Fehlender Wiederaufnahmsgrund ist im Beschwerdeverfahren nicht sanierbar
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2018:RV.7102639.2013
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R in der Berufungssache des Berufungswerbers B, vertreten durch BKS Steuerberatungs GmbH, Untere Hauptstraße 10, 3150 Wilhelmsburg, diese vertreten durch Mag. Werner Steinwendner, über die Berufung vom 05.10.2013 idF des Ergänzungsschriftsatzes vom 5.7.2018 gegen die Bescheide der belangten Behörde FA Amstetten Melk Scheibbs vom 24.09.2013, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens Einkommensteuer für das Jahr 2010 und Einkommensteuer für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben.
II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Fraglich ist, ob die belangte Behörde zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid die Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 2010 verfügen und den neuen Sachbescheid erlassen durfte.
Der steuerlich vertretene Berufungswerber (Bw) vertritt dazu mit dem Berufungsschriftsatz zunächst die Rechtsauffassung, dass die belangte Behörde mit dem gescheiterten Aufhebungsverfahren ihre Verfahrenstitel zur Bescheid(ab)änderung verwirkt habe, alternativ weil sich aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergebe, dass eine Abgabennachforderung von EUR 364,00 nur geringfügig sei, wobei eine solche Rechtsprechung nicht angeführt wird. Da beide Bescheide zu Unrecht erlassen worden seien, werden deren Aufhebung beantragt. Darüber hinaus wurde für den Fall der Nichtstattgebung durch die belBeh die Anträge
- auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde II. Instanz
- auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat sowie
- auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.
Die vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erhobene Berufung wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung mit Vorlagebericht vom 16.10.2013 vorgelegt, mit dem die belBeh dem Berufungsvorbringen entgegenhält, dass zum einen die Rechtsanschauung keine Deckung im Gesetz finde und zum anderen, dass der nachgeforderte Abgabenbetrag weder absolut noch relativ als geringfügig anzusehen sei. Weiters lägen den angefochtenen Bescheiden das Ergebnis einer Prüfung zu Grunde, ohne jedoch dieses zu schildern. Abschließend wird die Ansicht vertreten, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag nicht zustehe.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018 wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Senatszuständigkeit zurückgezogen und ein weiterer, alternativer Berufungsgrund ins Treffen geführt. Die Begründung im Wiederaufnahmsbescheid sei standardisiert erfolgt. Der Wiederaufnahmsbescheid enthalte daher keine Begründung, der der ständigen Rechtsprechung des BFG und des VwGH entspreche.
Über die als Bescheidbeschwerde zu erledigende Berufung wurde erwogen
Rechtslage ab 2014:
Gemäß § 323 Abs 38 BAO sind die am 31. Dezember 2013 bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner 2014 auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht. Die Ausfertigung von noch vor dem 1. Jänner 2014 verkündeten Rechtsmittelentscheidungen hat jedoch noch im Namen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz nach den zum 31. Dezember 2013 geltenden Verfahrensbestimmungen zu erfolgen. Nach dem 31. Dezember 2013 wirksam werdende Erledigungen des unabhängigen Finanzsenates als Abgabenbehörde zweiter Instanz gelten als Erledigungen des Bundesfinanzgerichtes. Gegenständliche Berufung fällt unter leg. cit. und ist daher als Bescheidbeschwerde zu erledigen.
Rechtzeitigkeit und Begründetheit der Berufung
Die angefochtenen Bescheide wurden gemeinsam am 24.09.2013 ausgefertigt und elektronisch am 25.09.2013 in der Databox zugestellt. Die Berufung wurde am 5.10.2013 per Fax bei der belBeh eingebracht und ist daher jedenfalls fristgerecht.
Der ebenfalls per Fax eingebrachte Schriftsatz vom 5.7.2018 ist ein Ergänzungsschriftsatz, sodass die Berufung in der Fassung dieses Schriftsatzes zu erledigen ist.
Infolge Zurücknahme der Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie auf Senatszuständigkeit hat die Erledigung der Berufung durch den Einzelrichter zu erfolgen.
Die form- und fristgerechte Berufung ist auch begründet.
Rechtslage
§ 114 Abs 1 Bundesabgabenordnung, idF BGBl I 32/2018 (BAO) lautet:
Die Abgabenbehörden haben darauf zu achten, daß alle Abgabepflichtigen nach den Abgabenvorschriften erfaßt und gleichmäßig behandelt werden, sowie darüber zu wachen, daß Abgabeneinnahmen nicht zu Unrecht verkürzt werden. Sie haben alles, was für die Bemessung der Abgaben wichtig ist, sorgfältig zu erheben und die Nachrichten darüber zu sammeln, fortlaufend zu ergänzen und auszutauschen.
§ 303 Bundesabgabenordnung, in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl I 97/2002 (BAO), bestimmte auszugsweise:
(1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und
...
b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, ...
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
...
(4) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
§ 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 - Einkommenstueergesetz 1988 - idF BGBl I 135/2009 sieht vor:
Alleinverdienenden steht ein Alleinverdienerabsetzbetrag zu. Dieser beträgt jährlich
- ohne Kind 364 Euro,
- bei einem Kind (§ 106 Abs. 1) 494 Euro,
- bei zwei Kindern (§ 106 Abs. 1) 669 Euro.
Dieser Betrag erhöht sich für das dritte und jedes weitere Kind (§ 106 Abs. 1) um jeweils 220 Euro jährlich. Alleinverdienende sind Steuerpflichtige, die mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragene Partner sind und von ihren unbeschränkt steuerpflichtigen Ehegatten oder eingetragenen Partnern nicht dauernd getrennt leben. Für Steuerpflichtige im Sinne des § 1 Abs. 4 ist die unbeschränkte Steuerpflicht des Ehegatten oder eingetragenen Partners nicht erforderlich. Alleinverdienende sind auch Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1), die mehr als sechs Monate mit einer unbeschränkt steuerpflichtigen Person in einer Lebensgemeinschaft leben. Voraussetzung ist, dass der (Ehe-) Partner (§ 106 Abs. 3) bei mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) Einkünfte von höchstens 6 000 Euro jährlich, sonst Einkünfte von höchstens 2 200 Euro jährlich erzielt. Die nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a, weiters nach § 3 Abs. 1 Z 10, 11 und 32 und auf Grund zwischenstaatlicher oder anderer völkerrechtlicher Vereinbarungen steuerfreien Einkünfte sind in diese Grenzen mit einzubeziehen. Andere steuerfreie Einkünfte sind nicht zu berücksichtigen. Der Alleinverdienerabsetzbetrag steht nur einem der (Ehe-)Partner zu. Erfüllen beide (Ehe-)Partner die Voraussetzungen im Sinne der vorstehenden Sätze, hat jener (Ehe-)Partner Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag, der die höheren Einkünfte im Sinne der Z 1 erzielt. Haben beide (Ehe-)Partner keine oder gleich hohe Einkünfte im Sinne der Z 1, steht der Absetzbetrag dem haushaltsführenden (Ehe-)Partner zu.
Als rechtserheblicher Sachverhalt ist die Ausgestaltung der Begründungen der angefochtenen Bescheide festzustellen:
Begründung des Wiederaufnahmsbescheides vom 24.09.2013:
" Die Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte gem. § 303 (4) BAO, weil Tatsachen und Beweismittel neu hervorgekommen sind, die im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht worden sind und die Kenntnis dieser Umstande allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigef ü hrt hatte. Die Wiederaufnahme wurde unter Abw ä gung von Billigkeits- und Zweckm äß igkeitsgr ü nden ( § 20 BAO) verfugt. Im vorliegenden Fall ü berwiegt das Interesse der Beh ö rde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbest ä ndigkeit, und die Auswirkungen k ö nnen nicht als geringf ü gig angesehen werden."
Der neu erlassene Einkommensteuerbescheid vom 24.09.2013 enthält gar keine Begründung, lediglich einen Hinweis auf die Rechtsfolge bei gleichzeitigen Bezügen mehrerer auszahlender Stellen. Aus dem Bescheid ist nur erkennbar, dass der Alleinverdienerabsetzbetrag bei der Steuerberechnung nicht mehr abgezogen wurde.
Rechtliche Beurteilung:
Der Berufungsschriftssatz in seiner Fassung vom 5.7.2018 führt folgende drei alternative Gründe ins Treffen:
1) Verwirkung der Verfahrenstitel durch die Abgabenbehörde
Die vorangegangene Bescheidaufhebung war außerhalb der Jahresfrist des § 302 Abs 2 lit b BAO verfügt worden, weshalb die Bescheide mit Berufungsvorentscheidung vom 14.08.2013 aufgehoben wurden. Die in der Berufung vertretene Rechtsansicht, durch den unzulässigen Gebrauch des § 299 BAO habe die Abgabenbehörde eine weitere Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2010 verwirkt, weil die Abgabenbehörde nicht den nächsten Verfahrenstitel verwenden könne, weil dies im Extremfall bedeuten würde, dass ab § 293 ff BAO alle Paragrafen seitens der Abgabenbehörde verwendet werden könnten, bis schlussendlich der "richtige" Paragraf zur Anwendung gelange, findet in der Bundesabgabenordnung keine Deckung. Auch die Berufung erschöpft sich diesbezüglich in einem bloßen Vorwurf, ohne dazu rechtliche Überlegungen anzustellen und diese Rechtsansicht nach dogmatischen Grundsätzen vom geltenden Recht abzuleiten.
Die Zweckmäßigkeit einer erfolgten Berichtigung ergibt sich aus dem Ziel der gesetzlichen Norm, wobei im Hinblick auf die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu § 299 und § 303 BAO dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen ist. Ist in der Berufung die Ermessensübung nicht bekämpft worden, so ist die fehlende ausdrückliche Begründung der Ermessensübung kein wesentlicher Verfahrensmangel, weil angesichts der für die Berichtigung schon wegen des Gebotes der Gleichbehandlung aller Abgabepflichtigen iSd § 114 BAO sprechenden Gründe nicht gefunden werden kann, daß die AbgBeh bei Vermeidung des Begründungsmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Ziel des § 293b BAO ist die Herbeiführung eines der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechenden Ergebnisses ist (VwGH 07.08.1992, 91/14/0150).
Zur Realisierung des Grundsatzes der Gleichmäßigkeit der Besteuerung oder zur Erreichung der Rechtsrichtigkeit sind daher auch wiederholte Berichtigungen zulässig. Im Extremfall bedeutet das tatsächlich, dass ab § 293ff BAO grundsätzlich alle Paragrafen seitens der Abgabenbehörde verwendet werden können, bis schlussendlich der "richtige" Paragraf zur Anwendung gelangt.
Da dieser Einwand der Berufung nicht zum Erfolg verhilft, ist der nächste Alternativgrund zu prüfen.
2) Geringfügigkeit des nachgeforderten Abgabenbetrags von EUR 364,00
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist Geringfügigkeit dann gegeben, wenn die betragliche Änderung in der Abgabenhöhe weder absolut noch relativ gering ist (vgl stellvertretend für viele VwGH 26.02.2013, 2009/15/0016). Da beide Merkmale kumulativ erfüllt sein müssen, ist es nicht ausreichend, wenn bloß eines erfüllt.
Der Begriff "relativ" verlangt das In-Beziehung-Setzen zu einer anderen Größe, z.B. je nach Einzelfall zum Abgabenbetrag an sich, zur Bemessungsgrundlage, zum Gewinn oder zur Höhe der Betriebsausgaben. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von EUR 26.429,91 und einer festgesetzten Einkommensteuer von EUR 5.292,92 ist der Nachforderungsbetrag von EUR 364,00 weder als absolut noch als relativ gering anzusehen.
Bei der Ermessensübung ist weiters das steuerliche Verhalten des Abgabepflichtigen zu berücksichtigen. Die Einsichtnahme durch das BFG in die elektronischen Abgabenakten des Bw und seiner Arbeitgeberin, die auch seine Ehefrau ist, hat ergeben, dass für das Streitjahr 2010 beide Eheleute von demselben Parteienvertreter vertreten wurden. Die Gattin hatte im Vorjahr 2009 einen Verlust aus Gewerbetrieb erzielt. Im Streitjahr erwirtschaftete die Ehefrau einen Gewinn von EUR 6.902,03, der zugleich den Gesamtbetrag der Einkünfte bildetet, und erst nach Verlustabzug und Abzug anderer Sonderausgaben ergab sich ein Einkommen von unter EUR 1.000,00. Der Einkommensteuerbescheid 2010 erwuchs unangefochten in Rechtskraft. Sie reichte ihre Steuererklärung 2010 elektronisch am 28.01.2012, der Bw hingegen vor ihr, nämlich am 24.10.2011 ein. Aufgrund des Vorjahresverlustes seiner Gattin mag die Berechtigung des Bw auf den Alleinverdienerabsetzbetrages zwar wahrscheinlich gewesen sein, Gewissheit konnte der Bw jedoch keinesfalls haben. Mit Fertigstellung der Gewinnermittlung bei der Ehefrau bestand für ihn jedenfalls die Verpflichtung, den Umstand, dass seine Ehefrau die maßgeblich Grenze des § 33 Abs 4 Z 1 EStG 1988 überschritten hatte, der belBeh anzuzeigen. Da beide Personen denselben steuerlichen Vertreter haben, waren die Fakten der Ehefrau automatisch auch beim Bw bekannt. Dieses als steuerunredlich anzusehende Verhalten beeinflusst die Ermessensübung zu Lasten des Bw. Die erstmalige individuelle Ausübung des Ermessens nach den konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls ist im Berufungs-/Beschwerdeverfahren zulässig und stellt kein Nachschieben des Wiederaufnahmsgrundes dar. Dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit wäre im konkreten Fall jedenfalls der Vorzug einzuräumen.
Die Ermessensübung ist bei der Wiederaufnahme jedoch erst der zweite Schritt, die erst dann Platz greift, wenn der zutreffende Wiederaufnahmgsgrund - vorzugsweise - im Wiederaufnahmsbescheid angeführt ist.
3) Fehlen des Wiederaufnahmsgrundes
Im Ergänzungsschriftsatz wird ins Treffen geführt, dass die Abgabenbehörde nicht angeführt habe, ob Tatsachen ODER Beweismittel bzw welchen konkreten Tatsachen ODER Beweismittel neu hervorgekommen sind.
Dieser Einwand ist berechtigt.
Da die Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit die hier maßgeblichen Bestimmungen §§ 289 und 303 BAO zum von der Abgabenbehörde herangezogenen Wiederaufnahmsgrundes nicht geändert hat, kann die zur vorangegangenen Rechtslage ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs herangezogen werden.
Nach der stRsp des VwGH (Vgl VwGH 20.7.1999, 97/13/0131; VwGH 30.11.1999, 94/14/0124) berechtigt die Bestimmung des § 289 Abs 1 BAO (nunmehr: § 279 ABs 1 BAO) die Abgabenbehörde zweiter Instanz (nunmehr: das Bundesfinanzgericht) nicht dazu, den vom Finanzamt herangezogenen Wiederaufnahmsgrund durch einen anderen - ihrer Meinung nach zutreffenden - zu ersetzen. Aufgabe der Berufungsbehörde bei Entscheidung über ein Rechtsmittel gegen die amtswegige Wiederaufnahme durch das Finanzamt ist es daher zu prüfen, ob dieses das Verfahren aus den von ihm gebrauchten Gründen wieder aufnehmen durfte, nicht jedoch, ob die Wiederaufnahme auch aus anderen Wiederaufnahmsgründen zulässig gewesen wäre. Liegt der vom Finanzamt angenommene Wiederaufnahmsgrund nicht vor (oder hat dieses die Wiederaufnahme tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmsgrund gestützt), muss die Berufungsbehörde den vor ihr angefochtenen Wiederaufnahmebescheid des Finanzamtes ersatzlos beheben. Am Finanzamt liegt es dann, ob es etwa von der Berufungsbehörde entdeckte andere Wiederaufnahmsgründe aufgreift und zu einer (auch) neuerlichen Wiederaufnahme heranzieht.
Wie die oben dargestellten Begründungen der beiden Bescheide zeigen, verhilft auch eine Zusammenschau von den die Wiederaufnahme verfügenden Bescheid und dem neuen Sachbescheid im konkreten Fall nicht zum Erfolg für die belangte Behörde, weil auch der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 24.09.2013 einen Wiederaufnahmsgrund nicht nennt. Die belangte Behörde hat die Verfügung der Wiederaufnahme und die Erlassung des neuen Sachbescheides tatsächlich auf keinen Wiederaufnahmsgrund gestützt.
Das Berufungsvorbringen des Fehlens eines Wiederaufnahmsgrundes zeigt daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide auf. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bw zur Anzeige seiner sich als rechtlich unrichtig herausgestellten Steuererklärung verpflichtet gewesen wäre und die Gründe für die Erlassung des neuen Einkommensteuerbescheides 2010 kannte, weil die Kenntnis des Parteienvertreters dem Abgabepflichtigen zuzurechnen ist.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Darüber hinaus wird bemerkt, dass ein Vorlageantrag eine Berufungs-/Beschwerdevorentscheidung bedingt und gegenständlich daher vorzeitig und damit unzulässig gestellt wurde. Weiters ist es unzulässig, die Anträge auf Senatszuständigkeit und Mündlichkeit unter Bedingungen zu stellen.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfrage, dass ein fehlender Wiederaufnahmsgrund im Berufungs- bzw Beschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden kann, wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung beantwortet entwickelt (z.B. VwGH 20.7.1999, 97/13/0131; VwGH 30.11.1999, 94/14/0124).
Wien, am 9. Juli 2018
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 114 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 26.02.2013, 2009/15/0016 |