BFG RV/7104255/2014

BFGRV/7104255/201430.10.2014

Aufwendungen für ein Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2014:RV.7104255.2014

 

Entscheidungstext

 

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Wolfgang Nemec in der Beschwerdesache Bf., gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 15. Juli 2010 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind der angeschlossenen Beilage (Berechnungsblatt Einkommensteuer 2009) zu entnehmen und bilden einen Teil dieses Bescheidspruches.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Fortgesetztes Verfahren

Mit Berufungsentscheidung vom 19.6.2012, RV/0132-W/11, gab der damalige Unabhängige Finanzsenat (UFS) einer Berufung der Beschwerdeführerin (Bf.) betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 teilweise statt und erkannte Ausgaben für ein Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung nach § 34 EStG 1988 an.

Nach einer Amtsbeschwerde der nunmehr belangten Behörde (bel. Beh.; Finanzamt) hob der Verwaltungsgerichthof (VwGH) mit Erkenntnis vom 4.9.2014, 2012/15/0136, die Berufungsentscheidung des UFS wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes auf.

Das nach dieser Aufhebung fortgesetzte Verfahren wird vor dem Bundesfinanzgericht (BFG) geführt.

Die Berufungsentscheidung des UFS und das aufhebende Erkenntnis des VwGH sind den Verfahrensparteien bekannt und kann daher betreffend deren Inhalt auf die genannten Erledigungen verwiesen werden.

Die Bf. führte in der im fortgesetzten Verfahren abgegebenen Stellungnahme vom 25. Oktober 2014 zusammengefasst aus, ihre schweren gesundheitlichen Probleme (zusätzlich zu einer Behinderung und weitere Unfälle) seien bereits detailliert dargestellt worden. Die absolvierten Behandlungen usw. hätten viel Geld gekostet. Das Ersuchen der Bf., die Kosten für die Wiederherstellung der Gesundheit bzw. deren Verbesserung ua. durch Muskelaufbautraining in einem Fitness-Institut im Jahr 2009 steuerlich anzuerkennen, sei nun leider abgelehnt worden. Einige Ausführungen im bisherigen Verfahren würden der Bf. jedoch unklar bzw. widersprüchlich erscheinen. Der Hinweis auf die Notwendigkeit eines vorfeldweisen ärztlichen Gutachtens (unter Hinweis auf die damalige Gegenschrift des UFS im VwGH-Verfahren) sei nach Ansicht der Bf. durch die Verordnung des praktischen Arztes vom 22. August 2008 mit Angabe der Diagnose und der je 10 Einheiten Massage und Heilgymnastik erfüllt. Diesbezüglich verweise die Bf. auch auf einen Satz auf Seite 5 des nun vorliegenden VwGH-Erkenntnisses. Die Therapie im Jahr 2008 habe auch die Muskelaufbauübung an Geräten einbezogen, welche laut MTD-Gesetz möglich seien (unter Hinweis betreffend Zitierung von § 2 Abs. 2 des genannten Gesetzes im VwGH-Erkenntnis vom 14. September 2014 und weiteren eigenen Ausführungen). Auch sei in der damaligen Gegenschrift des UFS ebenfalls darauf hingewiesen worden, dass die Abzugsfähigkeit der Kosten für die Heilgymnastik = Training im Fitnessstudio erfüllt sei (unter Hinweis auf ein Zitat zu BFG 14.8.1997, III R 67/96, dass es sich nicht nur um Ärzte handeln müsse, unter deren Verantwortung die Übungen auf Geräten eines Fitnessstudios ausgeführt würden, sondern dies auch durch [andere] zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Personen wie im Fall der Bf. Physiotherapeut und Wirbelsäulentrainer möglich sei.) Nach dem schweren Unfall der Bf. im Jahr 2009 mit Wirbelbruch/Osteoprose und wieder mit den gleichen Schmerzen nach der langen Ruhestellung mit rund 3 Monaten Gipsmieder und anschließender Rehabilitation hätte die Diagnose einer ärztlichen Anordnung aus dem Jahr 2008 auch im Jahr 2009 "diagnosemäßig" mit ""Cervikalsyndrom, Dolores; Behandlung mit Physikalischer Therapie – Heilgymnastik" genauso gelautet"". Da die Bf. dies nach einem Rehabilitationsaufenthalt genau gewusst habe und ihre degenerative Wirbelsäulenerkrankung auch den Therapeuten und Trainern des Fitnessstudios bereits seit dem Jahr 2008 bekannt gewesen sei, habe die Bf. das Training nach der verletzungsbedingten Pause durch den Wirbelbruch mit den gleichen Übungen wie im Jahr 2008 wiederaufgenommen. Da der Bf. nach vorgelegter Dokumentation diese Übungen bereits bekannt gewesen seien, habe der ausgebildete Wirbelsäulentrainer des Training de Bf. überwacht, jedoch dafür kein Honorar erhalten, da Überwachung und Betreuung im Mitgliedsbetrag [beim Fitnessstudio] inkludiert sei. Wenn die Bf. damals gewusst hätte, dass für die steuerlich Anerkennung dieser Trainingskosten eine neuerliche ärztliche Verordnung erforderlich sei, hätte die Bf. diese besorgt. Da die Bf. ja auch aufgrund einer ärztlichen Empfehlung jedoch leider nicht schriftlichen Verordnung Wirbelsäulentraining und Rumpfmuskeltraining, Osteoporosebehandlung durch Muskelkräftigung "usw." laut namentlich genannten Ärzten weitergeführt habe, hätte sich die Bf. dafür Verordnungen ausstellen lassen [müssen]. Allerdings hätte dieses physiotherapeutisch überwachte Training für die Bf. und den Sozialversicherungsträger auch erhebliche Kosten bedeutet. Die Bf. habe als pensionierte Beamtin bei allen Arztbesuchen und verordneten Therapien Selbstkosten zu tragen (unter Angabe konkreter Geldbeträge, die sich die Bf. nicht hätte leisten können). Bei einer Einbettung der Trainingseinheiten in eine ärztlich überwachte Behandlung, wie sie im vorliegenden Erkenntnis VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136, gefordert werde, wären die Kosten noch höher. Die Bf. habe einen Facharzt für Orthopädie kennengelernt, der sich soviel Zeit für eine Trainingsüberwachung nehmen würde, da ja jede Übung 20-30 mal wiederholt werden müsse und eine Trainingseinheit rund eine Stunde dauere. Auch bei den Rehabilitationsaufenthalten der Bf. hätten keine Ärzte die Therapien und das Training überwacht sondern immer Physiotherapeuten in Einzel- und Gruppentherapien. So aber habe die Bf. im beschwerdegegenständlichen Jahr 2009 jeweils 2-3 mal wöchentlich und unterbrochen durch Unfall und Rehabilitation insgesamt rund 48 Trainingseinheiten dieser anstrengenden aber wirksamen, vom Wirbelsäulentrainer überwachten Übungen als absolut kein Wellness-Vergnügen auf ihre Kosten (Mitgliedsbeiträge und Fahrtkosten) absolviert und sei der Ansicht gewesen, dass diese Kosten steuerlich absetzbar wären. Da dies nun nicht möglich sei, sei die Bf. enttäuscht. Es sei bedauerlich, dass Eigeninitiativen zur Wiederherstellung und Verbesserung der Gesundheit offensichtlich nicht geschätzt würden. Denn sonst würden der Bf. nach bestem Wissen und Gewissen aller Beteiligten durchgeführten Maßnahmen zur Gesundheits-Wiedergewinnung bzw. Stärkung der Muskulatur und der Knochen durch intensives Training doch wenigsten steuerlich anerkannt werden.

2. Rechtliche Beurteilung VwGH

Die Bf. verfügt mit dem Arztschreiben vom 22. August 2008 über eine vor dem strittigen Besuch des Fitnessstudios auf Grund der vorgenommenen Diagnose ausgestellte ärztliche Anordnung auf Massage und 10 Einheiten Heilgymnastik bei einem Physiotherapeuten.

Nach Rechtsansicht des UFS in der aufgehobenen Berufungsentscheidung stellten die nach Absolvierung der ärztlich vorgeschrieben 10 Einheiten Heilgymnastik, jedoch vor Besuch des Fitnessstudioes vom Physiotherapeuten weiterverordneten zur Erhaltung des Therapieerfolges notwendigerweise fortzuführenden und nach einem vom Physiotherapeuten entwickelten detaillierten Trainingsplan auf Geräten zu absolvierenden Übungen, die zu den mit dem Besuch eines Fitnessstudios verbundenen Kosten führten, ebenfalls eine außergewöhnliche Belastung dar, zumal die Übungen an den Geräten des Fitnessstudios unter Anleitung und Verantwortung von ebenfalls zur Heilkunde zugelassener Personen (Physiotherapeut und Heilmasseur/Energetiker/Wirbelsäulentrainer) erfolgte.

Diese Rechtsansicht wurde vom VwGH als unzutreffend beurteilt:

Im aufhebenden Erkenntnis Seite 6f sprach der VwGH aus, dass für die Anerkennung von Kosten für ein Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung die Zwangsläufigkeit durch ein vor Beginn des Besuches des Fitnessstudios ausgestelltes ärztliches Zeugnis nachgewiesen werden muss, aus dem sich die Notwendigkeit und die Dauer des Fitnessstudiobesuches ergibt.

Laut VwGH im aufhebenden Erkenntnis liegt im Fall der Bf. hinsichtlich des Besuches des Fitnessstudios kein [solches] vorfeldweises [vor Besuch des Fitnessstudios ausgestelltes] ärztliches Gutachten vor.

Laut VwGH wird ein für die Annahme einer Zwangsläufigkeit erforderliches vorfeldweises ärztliches Gutachten nicht dadurch entbehrlich, dass wie im vorliegenden Fall eine ärztliche Überweisung an einen Physiotherapeuten für eine bestimmte Therapie vorliegt und der Physiotherapeut im Rahmen dieser Therapie seinerseits als weitere Maßnahme ein "Weiterüben" (Anführungszeichen laut VwGH) in einem Fitnessstudio empfiehlt. Gemäß VwGH reicht der vom damaligen UFS in rechtlicher Beurteilung angenommene mittelbare ärztliche Verordnungszusammenhang nicht aus, um eine Zwangsläufigkeit zusätzlicher Maßnahmen iSd § 34 EStG 1988 darzutun.

Weiters verweist der VwGH darauf, dass die für Physiotherapeuten geltenden gesetzlichen Berufsvorschriften eine weiterführende Verordnung nicht zulässt, da diese nur Ärzten vorbehalten ist.

Zusammenfassend ist der VwGH im aufhebenden Erkenntnis vom 4.9.2014, 2012/15/0136, wie folgt zu zitieren:

"Selbst bei Vorliegen einer ärztlichen Verordnung bestimmter Übungen würde freilich nicht jeder Besuch eines Fitnessstudios zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Wesentlich wäre die Einbettung des Fitnessstudiobesuchs und der dabei absolvierten Trainingseinheiten in eine ärztlich überwachte Behandlung. So könnte sich ein physiotherapeutisch begleiteter Besuch eines Fitnessstudios beispielsweise dann und insoweit als zwangsläufig erweisen, wenn im Rahmen einer ärztlich verordneten physikalischen Therapie nach einem festen Trainingsplan laufend auch konkrete selbstständige Trainingseinheiten in einem Fitnessstudio zu absolvieren sind und eine regelmäßige Überwachung dieser Selbstübungseinheiten im Rahmen der physikalischen Therapie gewährleistet ist."

Für den BFG ist das Erkenntnis VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136, bindend.

Soweit sich die Bf. auf Textstellen in der Gegenschrift des UFS im damaligen VwGH-Verfahren bezieht, ist darauf hinzuweisen, dass im fortgesetzten Verfahren die Begründung des VwGH im vorliegenden, bindenden Erkenntnis entscheidend ist. Gleiches gilt für die im Konjunktiv gesetzte (nur) Wiederholung der Rechtsansicht des UFS im aufhebenden VwGH-Erkenntnis Seite 5, Absatz 2.

Soweit die Bf. die ärztliche Anordnung vom 22. August 2008 als ausreichend ansieht, ist darauf hinzuweisen, dass dort Übungen in einem Fitnessstudio nicht genannt sind, dies jedoch vom VwGH als maßgeblich erachtet wird.

Soweit die Bf. auf die gesetzlichen Bestimmungen für den physiotherapeutischen Beruf Bezug nimmt, ist weiters darauf hinzuweisen, dass auch in dem von ihr verwendeten Zitat physiotherapeutische Maßnahmen nach ärztlicher Anordnung notwendig sind, eine solche ärztliche Anordnung betreffend Übungen in einem Fitnessstudio, die über die im Arztschreiben vom 22. August 2008 genannten 10 Übungen Heilgymnastik bei einem Physiotherapeuten hinausgehen, nicht existiert.

Nochmals wird darauf hingewiesen, dass der VwGH ein Weiterführen einer ärztlichen Anordnung durch einen Physiotherapeuten aus den bereits oben genannten Gründen nicht anerkennt.

Dass die Bf. im beschwerdegegenständlichen Jahr 2009 nur eine bereits aus dem Jahr 2008 bekannte Übungsserie fortgesetzt habe, kann leider nicht zu einer Anerkennung als außergewöhnliche Belastung (§ 34 EStG 1988) führen, da es dafür eben an der vom VwGH geforderten vorfeldweisen ärztlichen Anordnung fehlt. Die Bf. gibt selbst an, wenn sie damals gewusst hätte, dass es für eine steuerlichen Anerkennung dieser Anordnung bedarf, sie sich bereits damals darum bemüht hätte. Die genannten "Empfehlungen" reichen nicht aus.

Auch sind die strengen Anforderungen des VwGH (siehe Zitat oben) betreffend Einbettung des Fitnessstudiobesuchs und ärztlichen Überwachung der Trainingseinheiten zu befolgen, die von der Bf. genannten Mehrkosten für Patient und die staatliche Sozialversicherung stellen für den VwGH offenbar kein Kriterium dar.

Soweit sich die Bf. auf eine Formulierung in einem Schreiben des BFG bezieht, ist zu sagen, dass der dort verwendete Begriff "Heilpraktiker" ungenau war und es sich richtig (auch laut VwGH-Erkenntnis) um einen "Physiotherapeuten" handelte.

Von der bel. Beh. in ihrer Amtsbeschwerde nicht angefochten war die Anerkennung von Kosten einer in einer Rehab-Einrichtung absolvierten Rehabilitationsbehandlung von € 49,56, sodass diese unstrittig sind.

tatsächliche Kosten aus eigener Behinderung

laut bel. Beh.

5.206,32

Rehab unstrittig

49,56

laut BFG

5.255,88

 

Der Spruch des vorliegenden Erkenntnisses lautet daher auf teilweise Stattgabe.

Auf die Beilage Berechnung Einkommensteuer für 2009 wird hingewiesen.

Zur Zulässigkeit einer Revision an den VwGH:

Art. 133 Abs. 4 B-VG lautet auszugsweise: "Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird."

Aufgrund des nunmehr vorliegenden auch für die Allgemeinheit klarstellenden Erkenntnisses VwGH 4.9.2014, 2012/15/0136, ist für den vorliegenden Fall eine [ordentliche] Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, nicht zulässig.

 

 

Wien, am 30. Oktober 2014

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Verweise:

VwGH 04.09.2014, 2012/15/0136

Stichworte