu enthalten:

a.die Bezeichnung des aufzuhebenden Bescheides;

b.die Gründe, auf die sich die behauptete Unrichtigkeit stützt.

(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist.

(3)……"

Der Inhalt eines Bescheides ist nicht richtig, wenn der Spruch des Bescheides nicht dem Gesetz entspricht. Weshalb diese Rechtswidrigkeit vorliegt (etwa bei einer unrichtigen Auslegung einer Bestimmung, bei mangelnder Kenntnis des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, bei Übersehen von Grundlagenbescheiden), ist für die Anwendbarkeit des § 299 Abs. 1 nicht ausschlaggebend (Ritz, BAO, Kommentar, 6. Aufl., Tz. 10 zu § 299 BAO, sowie die dort zitierte Literatur).

Die Aufhebung setzt die Gewissheit der Rechtswidrigkeit voraus; die bloße Möglichkeit reicht nicht. Die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit setzt daher grundsätzlich die (vorherige) Klärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes voraus (Ritz, BAO, Kommentar, 6. Aufl., Tz. 13 zu § 299 BAO, sowie die dort zitierte Judikatur).

Im vorliegenden Fall hat die steuerliche Vertretung des Bf. mit Eingabe vom 12. September 2018 einen Antrag auf Aufhebung gem. § 299 BAO des Einkommensteuerbescheides 2016 vom 12. Juli 2018 fristgerecht eingebracht. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag eingebracht worden sei, da der Einkommensteuerbescheid 2016 vom 12. Juli 2018 sich als nicht richtig erweise. Dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Einkommensteuerbescheid 2016 die Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von € 10.506,34 durch die WGKK als steuerpflichtiger Bezug behandelt und damit dem Gesamtbetrag der zu versteuernden Einkünfte hinzugerechnet worden sei.

Die Rückzahlung betreffe jedoch Sozialversicherungsbeiträge, welche auf eine ausländische Tätigkeit entfalle. Für diese ausländischen Einkünfte stehe Österreich nicht das Besteuerungsrecht zu. Sie seien daher nur im Rahmen der Progressionseinkünfte zu berücksichtigen. Insofern hätten die bezahlten SV-Beiträge nur die Progeressionseinkünfte gemindert, nicht jedoch das steuerpflichtige Einkommen.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) u.a. die Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (lohnsteuerpflichtige Einkünfte) zählen gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 auch Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise aufgrund des Vorliegens von Einkünften im Sinne der Z 1 (zB Bezüge und Vorteile aus einem Dienstverhältnis) einbehalten oder zurückgezahlt wurden.

Gemäß § 69 Abs. 5 EStG 1988 hat die auszahlende Stelle bei Auszahlung von Bezügen im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 bis 31. Jänner des folgenden Kalenderjahres einen Lohnzettel (§ 84 EStG 1988) zur Berücksichtigung dieser Bezüge im Veranlagungsverfahren auszustellen und an das Finanzamt der Betriebsstätte zu übermitteln. In diesem Lohnzettel ist ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 auszuweisen. Ein vorläufiger Lohnsteuerabzug hat zu unterbleiben (siehe dazu auch Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2012, Seite 829).

Erstattete (rückgezahlte) Pflichtbeiträge stellen als rückgängig gemachte Werbungskosten in der Regel steuerpflichtige Einkünfte dar. Sofern diese Pflichtbeiträge (auch teilweise) aufgrund des Vorliegens von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einzubehalten bzw. zu entrichten waren, sind die erstatteten (rückgezahlten) Pflichtbeiträge zur Gänze als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen (UFS 9.7.2010, RV/0112-I/09; vgl. RV zum AbgÄG 1998, 1471 BlgNr 20.GP ; Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 52. Lieferung, § 25 EStG 1988 Tz 158; Doralt, EStG, 21. Lieferung, § 25 Tz 64/1; Sailer/Bernold/Mertens, Die Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2012, Seite 829 sowie Frage 69/12 mit Hinweis auf die Information der Sozialversicherung unter www.sozialversicherung.at ).

Die vorstehenden Ausführungen betreffen den Regelfall, in dem der Steuerpflichtige steuerpflichtige bzw. lohnsteuerabzugspflichtige Einkünfte bezieht, und ist deren Hintergrund aufgrund des Zusammenhangs der rückgezahlten Werbungskosten mit steuerpflichtigen Einkünften auch leicht nachvollziehbar.

Im gegenständlichen Fall hat das Finanzamt nicht dargestellt, dass die rückerstatteten Pflichtbeiträge als Werbungskosten von inländischen Einkünften in Abzug gebracht wurden. Auch aus der Aktenlage ist solches nicht erkennbar.

In einem ähnlichen Fall (siehe UFS 18.11.2008, RV/2756-W/08) hat der Unabhängige Finanzsenat seiner Ansicht Ausdruck verliehen, dass rückerstattete Sozialversicherungsbeiträge dann keine steuerpflichtigen Einkünfte darstellen würden, wenn durch deren Abzug kein steuerlicher Vorteil erlangt worden sei, weil die Beiträge nicht im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einkünften gestanden hätten und somit gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht als Werbungskosten abzugsfähig gewesen wären.

Diese Rechtsansicht hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 20.11.2012, 2008/13/0248, bestätigt. Das Höchstgericht bekräftigte darin unter Verweis auf VwGH 23.10.1990, 89/14/0178, zwar zunächst, dass zu den Einnahmen auch die Rückerstattung von Werbungskosten gehöre. Durch die Rückerstattung würden die ursprünglich in zu geringer Höhe ausbezahlten Entgelte "ergänzt". Rückzahlungen von Pflichtbeiträgen, sofern diese ganz oder teilweise auf Grund des Vorliegens von Einkünften im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 einbehalten oder zurückgezahlt worden seien, würden nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988 grundsätzlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ("Arbeitslohn") zugeordnet (bezüglich des vorläufigen Unterbleibens des Lohnsteuerabzuges und der Ausstellung und Übermittlung eines Lohnzettels an das Finanzamt Verweis auf § 69 Abs. 5 EStG 1988). Im Beschwerdefall sei aber wesentlich, dass der ursprüngliche Berufungswerber (nunmehr am VwGH-Verfahren Mitbeteiligte) die rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge für seine nach § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 begünstigte Auslandstätigkeit im Bereich der Entwicklungshilfe entrichtet habe. Damit seien aber auch die rückbezahlten Sozialversicherungsbeiträge als rückerstattete Werbungskosten (nachträgliche) Einnahmen im Rahmen der begünstigten Auslandstätigkeit und demnach gemäߧ 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 von der Einkommensteuer zu befreien.

Im gegenständlichen Fall liegen zwar keine gem. § 3 Abs. 1 Z 11 EStG 1988 EStG 1988 steuerfreien Einkünfte vor, jedoch ausländische Einkünfte für die Österreich kein Besteuerungsrecht zukommt, weshalb die Grundsätze des VwGH nach Ansicht des BFG auf den gegenständlichen Fall anzuwenden sind.

Da sich somit der Spruch des Bescheides vom 12. Juli 2018 als nicht richtig erweist, war der Beschwerde stattzugeben und der Bescheid, der als Beschwerdevorentscheidung datiert vom 12. Juli 2018 ergangen ist, wird dahingehend abzuändern sein, dass die rückgezahlten Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von € 10.506,34 die Progressionseinkünfte erhöhen. Es werden daher die Progressionseinkünfte in Höhe von € 542.309,03 anzusetzen sein.

Erweist sich ein geltend gemachter Aufhebungsgrund (hier: die einkommensteuerrechtliche Behandlung der rückerstatteten Sozialversicherungsbeiträge) im Beschwerdeverfahren als berechtigt, so hat das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass der Bescheid, dessen Aufhebung beantragt wurde, aufgehoben wird (VwGH 23.11.2016, Ra 2014/15/0056).

Eine Bindungswirkung der Begründung des Aufhebungsbescheids für die nachfolgend vom Finanzamt zu treffende Sachentscheidung besteht nicht, weil diese selbst nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war (VwGH 7.7.2004, 2001/13/0053, sowie 19.6.2002, 99/15/0135).

Anmerkung: Die Konsequenz aus der Aufhebung des Bescheides, der als Beschwerdevorentscheidung ergangen ist, nämlich die Erlassung des neuen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2016 verbleibt gem. § 299 Abs. 2 Satz 2 BAO im Wirkungsbereich des Finanzamtes. Auf § 209a Abs. 2 BAO wird hingewiesen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Zudem schloss sich das BFG in seiner Entscheidung der im Erkenntnis des VwGH vom 20.11.2012, 2008/13/0248 vertretenen Rechtsmeinung an.

 

 

Wien, am 1. Oktober 2020

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 69 Abs. 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 25 Abs. 1 Z 3 lit. d EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 20.11.2012, 2008/13/0248

Stichworte