Qualifikation eines Antrages auf Rückzahlung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2017:RV.6100533.2010
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richter
A, B, C und D
im Beisein der Schriftführerin
E
in der Beschwerdesache
BF als Rechtsnachfolgerin der F GmbH, BFStraße, Ort,
vertreten durch
RA GmbH, RAStraße, Ort,
gegen
FA
wegen
behaupteter Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 23.07.2010, betreffend die Zurückweisung eines Antrages auf Rückzahlung
nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 12.12.2017
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO aufgehoben.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Antrag vom 15.03.2010 beantragte die beschwerdeführende KG (in der Folge BF) als Rechtsnachfolgerin der F GmbH die Rückzahlung eines Betrages von € 21.629,80.
Die BF sei aufgrund einer Umwandlung zum 28.02.2002 nach Art II UmGrStG zivilrechtlicher Gesamtrechtsnachfolger der oben erwähnten GmbH. Zum 20.03.2005 sei ein Haftungs- und Abgabenbescheid in Höhe von € 21.629,80 an die GmbH und nicht an die BF als Gesamtrechtsnachfolgerin ergangen. Dieser Bescheid, habe zudem eine rechtswidrige mehrjährige Festsetzung der KESt von 01.03.2000 bis 28.02.2002 umfasst. Dieser Bescheid sei als Nichtbescheid ins Leere gegangen.
Die BF habe daher auf das Finanzamtskonto der GmbH in den Jahren 2005 und 2006 rechtsgrundlos Zahlungen aufgrund eines Nichtbescheides in Höhe von € 21.629,80 geleistet.
Das FA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23.07.2010 zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Eingabe der BF nicht fristgerecht eingebracht worden sei. Gemäß § 241 Abs. 3 BAO seien Anträge auf Rückzahlung zu Unrecht entrichteter Beträge bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres zu stellen, das auf das Jahr folge in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet worden sei. Damit sei der verfahrensgegenständliche Antrag im Jahr 2010 – unvorgreiflich einer inhaltlichen Prüfung – jedenfalls verspätet.
Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihren ausgewiesenen Vertreter fristgerecht Berufung und führte dazu im Wesentlichen aus, dass für den gegenständlichen Antrag nicht § 241 Abs. 3 BAO (die Rückzahlung von zu Unrecht zwangsweise eingebrachten Abgaben) anzuwenden sei, sondern § 239 BAO, der die Rückzahlung von Guthaben regle.
Es könne kein Zweifel bestehen, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt sei. Nach Aufhebung des bekämpften Bescheides werde sich das FA mit der Eingabe inhaltlich auseinanderzusetzen haben und letztlich sei das entstandene Guthaben zurückzuzahlen, wobei darauf hingewiesen werde, dass dieser Anspruch gemäß § 1478 ABGB erst nach dreißig Jahren verjähre.
Die gegenständliche Berufung wurde in der Folge ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem UFS zur Entscheidung vorgelegt.
Die angeführte Berufung war bis zum 31.12.2013 nicht erledigt.
Aufgrund einer Verfügung des GV-Ausschusses des BFG vom 10.10.2017 wurde das gegenständliche Verfahren am 17.10.2017 dem nun zur Entscheidung berufenen Richter als Senatsvorsitzendem und Berichterstatter übertragen.
In der am 12.12.2017 durchgeführten mündlichen Senatsverhandlung brachten die Verfahrensparteien Folgendes vor:
Der Vertreter der BF ergänzte, dass es sich im gegenständlichen Verfahren um eine verfahrensrechtliche Frage handle. Inhaltlich werde die Bescheidqualität des KeSt-Bescheides wohl im 2. Verfahrensgang zu prüfen sein.
Der Vertreter des FA führte dazu aus, dass im Antrag der BF keine Rechtsgrundlage angeführt worden sei und die Behörde daher überprüfen habe müssen auf welche Rechtsgrundlage das Anbringen gestützt werde. Nach Ansicht der Behörde habe sich dieses Ansuchen auf § 241 Abs 3 BAO gestützt und sei daher als verspätet zurückzuweisen gewesen. Erst im Beschwerdeverfahren habe die BF ihren Antrag konkretisiert und ihren Antrag auf § 239 BAO gestützt. Nach Ansicht der Behörde sei daher der Antrag zu Recht zurückgewiesen worden. Sollte das Gericht die Meinung vertreten, dass sich die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt sei, stelle sich die Frage ob das Gericht in der Sache selbst entscheiden müsste, analog zur Zurückweisung einer Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung. Der Antrag nach 239 BAO, wie in der Berufung angeführt, gehe nach Ansicht der Behörde auch ins Leere, da zum Antragszeitpunkt kein Guthaben auf dem Konto bestanden habe.
Der Vertreter der BF replizierte darauf, dass nach seiner Ansicht weder den gesetzlichen Bestimmungen noch der Judikatur eine Verpflichtung zu entnehmen sei den Antrag auf eine bestimmte gesetzliche Bestimmung zu stützen, wenn und soweit der entscheidungswesentliche Sachverhalt in ausreichender Weise dargelegt und das Rechtsschutzbegehren ausreichend konkretisiert worden sei. Die Ansicht des FA lasse sich sohin auch mit rechtsstaatlichen Überlegungen nicht in Einklang bringen. Dem Standpunkt des FA, wonach § 239 BAO deswegen keine Anwendung fände weil kein Guthaben auf dem Abgabenkonto vorhanden gewesen sei, sei entgegenzuhalten, das unstrittigerweise Zahlungen der BF ohne Rechtsgrund und ohne bescheidmäßige Festlegung erfolgt seien. Daraus ergebe sich zwingend, dass ein Guthaben bestehen müsste.
Das BFG hat dazu erwogen:
Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die beim UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen … vom BFG als Beschwerden im Sinne des Art 130 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit 1. Jänner 2014 gegenüber dem Bundesfinanzgericht.
Das Bundesfinanzgericht ist somit seit 01.01.2014 zur Entscheidung über die im Verfahrensgang angeführte Berufung als Beschwerde zuständig.
Gemäß § 9 Abs. 9 BFGG kann d er Geschäftsverteilungsausschuss einer Einzelrichterin oder einem Einzelrichter oder einem Senat eine ihr oder ihm zufallende Rechtssache durch Verfügung abnehmen, wenn die Einzelrichterin oder der Einzelrichter oder der Senat verhindert oder wegen des Umfangs ihrer oder seiner Aufgaben an deren Erledigung innerhalb einer angemessenen Frist gehindert ist.
Der erkennende Senat ist daher seit 17.10.2017 für die Entscheidung dieser Rechtssache zuständig.
Der Senat legt seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zu Grunde, der sich aus dem Vorbringen der Parteien, den vorgelegten Verwaltungsakten und den im Folgenden dargestellten weiteren Beweismitteln ergibt. Dieser Sachverhalt ist von den Parteien des Verfahrens unbestritten.
Die beschwerdeführende KG (BF) ist aufgrund eines Generalversammlungsbeschlusses sowie eines Umwandlungsplanes vom 26.11.2002 Gesamtrechtsnachfolgerin der F GmbH. Dies ergibt sich aus dem Firmenbuch zu FN G.
Im Jahr 2005 kam es zu einer abgabenbehördlichen Überprüfung dieser Umwandlung nach Art II UmGrStG. Mit Haftungs- und Abgabenbescheid vom 18.03.2005 schrieb das FA der F GmbH für „den Prüfungszeitraum 01.03.2000 bis 28.02.2002“ Kapitalertragsteuer in Höhe von € 21.629,80 vor. Dies ergibt sich aus den Verwaltungsakten.
Die BF leistete in den Jahren 2005 und 2006 in monatlichen Tranchen Einzahlungen in Höhe von € 21.629,80 auf das Abgabenkonto der F GmbH. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der BF sowie den Datenbanken der Finanzverwaltung
Strittig ist in dem nun vom BFG zu beurteilenden Fall zunächst, ob der der Beschwerde zugrundeliegende Antrag unter § 239 BAO oder § 241 BAO zu subsummieren ist.
Aus dem Vorbringen der BF ergibt sich, dass sie die Ansicht vertritt, dass die von ihr geleisteten Zahlungen auf das Abgabenkonto der F GmbH rechtsgrundlos erfolgt seien. Auch ohne nähere Befassung mit dem Prüfungsverfahren, das der Erledigung des FA vom 25.03.2005 vorangegangen ist, ergibt sich aufgrund der Umwandlung der GmbH in eine KG nach Art II UmgStG zum 28.02.2002 und der Vorschreibung der KESt „für den Prüfungszeitraum 01.03.2000 bis 28.02.2002“, dass die von der BF vertretene Rechtsansicht eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich hat und die vom FA als Bescheid intendierte Erledigung vom 25.03.2005 dementsprechend keine Rechtswirksamkeit entfalten würde. Damit wären die Zahlungen der BF auf das Abgabenkonto der GmbH rechtsgrundlos erfolgt.
Durch die Verbuchung der als Bescheid intendierten Erledigung des FA vom 25.03.2005 als KESt Bescheid ist durch die in der Folge geleisteten Zahlungen der BF kein Guthaben auf dem in Frage stehenden Abgabenkonto entstanden, vielmehr wurde buchungstechnisch lediglich eine Verbindlichkeit auf diesem Konto begeglichen.
Das FA interpretierte nun den Antrag der BF auf Rückzahlung der nach ihrer Sicht rechtsgrundlosen Zahlungen, der auf diesem Sachverhalt fußte, als Antrag gemäß § 241 BAO.
Gemäß § 241 Abs. 1 BAO ist - wenn eine Abgabe zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurde - der zu Unrecht entrichtete Betrag über Antrag zurückzuzahlen.
Gemäß § 241 Abs. 3 BAO können Anträge nach Abs. 1 … bis zum Ablauf des dritten Kalenderjahres gestellt werden, das auf das Jahr folgt, in dem der Betrag zu Unrecht entrichtet wurde.
Unabhängig davon, dass der BF darin zuzustimmen ist, dass ihr Antrag ausreichend konkretisiert war, hat die BF spätestens in ihrer Berufung ausdrücklich dargetan, dass sie ihren Antrag auf Rückzahlung eines Abgabenguthabens auf § 239 BAO stütze und nicht auf § 241 BAO.
Das FA hat zwar für seine Sicht, dass es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Rückzahlungsantrag nach § 241 Abs. 3 BAO handeln könnte, auf den ersten Blick eine Kommentarmeinung (Ritz BAO 5 , § 241 Tz. 1 unter Verweis auf einen BMF Erlass RAE, Tz. 1943) für sich. Nach dieser Kommentarstelle könne auch im Falle der nicht wirksamen Zustellung des Leistungsgebotes eine Einbringung der Abgabe zu Unrecht vorliegen. Damit könnten die Bestimmungen des § 241 BAO und damit auch die Fristen des § 241 Abs. 3 BAO zur Anwendung auch in derartigen Fällen zur Anwendung kommen.
Diese Rechtsmeinung des FA greift jedoch nach dem Verständnis des BFG zu kurz. Das FA unterlässt dabei die für die weitere Behandlung entscheidungswesentliche Prüfung, ob eine derartige rechtsgrundlose Zahlung auf das Abgabenkonto der Rechtsvorgängerin der BF als „zu Unrecht zwangsweise eingebrachte Abgabe“ qualifiziert werden kann.
Dazu wäre nach Sicht des BFG Voraussetzung, dass zum Zwecke der Einbringung behördliche Zwangsmaßnahmen erfolgt wären. Dies ist im gegenständlichen Fall auf Grund der Aktenlage und auch nach dem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2017 nicht der Fall gewesen. Vielmehr hat die BF die Zahlungen nach Vorschreibung durch das FA freiwillig in Raten – wenn auch wahrscheinlich ohne taugliche Rechtsgrundlage - geleistet.
Die Rechtsansicht des FA, wonach ein Antrag nach § 241 Abs. 3 BAO vorliege, ist daher nach dem Verständnis des BFG nicht zutreffend.
§ 241 BAO ist als Rechtsgrundlage für den Antrag der BF sowohl nach deren eigenem Vorbringen als auch aufgrund des festgestellten Sachverhaltes auszuschließen.
Der Bescheid mit dem das FA den im Jahr 2010 eingebrachten Antrag der BF wegen Verspätung zurückwies, ist aber ausdrücklich auf Basis dieser Rechtsvorschrift unter Bezugnahme auf die in § 241 Abs. 3 genannte Dreijahresfrist ergangen.
Damit ist dieser Zurückweisungsbescheid wegen Verspätung nach der vorliegenden Sachlage zu Unrecht ergangen. Vielmehr hätte sich das FA mit dem Vorbringen der BF, das jedenfalls auch einen Rückzahlungsantrag nach § 239 BAO enthalten hat, inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Der Vertreter des FA hat in der mündlichen Verhandlung die Ansicht vertreten, dass das BFG - sollte es zur Meinung gelangen, dass kein Antrag nach § 241 Abs. 3 BAO vorliege - im gegenständlichen Fall inhaltlich zu entscheiden hätte und hat den gegenständlichen Fall mit der Zurückweisung einer Beschwerde wegen Verspätung mit Beschwerdevorentscheidung verglichen. In einem derartigen, vom FA angesprochenen Fall der Zurückweisung einer Beschwerde liegt dem Beschwerdeverfahren aber eine - wie auch immer geartete - inhaltliche Entscheidung des FA zugrunde. "Sache" des Verfahrens ist daher in den vom FA angeführten Überlegungen zB ein Abgabenbescheid. Erst in der Beschwerdevorentscheidung kommt es zu einer formellen Erledigung (Zurückweisung) der Beschwerde. Dem FA ist darin zuzustimmen, dass ein darauf ergehender Antrag auf Vorlage der (mit BVE zurückgewiesenen) Beschwerde dazu führt, dass die Beschwerde wieder unerledigt ist und das BFG in weiterer Folge über diese Beschwerde gegen einen Abgabenbescheid zu entscheiden hat. Die Erledigung dieser Beschwerde kann dann in diesem Verfahrensgang sowohl formell (zB durch Zurückweisung) oder inhaltlich erfolgen.
Der verfahrensgegenständliche Fall unterscheidet sich aber wesentlich von der vom FA in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Zurückweisung einer Beschwerde mit Berschwerdevorentscheidung. Im gegenständlichen Fall war bereits der erstinstanzliche Bescheid des FA ein Zurückweisungsbescheid. "Sache" des gegenständlichen Verfahrens ist kein Abgabenbescheid, sondern der Zurückweisungsbescheid, in dem auf den Antrag der BF - naturgemäß - nicht eingegangen wird. Eine inhaltliche Entscheidung über diesen Antrag der BF durch das FA ist bis dato noch nicht erfolgt.
Eine erstmalige inhaltliche Überprüfung des Antrages der BF im gegenständlichen Verfahren steht aber dem BFG nicht zu. Die Änderungsbefugnis des BFG in einer Entscheidung ist durch die „Sache“ begrenzt. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides erster Instanz gebildet hat (Ritz, BAO 5 , § 279 Tz. 10 mwN).
Daher darf ein Erkenntnis des BFG zB einen Zurückweisungsbescheid nicht in ein abweisendes Erkenntnis abändern. (Ritz, BAO 5 , § 279 Tz. 11 unter Verweis auf vom 29.05.2006, Zl. 2005/17/0242)
Das BFG kann daher die im gegenständlichen Verfahren notwendige meritorische Entscheidung nach einer formellen Entscheidung des FA (Zurückweisung) nach der Rechtsprechung des VwGH nicht erstmalig erlassen. Vielmehr ist in solchen Fällen der Zurückweisungsbescheid des FA gemäß § 279 Abs. 1 BAO (ersatzlos) zu beheben, da ein verfahrensrechtlicher Bescheid (Zurückweisung eines Antrages) zu Unrecht erlassen wurde. (Ritz, BAO 5 , § 279 Tz. 5 unter Verweis auf Stoll, JBl 1982, 12)
Der diesem Verfahren zugrundeliegende Antrag der BF vom 15.10.2003 ist damit wieder unerledigt und wird daher im weiteren Verfahren vom FA einer (inhaltlichen) Erledigung zuzuführen sein.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die gegenständliche Entscheidung folgt der im Begründungsteil angeführten einheitlichen Rechtssprechung des VwGH zur Frage der "Sache" einer Beschwerde und den daraus resultierenden Grenzen der Änderungsbefungisse des BFG. Eine Revision gegen dieses Erkenntnis an den VwGH ist daher nicht zulässig.
Salzburg-Aigen, am 12. Dezember 2017