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Anlage 3 Lehrpläne für den Evangelischen Religionsunterricht

Aktuelle FassungIn Kraft seit 01.9.2020

klassen- bzw. semesterweise aufsteigendes Inkrafttreten (vgl. § 2 Z 3)

Anlage 3

Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht an der Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schule einschließlich deren Sonderformen

Bildungs- und Lehraufgabe

Der evangelische Religionsunterricht hat Teil am allgemeinen Bildungsziel der Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. I Nr. 242/1962) und leistet einen grundlegenden Beitrag zur religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension der Schule, indem er die Schülerinnen und Schüler in ihrer Suche nach Sinn unterstützt. Neben der Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenz, emotionaler und methodischer Kompetenz sowie dem Erwerb von Kenntnissen, kann der Religionsunterricht insbesondere Orientierungen zur Lebensgestaltung und Hilfen zur Bewältigung von Alltags- und Grenzsituationen im privaten und schulischen Leben anbieten.

Der evangelische Religionsunterricht an der Schule ist doppelt begründet: Einerseits im Verkündigungs- und Bildungsauftrag der Kirche, andererseits im Erziehungs- und Bildungsauftrag der öffentlichen Schule. Er nimmt als eigenes Fach die religiöse und ethische Dimension des umfassenden Bildungsauftrages der Schule wahr. Er bietet den Schülerinnen und Schülern eine Begegnung mit der biblischen Verkündigung, wie sie in der Heiligen Schrift und in den Bekenntnissen bezeugt wird, sowie eine Begegnung mit dem Bildungsauftrag der Gesellschaft in einem gegenseitigen Dialog. In der Auseinandersetzung mit religiösen und ethischen Themen lernen sie Möglichkeiten der persönlichen Orientierung und Sinnfindung kennen, erproben ihre Fähigkeit zu Verständigung und Toleranz und üben sich in Solidarität.

Der evangelische Religionsunterricht ermöglicht Schülerinnen und Schülern sich selbst und andere als Geschöpfe Gottes mit individuellen Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Er bestärkt sie im Sinne der Inklusion, sich und andere anzunehmen und im Blick auf gemeinsame Aufgaben Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Er unterstützt die Heranwachsenden dabei, den Glauben als Möglichkeit zu entdecken, die Wirklichkeit zu deuten, ihr Leben zu gestalten und religiöse Sprach- und Gestaltungsfähigkeit zu entwickeln. Er fördert die Rückbesinnung auf die eigenen religiösen und kulturellen Wurzeln und eröffnet Räume des interreligiösen und interkulturellen Lernens. Er beteiligt sich an der Gestaltung der Schule als Lebens- und Erfahrungsraum, insbesondere durch die Mitgestaltung von Festen, Feiern und Gottesdiensten.

Kompetenzmodell

Der evangelische Religionsunterricht unterstützt den Erwerb von prozessorientierten Kompetenzen in folgenden Kompetenzbereichen:

  1. Wahrnehmen und beschreiben (Perzeption)
  2. Verstehen und deuten (Kognition)
  3. Gestalten und handeln (Performanz)
  4. Kommunizieren und (be)urteilen (Interaktion)
  5. Teilhaben und entscheiden (Partizipation)

Dabei greift der evangelische Religionsunterricht auf folgende inhaltsbezogene Kompetenzdimensionen von Religion zurück:

  1. Menschen und ihre Lebensorientierung
  2. Gelehrte und gelebte Bezugsreligion
  3. Religion in Gesellschaft und Kultur
  4. Religiöse und weltanschauliche Vielfalt

Grundkompetenzen

Der evangelische Religionsunterricht will Schülerinnen und Schüler zu folgende Kompetenzen führen:

  1. Sich selbst und das eigene Lebensumfeld offen und differenziert wahrnehmen
  2. Beziehungen achtsam und wertschätzend gestalten
  3. Grundlagen und Grundformen evangelischen Glaubens verstehen
  4. Ausdrucksformen des Glaubens kennen, reflektieren, gestalten
  5. Inhalte und Deutungsmuster eigener und anderer Konfessionen/Religionen/Weltanschauungen kennen und respektvoll kommunizieren sowie Zweifel und Kritik artikulieren
  6. Herausforderungen unserer Welt wahrnehmen, auf Grund des evangelischen Glaubens Stellung beziehen und ethisch verantwortlich handeln

Didaktische Grundsätze

  1. 1. Die Lebenswelten und Lebenserfahrungen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer stehen im Mittelpunkt. Sie sind Ausgangspunkt und Ziel zugleich.
  2. 2. Der Religionsunterricht nimmt das unterschiedliche Ausmaß kirchlicher Sozialisation bzw. religiöser Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler durch Differenzierung und Individualisierung ernst und wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler, wie unterschiedlich ihre religiösen Einstellungen auch sein mögen.
  3. 3. Diese Auseinandersetzung führt alle im Lernprozess Beteiligten zu einem neuen, eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst, zu einer offenen Haltung der Umwelt gegenüber und zum Dialog mit Menschen, die anders sind als sie selbst.
  4. 4. Die Lehrerinnen und Lehrer im Unterrichtsgegenstand Evangelische Religion bieten vielfältige, schulartspezifische, individualisierte, subjektbezogene Lernformen. Die didaktisch-methodischen Entscheidungen der Lehrerinnen und Lehrer werden in theologischer Verantwortung, die einerseits der Bibel und den Bekenntnisschriften und andererseits einer ökumenischen bzw. interreligiösen Dialogfähigkeit verpflichtet sind, und unter Berücksichtigung der fachspezifischen Besonderheiten (Groß-/Kleingruppen, Anzahl der Wochenstunden, oftmals jahrgangs- und schulübergreifend, Stadt/Land, Diasporasituation, regionale Besonderheiten) getroffen. Blockungen von Unterrichtsstunden zu größeren Einheiten können unter bestimmten organisatorischen und pädagogischen Bedingungen sinnvoll sein.

Zentrales fachliches Konzept

Der evangelische Religionsunterricht leistet einen grundlegenden Beitrag zur religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension der Schule, indem er die Schülerinnen und Schüler in ihrer Suche nach Sinn begleitet, Kommunikation einübt, die Stellung des Menschen in der Gesellschaft kritisch wahrnimmt, ein förderliches Verhältnis zu Natur und Technik herstellt und Kreativität ganzheitlich Raum gibt. Er nimmt Schülerinnen und Schüler in ihrer Einzigartigkeit wahr und öffnet einen Raum für existenzielle Fragen und ihre spirituellen Dimensionen. Neben der Entwicklung von Selbst-, Sozial-, emotionaler und methodischer Kompetenz bietet er insbesondere Orientierung, die in christliche Tradition und das reformatorische Erbe eingebettet ist, sowie Hilfe zur Lebensgestaltung und zur Bewältigung von Alltags- und Grenzsituationen. Er fördert eine Kultur des Fragens und der kritischen Auseinandersetzung sowie des Miteinanders und der Solidarität.

Der evangelische Religionsunterricht begleitet den altersspezifischen Entwicklungsprozess der Schülerinnen und Schüler von Einstellungen und Verhaltensweisen zu religiösen und ethischen Themen. Dabei wird angestrebt, aus dem vermittelten Wissen eine grundlegende Bedeutung für den Einzelnen und sein Wirken in der Gesellschaft zu erreichen.

Kompetenzbeschreibungen pro Schulstufe

Es gelten die sechs Grundkompetenzen für alle Schulstufen.

Interreligiös vereinbarte Kompetenzen

In Hinblick auf die kompetenzorientierte Reifeprüfung sind die 14 interreligiös vereinbarten Kompetenzen bei der Erarbeitung des Lehrstoffs zu berücksichtigen. Die insbesondere im Hinblick auf die Reifeprüfung zu erwerbenden Kompetenzen sind folgende:

  1. Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, sich selbst, ihr Lebensumfeld und die Welt mit ihren Chancen, Problemen, Grenzen und Entwicklungsmöglichkeiten offen und differenziert wahrzunehmen und diese Wahrnehmung zum Ausdruck zu bringen.
  2. Die Schülerinnen und Schüler können religiös bedeutsame Phänomene wahrnehmen. Sie (er)kennen und verstehen Sprach-, Kommunikations- und Gestaltungsformen, die für das religiöse Selbst- und Weltverständnis charakteristisch sind.
  3. Die Schülerinnen und Schüler erkennen die vielfältigen Dimensionen religiösen Denkens und Handelns und reflektieren die unterschiedlichen Zugänge zur Religion sowie verschiedene Ausdrucksformen von Spiritualität.
  4. Die Schülerinnen und Schüler können die zentrale Botschaft, die Grundbegriffe, die Aussagen der wichtigsten Texte und Lehren, sowie entscheidende Phasen und geschichtliche Schlüsselereignisse ihrer Religion in ihrer konfessionellen Ausprägung wiedergeben und deuten sowie Bezüge zu anderen Religionen oder Konfessionen herstellen. Sie können in der Fülle des Einzelnen religionsspezifische und theologische Leitmotive entdecken.
  5. Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, zwischen verschiedenen kulturellen Ausprägungen ihrer Religion in ihrer konfessionellen Ausprägung zu differenzieren, deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkennen und sensibel darzustellen.
  6. Die Schülerinnen und Schüler können Grundformen religiöser Praxis (zB Rituale sowie religiöse Riten und Feiern) in ihrer allgemeinen und persönlichen Bedeutung beschreiben und reflektieren.
  7. Die Schülerinnen und Schüler können eigene religiöse Vorstellungen auf Grund der zentralen Deutungsmuster ihrer Religion in ihrer konfessionellen Ausprägung reflektieren. Sie können wichtige Grundlagen anderer Religionen, Konfessionen oder Weltanschauungen darlegen.
  8. Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, die zentralen Deutungsmuster ihrer Religion in ihrer konfessionellen Ausprägung mit den Deutungsmustern anderer religiöser Traditionen, Weltanschauungen und Weltbilder in Beziehung zu setzen.
  9. Auf Basis ihres Wissens und der erworbenen dialogischen Grundhaltung sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage, in der (religions)pluralen Gesellschaft mit Angehörigen anderer Kulturen, Konfessionen und Religionen respektvoll zu kommunizieren.
  10. Die Schülerinnen und Schüler können verschiedene (religiös fundierte) Modelle ethischen Handelns beschreiben und beurteilen.
  11. Die Schülerinnen und Schüler sind fähig, auf der Basis religiöser Grundwerte zu ethischen Konflikten sowie den damit verbundenen gesellschaftlichen Diskursen Stellung zu nehmen.
  12. Die Schülerinnen und Schüler sind fähig, die zentrale Botschaft und die Deutungsmuster ihrer Religion in ihrer konfessionellen Ausprägung als relevant für das Leben des oder der Einzelnen und das Leben in der Gemeinschaft aufzuzeigen und zu würdigen.
  13. Die Schülerinnen und Schüler sind in der Lage, in (inter)kulturellen und ethischen Herausforderungen unserer Welt Handlungsoptionen zu entwickeln und zu begründen, sowie Möglichkeiten von eigenem verantwortlichem Handeln zu beschreiben.
  14. Die Schülerinnen und Schüler können einen verantwortlichen Umgang mit Mensch und Natur darlegen.

Anwendungsbereiche

In Hinblick auf die Mindestanzahl der zu behandelnden Themen wird auf die entsprechende Prüfungsordnung zur Reifeprüfung verwiesen. Die wesentlichen Bereiche sind anhand folgender Inhalte zu konzipieren und den Grundkompetenzen zuzuordnen.

Lehrstoff

5. Klasse:

1. und 2. Semester:

  1. Reformation: Geschichtliche Persönlichkeiten und Vorbilder; Rechtfertigungslehre damals und heute
  2. Weltreligionen: Islam
  3. Leben und Botschaft Jesu
  4. Umgang mit Verschiedenartigkeiten in Religion und Gesellschaft
  5. Die Arbeit der Diakonie
  6. Kirchen im Nationalsozialismus
  7. Bewahrung der Schöpfung

6. Klasse:

1. Semester:

  1. Gewalt und Gewaltfreiheit
  2. Geschichte und Botschaft des AT
  3. Weltreligionen: Judentum
  4. Ökumene

2. Semester:

  1. Christliche Feste und Rituale
  2. Protestantismus in Österreich
  3. Der Mensch in seiner Geschöpflichkeit

7. Klasse:

1. Semester:

  1. Religion in der Gegenwartskultur
  2. Evangelische Kirchen in Österreich
  3. Religiöse Sondergemeinschaften und Weltanschauungen
  4. Bioethik

2. Semester:

  1. Weltreligionen: Hinduismus und Buddhismus
  2. Umgang mit Leid
  3. Sterben, Tod und Auferstehungshoffnung
  4. Schuld und Vergebung, Strafe und Sühne

8. Klasse:

1. Semester:

  1. Überlieferung und Rezeption der Bibel
  2. Grundlagen der ethischen Urteilsfindung
  3. Klassische Positionen der Religionskritik, Agnostizismus, Atheismus

2. Semester:

  1. Dekalog und Menschenrechte
  2. Glaube und Naturwissenschaft
  3. Religiöse Ausdrucksformen in der Kunst

Bei fünfjährigen Schulformen der Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schulen (Werkschulheim, Realgymnasium unter besonderer Berücksichtigung der musischen Ausbildung für Studierende der Musik ua.):

9. Klasse:

1. Semester:

Die Anwendungsbereiche bestehen in einer Vertiefung von Inhalten aus den vorangegangenen Semestern. Diese werden von der Lehrkraft unter Berücksichtigung der Interessen der Schülerinnen und Schüler und unter Bedachtnahme auf die konkrete Unterrichtssituation sowie den Schulschwerpunkt am Beginn des 1. Semesters der 9. Klasse festgelegt und bekanntgemacht.

2. Semester:

Die Anwendungsbereiche bestehen in einer Vertiefung von Inhalten aus den vorangegangenen Semestern. Diese werden von der Lehrkraft unter Berücksichtigung der Interessen der Schülerinnen und Schüler und unter Bedachtnahme auf die konkrete Unterrichtssituation sowie den Schulschwerpunkt am Beginn des 2. Semesters der 9. Klasse festgelegt und bekanntgemacht.

Schlagworte

Bildungsaufgabe, Selbstkompetenz, Alltagssituation, Verkündigungsauftrag, Erziehungsauftrag, Sprachfähigkeit, Lebensraum, Sozialkompetenz, Sprachform, Kommunikationsform, Selbstverständnis

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2019

Gesetzesnummer

20010867

Dokumentnummer

NOR40219800

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