BFG RV/7103034/2017

BFGRV/7103034/201720.6.2017

Betriebserfordernis bei Umwandlung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2017:RV.7103034.2017

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R in der Beschwerdesache Bf, vertreten durch BDO Graz GmbH, Hallerschloßstraße 1, 8010 Graz , über die Beschwerde vom 08.01.2013 gegen den Bescheid des Finanzamtes FA vom 04.12.2012, betreffend Einkommensteuer 2011 zu Recht erkannt: 

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 279 BAO abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Gegen das in dieser Sache ergangene Erkenntnis vom 19.8.2015, RV/7101225/2013, wurde Amtsrevision erhoben. Mit Erkenntnis vom 31.5.2017, Ro 2016/13/0001, hat der VwGH das angefochtene BFG-Erkenntnis aufgehoben, weil die Anrechnung von Mindestkörperschaftsteuer nach Umwandlung auf eine natürliche Person bei dieser im vollen Ausmaß möglich ist und nicht nur, soweit die Mindestkörperschaftsteuer der vormaligen GmbH überschritten wird. Die weitere Ansicht der belangten Behörde, es läge im Zeitpunkt der Umwandlung kein Betrieb vor, und Art II UmgrStG sei nicht anwendbar, wurde vom VwGH nicht geteilt.

Zum weiteren Verwaltungsgeschehen wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Ausführungen im aufgehobenen Erkenntnis vom 19.8.2015, RV/7101225/2013, verwiesen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

A. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Mit Umwandlungsvertrag vom 22.9.2011 ist die GmbH auf den Bf als Hauptgesellschafter zum 31.12.2010 verschmelzend (§ 2 Abs 1 UmwG) umgewandelt worden. Das Einzelunternehmen des Bf ist am 11.10.2011 aufgrund eines Antrages vom 23.9.2011 im Firmenbuch eingetragen worden. Am 30.3.2012 ist ein Antrag auf Löschung eingebracht und das Einzelunternehmen am 5.5.2012 im Firmenbuch gelöscht worden. Den Gewerbeschein hat der Bf mit 30.4.2012 zurückgelegt.

Der Betrieb der GmbH bestand in der Unternehmensberatung auf den Gebieten Vergaberecht und Diversity. Die Beratung erfolgte durch die Mitarbeiter der GmbH und den Bf, der Gesellschafter der GmbH und bis 1.9.2010 auch deren Geschäftsführer war. Im Jahr 2011 wurde wegen des Auslaufens zweier Großprojekte der Umfang des Betriebes drastisch reduziert: Sämtliche Dienstverhältnisse wurden beendet, die Büroräumlichkeiten wurden aufgegeben und ein Großteil des Anlagevermögens veräußert. Stattdessen benutzte die GmbH Betriebsmittel der Gattin des Bf und ab Mitte 2011 auch deren im Wohnungsverband des Bf und seiner Gattin gelegenes Arbeitszimmer. Diese Betriebsausstattung wurde der GmbH unentgeltlich im Wege der Nutzungseinlage überlassen. Nach der Umwandlung führte der Bf den verminderten Betrieb als Einzelunternehmen mit unverändertem Unternehmensgegenstand fort. Die Reduzierung des Betriebsumfanges spiegelt sich auch in deutlich gesunkenen Umsätzen 2011 gegenüber den Vorjahren wieder:

Umsätze

2009

2010

2011

ohne Fördermittel

168.396,02

178.700,16

2.222,50

Förderungen

0,00

120.149,95

25.872,46

gesamt

168.396,02

298.850,11

28.094,96

Für die von der belangten Behörde angenommene Betriebseinstellung finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Nicht nur, dass die Beendigung der Großprojekte aus den Jahren 2009-2010 bis in das Jahr 2012 hineingereicht hat, gab es auch im Jahr 2011 und in der Folge Aktivitäten der GmbH bzw. des Bf, die auf Einkünfteerzielung im Bereich der einschlägigen Unternehmensberatung gerichtet waren. Es kann nicht unterstellt werden, der Betrieb der GmbH sei vor dem Umwandlungsbeschluss eingestellt worden, und der Bf hätte nach dem Umwandlungsbeschluss eine eigene Unternehmensberatung begonnen, weil es sich inhaltlich um die selbe Tätigkeit handelt (wenn auch in vermindertem Umfang) und neben eigenen Bemühungen des Bf auch die Projekte der GmbH in Rechtsnachfolge fortgesetzt bzw. abgeschlossen wurden.

 

B. In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus diesem Sachverhalt folgendes:

B.1. Anwendungsvoraussetzungen des Art II UmgrStG

Anwendungsvoraussetzung für Art II UmgrStG ist im Fall der verschmelzenden Umwandlung auf eine natürliche Person als Hauptgesellschafter, dass am Umwandlungsstichtag (31.12.2010) und am Tag des Umwandlungsbeschlusses (22.9.2011) ein Betrieb vorhanden ist (§ 7 Abs 1 Z 2 TS 1 UmgrStG).

Betrieb ist die Zusammenfassung menschlicher Arbeitskraft und sachlicher Produktionsmittel (VwGH 18.7.1995, 91/14/0217). Entscheidend ist dabei, dass die wesentlichen Betriebsgrundlagen vorhanden sind (UFS 21.7.2010, RV/0426-F/08). Der Betriebsbegriff ist tätigkeitsbezogen zu sehen (Farmer, RdW 2009/130), im Fall der Unternehmensberatung ist das fachliche Wissen, das dem Betrieb zur Verfügung steht, die wesentliche Grundlage. Dieses fachliche Wissen stand dem Betrieb der GmbH durch den Bf durchgehend zur Verfügung. Weitere für die betrieblichen Abläufe erforderliche Ausstattung wurde der GmbH ab dem Jahr 2011 zunächst durch Nutzungseinlagen zur Verfügung gestellt. Der daraus bei der GmbH entstehende Vermögensvorteil ist steuerlich allerdings unbeachtlich (Raab/Renner in Quantschnigg/Renner/Schellmann/Stöger/Vock, KStG25, § 8 Tz 44).

Es ist für § 7 Abs 1 UmgrStG nicht erforderlich, dass der Betrieb umfänglich unverändert fortbesteht. Weder ein Ruhen oder Verpachten (Stefaner in Kofler, UmgrStG², § 7 Rz 135), noch ein Mindestumfang betrieblicher Tätigkeit (Stefaner in Kofler, UmgrStG², § 7 Rz 141) ist erforderlich. Auch eine Betriebseinstellung zwischen den beiden vom Gesetz genannten Stichtagen wäre unschädlich, wenn nur an beiden Stichtagen ein Betrieb vorliegt (Stefaner, in Kofler, UmgrStG², § 7 Rz 147 mwN). Ob die 2012 erfolgte Löschung des Bf aus dem Firmenbuch und dem Gewerberegister Betriebseinstellungshandlungen sind, kann dahingestellt bleiben, denn die Einstellung der betrieblichen Tätigkeit nach dem Umwandlungsbeschluss ist unschädlich (Stefaner in Kofler, UmgrStG², § 7 Rz 150; UmgrStR 2001 Rz 457). 

Es kommt somit zur Anwendung des Art II UmgrStG. Der Bf hat insbesondere die Buchwerte der übertragenden Gesellschaft fortzuführen (§ 9 Abs 1 Z 1 UmgrStG).

 

B.2. Mindestkörperschaftsteuer

Offene Mindestkörperschaftsteuer geht auf den Bf im Ausmaß seiner Beteiligung über und ist auf seine Einkommensteuerschuld ab dem Jahr 2011 anrechenbar, weil der Betrieb Ende 2011 noch vorhanden ist (§ 9 Abs 8 UmgrStG). In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass die Löschung einer fakultativen Firmenbucheintragung und einer nicht erforderlichen Gewerberegistereintragung nicht als Betriebseinstellung gesehen werden, weil der Bf die betriebliche Tätigkeit auch nachher noch ausgeübt hat. Ob der Betrieb auch in Folgejahren noch vorhanden ist, muss im jeweiligen Jahr geprüft werden. Dabei ist zu beachten, dass das bloße Vorhandensein des Betriebes ausreicht, wodurch weder eine sinngemäße „Vergleichbarkeitsprüfung“ im Sinne des § 4 Z 1 lit c UmgrStG noch eine Zuordnung der Mindeststeuern zu allfälligen Teilbetrieben vorzunehmen ist (ErlRV zum BBG 2012, 1494 BlgNR XXIV. GP ).

Dass mit dem BBG 2012 der letzte Satz des § 9 Abs 8 UmgrStG: "§ 46 Abs 2 EStG ist nicht anzuwenden", gestrichen und erst mit dem AbgÄG 2012, BGBl I 2012/112 (klarstellend, vgl. 1960 BlgNR XXIV. GP ) wieder eingefügt wurde, ändert nichts daran, dass sich aus der Anrechnung offener Mindestkörperschaftsteuer bei natürlichen Personen keine Gutschrift ergeben kann. Diese Rechtsfolge ist bereits Ausfluss aus dem Verweis des § 9 Abs 8 UmgrStG auf § 24 Abs 4 Z 4 KStG (UFS 6.12.2012, RV/1025-L/12).

Auf den vorliegenden Fall übertragen ist eine Anrechnung von offener Mindestkörperschaftsteuer somit auf die gesamte Einkommensteuer möglich. Der verbleibende Rest an Mindeststeuer steht allenfalls in Folgejahren zur Verrechnung als Vorauszahlung zur Verfügung. Eine Gutschrift kann sich nur aus der Anrechnung anderer Vorauszahlungen (zB Lohnsteuer) ergeben.

 

B.3. Verlustvorträge

Verlustvorträge können nur nach Maßgabe des § 4 Z 1 lit a, c und d UmgrStG auf den Bf übergehen (§ 10 Z 1 lit a UmgrStG). Lit d leg.cit. ist nicht einschlägig. Lit a und c leg.cit. sind näher zu prüfen.

Nach § 4 Z 1 lit a UmgrStG gehen Verlustvorträge nur über, soweit sie dem übertragenen Betrieb zuordenbar sind und das übertragene Vermögen am Verschmelzungsstichtag tatsächlich vorhanden ist. Kleinste Betrachtungseinheit betreffend vorhandenes verlusterzeugendes Vermögen ist der Teilbetrieb (vgl. Stefaner in Kofler, UmgrStG², § 10 Rz 7 mwN). Aus dem festgestellten Sachverhalt erhellt, dass der Betrieb der GmbH übertragen wurde und am Verschmelzungsstichtag im Sinne der wesentlichen Betriebsmittel (hier: Fachwissen) vorhanden war.

Nach § 4 Z 1 lit c UmgrStG ist der Verlustabzug ausgeschlossen, wenn der Umfang des Betriebes am Umwandlungsstichtag gegenüber jenem im Zeitpunkt des Entstehens der Verluste derart vermindert ist, dass nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Vergleichbarkeit nicht mehr gegeben ist.

Umwandlungsstichtag ist der 31.12.2010. Seitens der belangten Behörde wird davon ausgegangen, dass bereits mit Übergang der Geschäftsführung an die Frau des Bf am 1.9.2010 die Betriebsauflösung begonnen habe und mit Kündigung der wesentlichen Dienstverhältnisse und Veräußerung der Betriebs- und Geschäftsausstattung zum 31.12.2010 beendet gewesen sei. Seitens des Gerichtes wird diese Betriebseinstellung verneint, auch für eine verlustvortragsvernichtende Umfangsminderung bereits zum 31.12.2010 finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar hat sich die GmbH zu diesem Tag eines Großteils ihrer Büroausstattung begeben, doch verfügte sie im Wege von Nutzungseinlagen weiterhin über hinreichende Betriebsmittel. Auch die Dienstverhältnisse mit maßgeblichen Personen für die Umsetzung der betrieblichen Projekte waren noch aufrecht; jedenfalls ist in diesem Bereich nur eine Verminderung von sechs Dienstnehmern (Stand 2009) auf vier (bis 31.12.2010) bzw. zwei Dienstnehmer (nach 31.12.2010) eingetreten. Die Umsätze des Jahres 2010 sind mit jenen der Vorjahre vergleichbar. Aus Bankkontoeingängen (AS 557 des Bp-Arbeitsbogens) und Ausgangsrechnungen (AS 559 des Bp-Arbeitsbogens) lässt sich auch nicht ableiten, dass zwischen 1.9.2010 und 31.12.2010 eine schädliche Umfangsminderung eingetreten wäre.

Die erhebliche Umfangsminderung ist erst im Lauf des Jahres 2011 eingetreten (Kündigung aller Dienstverhältnisse, Aufgabe des eigenen Büros, drastischer Umsatzrückgang). Änderungen im verlusterzeugenden Vermögen nach dem Umgründungsstichtag sind für das Schicksal der Verlustvorträge jedoch unschädlich (Stefaner in Kofler, UmgrStG², § 10 Rz 9; UmgrStR 2001 Rz 572). Somit steht auch der Verlustvortrag weiterhin zu.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts­hofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die mit diesem Erkenntnis verbundenen Rechtsfragen wurden vom VwGH bereits mit Erkenntnis vom 19.8.2015, RV/7101225/2013, beantwortet.

 

 

Wien, am 20. Juni 2017

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 7 Abs. 1 Z 2 TS 1 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991
§ 10 Abs. 1 lit. a UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991
§ 9 Abs. 8 UmgrStG, Umgründungssteuergesetz, BGBl. Nr. 699/1991

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