Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.1200017.2016
Beachte:
Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2020/16/0023. Zurückweisung mit Beschluss vom 9.4.2020.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri. in der Beschwerdesache D. AG, AdrD, vertreten durch RA, über die Beschwerde vom 27.10.2015 gegen den Bescheid der belangten Behörde Zollamt Feldkirch Wolfurt vom 09.10.2015, Zl. ** betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Abgabenerhöhung nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. Oktober 2019 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird – ersatzlos – aufgehoben.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010, Zl. *, teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt der Beschwerdeführerin (Bf.) die nachträgliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer zu 2 Zollanmeldungen gem. Art. 204 ZK mit.
Begründend wurde ausgeführt, dass am 15. und 19. Mai 2006 von der Bf. Mobiltelefone zur Überführung in den freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung (Versender: X. SA, Lugano/Empfänger: X. SA Ausl. Steuerkonto UID DE), angemeldet worden seien.
Die Waren seien lt. Rechnung der X. SA, Lugano, vom 15.5.2006 an die in P-9000001 Funchal/Madeira, AdrB ansässige Fa. B. Lda verkauft worden. Zustelladresse sei die Spedition C. srl, in Fiumicino/Italien.
Aus vorangegangenen Akten sei zu entnehmen, dass zwar X. SA als Empfänger in den Anmeldungen eingetragen, Rechnungsempfänger sei aber die Fa. B. Lda, bei der es sich laut Auskunft der portugiesischen Behörden um eine conduit company, die fast ausschließlich an Firmen in Italien weiterfakturiere, gehandelt habe. Im vorliegenden Fall lägen hinterzogene Abgaben vor, da Vorsatz zu bejahen sei.
In der gegen den Bescheid erhobenen Berufung (nunmehr Beschwerde) brachte die Beschwerdeführerin (Bf). vor, eine Vorschreibung hätte wegen eingetretener Verjährung nicht erfolgen dürfen. Vom Zollamt seien keine Feststellungen getroffen worden, dass im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Sendungen ein vorsätzliches Finanzvergehen begangen worden sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 23.1.2012, Zl. *, wies das Zollamt die Berufung (nunmehr Beschwerde) unter Hinweis auf Entscheidungen des UFS zur Vertrauensschutzbestimmung sowie zur Steuerschuldentstehung nach Art. 201 ZK als unbegründet ab. Zur Verjährungseinrede wurde auf die Begründung des Erstbescheides verwiesen, ohne auf den Einwand der Bf. näher einzugehen.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde (Vorlageantrag) brachte die Bf. vor, das Zollamt habe, ohne Beweisergebnisse konkret anzuführen, den Bescheid unter Hinweis auf den Anmeldungen zu Grunde liegenden Umsatzsteuerkarussellbetrug als unbegründet abgewiesen. Weiters wurden noch umfangreiche Ausführungen zum Vertrauensschutz nach Art. 7 Abs. 4 UStG sowie der ihrer Ansicht zu Unrecht nicht angewandten Bestimmung des § 71 a ZollR-DG ausgeführt.
Mit Beschluss vom 21.5.2015, Zahl*, wurde der angefochtene Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung gem. § 278 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde aufgehoben.
Begründend wurde ausgeführt, dass die seitens des Zollamtes getroffene Feststellung, bei der Fa. B. Lda handle es sich um eine conduit company in dieser Form nicht dem Ermittlungsergebnis entspreche. Die portugiesischen Behörden hätten lediglich von der auf Grund der festgestellten Geschäftstätigkeit sich ergebenden Hinweise auf eine conduit Gesellschaft gesprochen, aber keine gesicherten Beweise für diese Annahme mitgeteilt.
Da die portugiesischen Behörden lediglich auf die Möglichkeit, dass die B. Lda eine conduit Gesellschaft ist, hingewiesen haben, wurde das Zollamt aufgefordert, diese Angaben erneut in Portugal überprüft zu lassen. Insbesondere deshalb, da die Abfrage der der B. Lda erteilten UID Nr. PT-** am 18.5.2015 ergeben habe, dass diese UID Nr. seit 28.1.1999 bis lfd. nach wie vor gültig sei.
Hinsichtlich der im Schreiben an den Vertreter der Bf. vom 29.11.2011, *, angekündigten Ermittlungsergebnisse betreffend X. SA (auf Grund eines Amtshilfeersuchens der deutschen Behörden am 4.5.2011 soll eine Hausdurchsuchung stattgefunden und der Geschäftsführer einvernommen worden sein) konnte das Zollamt diese Unterlagen nicht vorlegen. Im übrigen können Ermittlungsergebnisse, die die deutschen Zollbehörden durch Amtshilfeersuchen von der Schweiz erhalten haben, nur mit Zustimmung der Schweiz für das österreichische Ermittlungsverfahren verwendet werden.
Da das Zollamt zum Vorliegen der für die Vorschreibung erforderlichen Hinterziehung bei Zollschuldner oder anderen Tatbeteiligten keine konkreten Feststellungen getroffen habe, erfolgte die Aufhebung des Bescheides unter Zurückverweisung der Sache zur Durchführung weiterer Ermittlungen.
Mit Bescheid vom 9.10.2015, Zl. **, erging neuerlich ein Abgabenbescheid. Begründend wurde ausgeführt:
" Das Zollamt ist aufgrund des Zwischenberichts des Zollfahndungsamts Stuttgart, Dienstsitz Radolfszell, an die Staatsanwaltschaft Mannheim überzeugt, dass X. in großangelegte Umsatzsteuerkarussellbetrügereien verwickelt ist. Aufgrund der objektiven Umstände ist erwiesen, dass er wusste, dass er sich an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat (vgl EuGH 18. Dezember 2014, C- 131/13, Tenor 2). Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass bislang noch keine Anklage erfolgte.
Da auch die Wertgrenze für ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgende Finanzvergehen überschritten ist, sind die Voraussetzungen für die 10-jährige Verjährungsfrist gem. § 74 (2) ZollR-DG gegeben.
Aufgrund der italienischen Auskunft und der objektiven Umstände ist das Zollamt überzeugt, dass die B. Lda – wie die portugiesischen Behörden schon vermutet hatten - eine conduit company (zur Funktion einer conduit company: vgl Schlussanträge des Generalanwaltes in den verb. Rs C-439/04 und 440/04, Rn 28) ist, die wusste oder hätte wissen müssen, dass sie sich an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Steuerhinterziehung in einem anderen Mitgliedstaat begangen wurde und dass die Gesellschaft in Portugal die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen formalen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Rechts auf Mehrwertsteuerbefreiung erfüllt hat (vgl EuGH 18. Dezember 2014, C-131/13 , Tenor 3).
Daher war die gem Art 6 (3) UStG ursprünglich gewährte Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer zurückzunehmen und die buchmäßige Erfassung der Abgaben neuerlich mitzuteilen. Die Festsetzung der Abgabenerhöhung ergibt sich aus § 108 (1)ZollR-DG."
Die gegen den Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.2.2016, ** als unbegründet abgewiesen.
Das Zollamt führte begründend aus:
Zu den Einwendungen unter Pkt I. A) ist der Vollständigkeit halber noch zu ergänzen, dass im Abgabenverfahren eine unmittelbare Beweisaufnahme nicht erforderlich ist (Ritz, BAO5, § 183 Tz 1). Im Übrigen wird auf das Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs und die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen.
Zu den ab Pkt I. B) wiederkehrenden Hinweisen auf bestätigte CMR-Frachtbriefe ist festzuhalten, dass in den hier verfahrensgegenständlichen Fällen diese gerade nicht vorgelegt wurden, wobei es jedoch aufgrund des angenommenen Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung dahingestellt bleiben kann, ob diese Dokumente vorliegen oder nicht.
Denn zu den Einwendungen unter Pkt II. wird auf das bereits im angefochtenen Bescheid erörterte Urteil des EuGH C-131/13 verwiesen, demzufolge eine Befreiung selbst dann zu versagen ist, wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt wären.
Die in Pkt III. geforderte Vertrauensschutzregelung des Art 7 (4) UStG greift schon deshalb nicht, weil es im Falle der hier vorliegenden innergemeinschaftlichen Verbringung an einem Abnehmer mangelt, welcher unrichtige Angaben geliefert hätte (vgl VwGH 28. März 2014, 2012/16/0009). Dazu kommt, die Bf als anmeldende Spediteurin nicht liefernde Unternehmerin gem § 3 (1) UStG ist."
Wenn der Parteienvertreter unter Pkt IV. die unrichtige Nichtanwendung des „Art 71a ZollRDG“ einwendet, dürfte er vermutlich damit § 72a ZollR-DG meinen. Da diese Einwendungen schon in anderen Verfahren vorgebracht wurden, kann auf die Erk BFG 27. Februar 2015, RV/5200055/2012, S 9; BFG 10. März 2015, RV/5200057/2012, S 11; BFG 24. Juli 2015, RV/5200056/2012, S 10, verwiesen werden, worin das Gericht ausführte: Die Waren „sind durch ihre Anmeldung zur Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr bei der Zollstelle … (des Zollamtes Feldkirch Wolfurt) in das Inland eingeführt worden. Der Tatbestand der Einfuhr im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 zweiter Satz UStG 1994 ist daher ohne Zweifel erfüllt. Ob ein Gegenstand der Einfuhr nun zur Durchfuhr bestimmt ist oder später wieder ausgeführt werden soll bzw. ob er in der Folge in Österreich in den Wirtschaftskreislauf gebracht wird, ist ohne Bedeutung (vgl Ruppe/Achatz, UStG4, § 1 Tz 442 mwN). Die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen zu Art (Anm. richtig: „§“) 71a ZollR-DG gehen daher ins Leere.
Soweit die Bf eine Vorsteuerabzugsberechtigung für sich als Speditionsunternehmen beansprucht, ist darauf zu verweisen, dass Gegenstand des Verfahrens nicht der Vorsteuerabzug, sondern die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art 6 Abs 3 UStG 1994 ist. Im Übrigen ist nach § 72a ZollR-DG die Einfuhrumsatzsteuer davon unabhängig jedenfalls zu erheben, wenn eine Ware, die nicht von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist, unversteuert in den freien Verkehr überführt worden ist“ (ausführlicher weiters: BFG 16. Juli 2015, RV/5200073/2011, S 34f; ebenfalls zu Handen des Parteienvertreters ergangen).
Die Vorschreibung des Zollamts kann sich gar nicht, wie die Bf vermeint, auf Art 17 der 6. MwSt-RL stützen, da dieser die Überschrift „Vorsteuerabzug“ trägt, sondern sie stützt sich auf Art 21 in der Fassung des Art 28g, dessen Abs (4) lautet: Bei der Einfuhr wird die Mehrwertsteuer von der Person oder den Personen geschuldet, die vom Mitgliedstaat der Einfuhr als Steuerschuldner bezeichnet oder anerkannt wird oder werden.
Was die Abgabenerhöhung gem § 108 (1) ZollR-DG (Pkt V. des Vorbringens) betrifft, trat durch die Aufhebung der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer und Zurückverweisung der Sache das Verfahren gem § 278 (2) BAO in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat. Es ist also so, als ob bislang kein Bescheid ergangen wäre. Daher war nunmehr aufgrund gesetzlicher Anordnung neben der Einfuhrumsatzsteuer auch die Abgabenerhöhung vorzuschreiben (vgl VwGH 28 März 2014, 2012/16/0009 und 0010, sowie Folge-Erk BFG 21. Mai 2014, RV/5200036/2014 und RV/5200037/2014).
Was deren Bemessung betrifft, vermag die Zollbehörde kein - wie vom Gesetz gefordert - eigenes überwiegendes Verschulden zu erblicken. Wäre das Bundesfinanzgericht nämlich gem § 269 (2) BAO statt nach § 278 (1) BAO (vgl hiezu: VwGH 9. September 2015, Ra 2015/16/0037) vorgegangen, wäre die Entscheidung vom 30. November 2012 über die Aufhebung der Abgabenerhöhung weiterhin wirksam geblieben."
Mit Eingabe vom 18.3.2016 beantragte die Bf. die Vorlage an das Bundesfinanzgericht und führte im Wesentlichen aus, dass das Zollamt Feldkirch Wolfurt nur wenige Wochen nach Aufhebung des Abgabenbescheides neuerlich einen Abgabenbescheid erlassen habe, in dem wiederum lediglich auf Ausführungen des Zollfahndungsamtes Stuttgart, Radolfszell, verwiesen werde.
Trotz langjähriger Ermittlungen der deutschen Staatsanwaltschaft gebe es auch dort keine Anklage gegen A., auch nicht in Italien. Sowohl die deutsche UID.Nr. des A. als auch die der Fa. B. seien nach wie vor aufrecht. Strafrechtliche Ermittlungen der portugiesischen Behörden gegen die Fa. B. gebe es ebenfalls bis heute nicht. Weder die deutschen noch die portugiesischen Behörden sehen Anhaltspunkte dafür, die UID Nr. zu entziehen, und dies obwohl bereits seit mehr als 15 Jahren Ermittlungen geführt wurden. Das Zollamt gehe von nicht belegten, generalisierenden Ausführungen, dass es sich "generell um missing Trader oder Buffer, die mit falschen Rechnungen arbeiten aus, ohne dafür haltbare Beweise vorzulegen.
Es liege auch kein Sorgfaltsverstoß der Bf. vor. Die Vertrauensschutzregelung sei anzuwenden.
In der mündlichen Verhandlung am 30.10.2019 legte der Vertreter des Zollamtes die ergänzende Antwort der Portugiesischen Behörden vom 17.2.2017 vor. Die Einschätzung, bei der B. Lda könnte es sich möglicher Weise um eine "conduit" Gesellschaft handeln, erschließe sich den Behörden aus internen Analysen und der Art der Transaktionen, für die es von anderen Mitgliedstaaten Anfragen gegeben habe (the qualification as "strong suspicions that B. could be a conduit" derives from the internal Analysis and type of Transactions to which Information was requested by other Member States).
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt:
Am 15. und 19. Mai 2006 beantragte die Bf., ein in der Schweiz ansässiges Speditionsunternehmen, unter Verwendung ihrer in Österreich erteilten Sonder UID Nr. Zahl** als indirekte Vertreterin der X. SA, AdrX, die Überführung von Mobiltelefonen in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42). Die Zollanmeldungen wurden wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zunächst nicht festgesetzt.
Als Versender/Ausführer (Feld 2) wurde jeweils die Fa. X. SA, AdrX, und als Warenempfänger ebenfalls die X. SA, AdrX, jedoch mit ihrer in Deutschland erteilten UID Nr. Zahl*** erklärt. Aufgrund der Rechnungsangaben sollten die Waren nicht nach Deutschland sondern zur Verfügung der B. Lda bei der Spedition C. in Italien verbracht werden. Als Bestimmungsland (Feld 17) wurde Portugal (PT) angegeben.
Es wurden CMR Frachtbriefe vom 15.5.2006 und 19.5.2006 vorgelegt, jedoch ohne Unterschrift des Versenders, jener vom 15.5.2006 weist eine Unterschrift (vermutlich des Fahrers) auf.
Wie sich aus dem von den Schweizer Behörden übermittelten E-Mailverkehr zwischen A. und der Fa. B. ergibt, hat die Spedition C. die Waren auch nicht erhalten. Allerdings bestätigt die Fa. B. mit Schreiben vom 20.9.2010, dass die Waren bei der Spedition abgeliefert worden sein sollen und sie dort erhalten zu haben. Der tatsächliche Verbleib der Waren ist nicht geklärt.
Die A. SA hat unter ihrer deutschen UID-Nr. Zusammenfassende Meldungen betreffend innergemeinschaftliche Lieferungen an die B. Lda erklärt.
Rechtliche Erwägungen:
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 sieht die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für die Einfuhr von Gegenständen vor, die vom Anmelder im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer (steuerfreien) innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet werden, wobei die Befreiung nur anzuwenden ist, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, anschließend die innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.
Die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer setzt somit voraus, dass auf die Einfuhr eine innergemeinschaftliche Lieferung folgt, die gemäß Art. 7 Abs. 1 UStG 1994 steuerfrei ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung eines Gegenstands nur dann anwendbar, wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist, wenn der Lieferer nachweist, dass der fragliche Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und wenn der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat (vgl. EuGH 27.9.2007, "Teleos u.a." Rs C-409/04 , EU:C:2007:548, Rn. 42; EuGH 6.9.2012, "Mecsek-Gabona", Rs C-273/11 , EU:C:2012:547, Rn. 31; EuGH 9.10.2014, "Traum", Rs C-492/13 , EU:C:2014:2267, Rn. 24; EuGH 20.06.2018, "Enteco Baltic", Rs C-108/17 , EU:C:2018:473, Rn 66).
Die von der Beschwerde umfassten Einfuhren erfolgten am 15. und 19.5.2006, die Mitteilung der Einfuhrumsatzsteuerschuld erging mit Bescheid vom 9.10.2015. Es ist daher zunächst die Frage zu prüfen, ob die Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer im Hinblick auf die Verjährungsbestimmungen zu diesem Zeitpunkt noch erfolgen durfte.
Bei den in Art. 221 Abs. 3 und 4 ZK vorgesehenen Verjährungsfristen handelt es sich um materiellrechtliche Vorschriften (vgl. EuGH 23.2.2006, Rs. C-201/04 , EU:C:2006:136, "Molenbergnatie NV"; in diesem Sinne VwGH 28.06.2012, 2009/16/0076). Daraus folgt, dass eine Zollschuld den zum Zeitpunkt ihrer Entstehung geltenden Verjährungsregeln unterliegt, selbst wenn das Verfahren zur Erhebung der Schuld erst nach dem Inkrafttreten anderer oder geänderter Verjährungsregeln eingeleitet wurde.
Mit Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Frist von drei Jahren verjährt, vorbehaltlich der in Abs. 4 vorgesehenen Ausnahme, der Anspruch auf Entrichtung der Zollschuld. Gemäß § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 sind die Verjährungsregeln des Zollkodex auch auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.
Das bedeutet, dass im Falle des Nichterfüllens der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, die Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 204 Abs. 2 ZK jeweils im Zeitpunkt der Überführung in das Zollverfahren entstanden wäre und die Verjährungsfristen zu diesen Zeitpunkten zu laufen begonnen hätten.
Die Mitteilung über die buchmäßige Erfassung der auf die einzelnen Einfuhren entfallende Einfuhrumsatzsteuer wurde daher verfahrensgegenständlich nach Ablauf der in Art. 221 Abs. 3 ZK vorgesehenen Dreijahresfrist erlassen.
Art. 221 Abs. 4 ZK iVm § 74 Abs. 3 ZollR-DG sieht eine zehnjährige Verjährungsfrist vor, wenn eine Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben vorliegt und im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Liegt eine finanzstrafrechtliche Verurteilung nicht vor, hat die Abgabenbehörde über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden (vgl. VwGH 22.2.2012, 2009/16/0032, mwN).
Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus; die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen (vgl. VwGH 26.2.2015, 2011/15/0121; VwGH 28.6.2012, 2009/16/0076; VwGH 22.2.2012, 2009/16/0032, mwN; VwGH 23.2.2010, 2007/15/0292).
Eine Abgabenhinterziehung erfordert nach § 33 Abs. 1 FinStrG vorsätzliches Handeln und liegt daher nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vor, sondern kann erst dann als erwiesen gelten, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln wiederum beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl. VwGH 26.2.2015, 2011/15/0121, mwN; VwGH 28.6.2012, 2009/16/0076; VwGH 22.2.2012, 2009/16/0032, mwN; VwGH 23.2.2010, 2007/15/0292, mwN).
Die Feststellung der strafbaren Handlung obliegt den Zollbehörden. Es ist insoweit weder die Einleitung eines Strafverfahrens noch eine Verurteilung erforderlich (vgl. EuGH 18.12.2007, "ZF Zefeser" Rs. C-62/06 , EU:C:2007:811 Rn 25f). Die strafbare Handlung muss auch nicht von der zur Zahlung in Anspruch genommenen Person begangen worden sein (vgl. VwGH 16.12.2004, 2004/16/0146).
Der Hinweis des Zollamtes auf den Ermittlungsbericht des Zollfahndungsamtes Stuttgart/Radolfszell, zu hier nicht verfahrensgegenständlichen Einfuhren, genügt jedenfalls nicht, um in den zu beurteilenden Fällen von einem vorsätzlichen Handeln in Bezug auf die Hinterziehung von Einfuhrumsatzsteuer durch die verantwortlich handelnden Personen der A. SA auszugehen.
Im Übrigen hat der Ermittlungsbericht auch in Deutschland nicht zu einer Verurteilung des A. wegen Umsatzsteuerhinterziehung geführt. Die Staatsanwaltschaft Mannheim hat von der Verfolgung der dem Beschuldigten A. zur Last liegenden Vergehen der Steuerhinterziehung mit Zustimmung des Landgerichts - Große Wirtschaftsstrafkammer Mannheim - mit Verfügung vom 24.6.2016 nach Maßgabe von § 153a Abs. 1 Nr. 1 StPO vorläufig (unter Festsetzung eines Betrages von € 500.000,00 sowie eines Sicherungsbetrages für die eventuell vorzuschreibenden Steueransprüche) abgesehen.
Entgegen der Ansicht des Zollamtes wurde mit der Einstellungsverfügung keine Schuld festgestellt, auch keine geringe, denn als schuldig gilt nur, wessen Schuld nach Durchführung eines rechtsstaatlichen, gerichtlichen Verfahrens festgestellt wird. Die Auflage, einen Geldbetrag zu zahlen, ist daher auch keine Bestrafung, die Zustimmung (zur Zahlung) ist kein Geständnis. Für A. gilt weiterhin die Unschuldsvermutung. Im Übrigen waren die hier verfahrensgegenständlichen Einfuhren ohnehin nicht erfasst.
Das Zollamt Feldkirch Wolfurt hat selbst keine Ermittlungen hinsichtlich A. getätigt, obwohl bereits im Beschluss des BFG vom 21.5.2015 darauf hingewiesen wurde, dass die bloße Übernahme der Ermittlungsergebnisse der deutschen Zollbehörden, die sich auch nicht auf die verfahrensgegenständlichen Einfuhren bezogen haben, für sich alleine für den Nachweis der Hinterziehungsabsicht nicht ausreichen.
Feststellungen dahingehend, A. sei wissen- und willentlich an Steuerhinterziehungen der Erwerber beteiligt gewesen, liegen nicht vor.
Die Verwendung der deutschen UID-Nr. der A. SA, obwohl die Waren nach Italien geliefert werden sollten, entsprach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Verwaltungspraxis und vermag für sich allein das Vorliegen vorsätzlichen Handelns nicht nachzuweisen.
Bezüglich der B. hat das Zollamt mehrere Amtshilfeersuchen an die portugiesischen Behörden gestellt. Auch deren UST-IDNr. ist nach wie vor aufrecht. Das Zollamt hat mit Anfrage vom 9.7.2015 die Portugiesischen Behörden um ergänzende Begründung ihrer früheren Mitteilung, wonach es sich bei der B. möglicher Weise um eine "Conduit Gesellschaft handle, ersucht. Portugal teilte mit Schreiben vom 17.2.2017 mit, ihre Einschätzung, es handle sich möglicher Weise um eine "Conduit" erschließe sich aus internen Analysen und der Art der Transaktionen, für die es von anderen Mitgliedsstaaten Anfragen gegeben habe (the qualification as "strong suspicions that B. could be a conduit" derives from the internal Analysis and type of Transactions to which information was requested by other Member States).
Damit ist aber keinesfalls eindeutig und nachprüfbar festgestellt worden, bei der B. SA handle es sich tatsächlich um eine conduit Gesellschaft und dies der A. SA bekannt war. Die B. LDA hat ebenfalls innergemeinschaftliche Erwerbe gegenüber den Steuerbehörden erklärt. Die Vermutung, dass es sich bei der B. Lda um eine "conduit" handelte besagt außerdem noch nicht, dass die A. SA an einer Steuerhinterziehung beteiligt war.
Mangels gegenteiliger Feststellungen des Zollamtes ist die vorsätzliche Beteiligung des Importeurs an der allfälligen Steuerhinterziehung der Erwerber im Bestimmungsmitgliedsstaat nicht eindeutig und nachprüfbar nachgewiesen. Fehlende bzw. mangelhafte Belegnachweise (CMR Frachtbriefe ohne Übernahmebestätigung bzw. nicht erkennbaren Unterschriften) für sich allein reichen für den Nachweis einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung nicht aus.
Dass sich die B. LDA die Waren zur Spedition C. in Italien verbringen hat lassen und in weiterer Folge an (wiederum nur) möglicher Weise im Verdacht des Karussellbetrugs stehenden Firmen (die Ermittlungen der italienischen Finanzbehörden hiezu sind nicht aufschlussreich und beziehen sich zum Großteil nicht auf das Jahr 2006) weiterverkauft hat, führt, wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 14.2.2019, C-531/17 , festgestellt hat, dann nicht zur Versagung der Einfuhrumsatzsteuerbefreiung, wenn der Empfänger, der im Anschluss an die Einfuhr erfolgenden innergemeinschaftlichen Verbringung bei einem späteren Umsatz, der mit der Verbringung in keinem Zusammenhang steht, eine Steuerhinterziehung begeht.
Objektive Nachweise dass die A. SA hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Lieferungen in Karussellbetrügereien verwickelt war wurden vom Zollamt nicht festgestellt und ergeben sich auch nicht aus dem vorgelegten Akt.
Der angefochtene Bescheid war wegen eingetretener Verjährung aufzuheben.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Vorliegen des im Beschwerdefall strittigen vorsätzlichen Verhaltens wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in freier Beweiswürdigung beurteilt; derartige nicht über den Einzelfall bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen sind einer (ordentlichen) Revision grundsätzlich nicht zugänglich.
Salzburg-Aigen, am 17. Dezember 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994 |
Verweise: | VwGH 26.02.2015, 2011/15/0121 |