klassenweise aufsteigendes Inkrafttreten (vgl. § 2 Z 1 bzw. Z 2)
Anlage 1
Lehrplan für den evangelischen Religionsunterricht in der Volksschule und in Sonderschulen (Grundschule)
Bildungs- und Lehraufgabe
Der evangelische Religionsunterricht hat Teil am allgemeinen Bildungsziel der Schule (§ 2 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) und leistet einen grundlegenden Beitrag zur religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension der Schule, indem er die Schülerinnen und Schüler in ihrer Suche nach Sinn unterstützt. Neben der Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenz, emotionaler und methodischer Kompetenz, sowie dem Erwerb von Kenntnissen bietet der Religionsunterricht insbesondere Orientierungen zur Lebensgestaltung und Hilfen zur Bewältigung von Alltags- und Grenzsituationen im privaten und schulischen Leben an.
Der evangelische Religionsunterricht an der Schule ist doppelt begründet: Einerseits im Verkündigungs- und Bildungsauftrag der Kirche, andererseits im Erziehungs- und Bildungsauftrag der öffentlichen Schule. Er nimmt als eigenes Fach die religiöse und ethische Dimension des umfassenden Bildungsauftrages der Schule wahr. Er bietet den Schülerinnen und Schülern eine Begegnung mit der biblischen Verkündigung, wie sie in der Heiligen Schrift und in den Bekenntnissen bezeugt wird, sowie eine Begegnung mit dem Bildungsauftrag der Gesellschaft in einem gegenseitigen Dialog. In der Auseinandersetzung mit religiösen und ethischen Themen lernen sie Möglichkeiten der persönlichen Orientierung und Sinnfindung kennen, erproben ihre Fähigkeit zu Verständigung und Toleranz und üben sich in Solidarität.
Der evangelische Religionsunterricht ermöglicht Schülerinnen und Schülern sich selbst und andere als Geschöpfe Gottes mit individuellen Stärken und Schwächen wahrzunehmen. Er bestärkt sie im Sinne der Inklusion, sich und andere anzunehmen und im Blick auf gemeinsame Aufgaben Verantwortung für sich und die Gemeinschaft zu übernehmen. Er unterstützt die Heranwachsenden dabei, den Glauben als Möglichkeit zu entdecken, die Wirklichkeit zu deuten, ihr Leben zu gestalten und religiöse Sprach- und Gestaltungsfähigkeit zu entwickeln. Er fördert die Rückbesinnung auf die eigenen religiösen und kulturellen Wurzeln und eröffnet Räume des interreligiösen und interkulturellen Lernens. Er beteiligt sich an der Gestaltung der Schule als Lebens- und Erfahrungsraum, insbesondere durch die Mitgestaltung von Festen, Feiern und Gottesdiensten.
Kompetenzmodell
Der evangelische Religionsunterricht unterstützt den Erwerb von prozessorientierten Kompetenzen in folgenden Kompetenzbereichen:
- – Wahrnehmen und beschreiben (Perzeption)
- – Verstehen und deuten (Kognition)
- – Gestalten und handeln (Performanz)
- – Kommunizieren und (be)urteilen (Interaktion)
- – Teilhaben und entscheiden (Partizipation)
Dabei greift der evangelische Religionsunterricht auf folgende inhaltsbezogene Kompetenzdimensionen von Religion zurück:
- – Menschen und ihre Lebensorientierung
- – Gelehrte und gelebte Bezugsreligion
- – Religion in Gesellschaft und Kultur
- – Religiöse und weltanschauliche Vielfalt
Grundkompetenzen
Der evangelische Religionsunterricht will Schülerinnen und Schüler zu folgende Kompetenzen führen:
- – Sich selbst und das eigene Lebensumfeld offen und differenziert wahrnehmen
- – Beziehungen achtsam und wertschätzend gestalten
- – Grundlagen und Grundformen evangelischen Glaubens verstehen
- – Ausdrucksformen des Glaubens kennen, reflektieren, gestalten
- – Inhalte und Deutungsmuster eigener und anderer Konfessionen/Religionen/Weltanschauungen kennen und respektvoll kommunizieren sowie Zweifel und Kritik artikulieren
- – Herausforderungen unserer Welt wahrnehmen, auf Grund des evangelischen Glaubens Stellung beziehen und ethisch verantwortlich handeln
Didaktische Grundsätze
- 1. Die Lebenswelten und Lebenserfahrungen der Schülerinnen und Schüler, der Lehrerinnen und Lehrer stehen im Mittelpunkt. Sie sind Ausgangspunkt und Ziel zugleich.
- 2. Der Religionsunterricht nimmt das unterschiedliche Ausmaß kirchlicher Sozialisation bzw. religiöser Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler durch Differenzierung und Individualisierung ernst und wendet sich an alle Schülerinnen und Schüler, wie unterschiedlich ihre religiösen Einstellungen auch sein mögen.
- 3. Diese Auseinandersetzung führt alle im Lernprozess Beteiligten zu einem neuen, eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst, zu einer offenen Haltung der Umwelt gegenüber und zum Dialog mit Menschen, die anders sind als sie selbst.
- 4. Die Lehrerinnen und Lehrer im Unterrichtsgegenstand Evangelische Religion bieten vielfältige, schulartspezifische, individualisierte, subjektbezogene Lernformen. Die didaktisch-methodischen Entscheidungen der Lehrer*innen werden in theologischer Verantwortung, die einerseits der Bibel und den Bekenntnisschriften und andererseits einer ökumenischen bzw. interreligiösen Dialogfähigkeit verpflichtet sind, und unter Berücksichtigung der fachspezifischen Besonderheiten (Groß-/Kleingruppen, Anzahl der Wochenstunden, oftmals jahrgangs- und schulübergreifend, Stadt/Land, Diasporasituation, regionale Besonderheiten) getroffen. Blockungen von Unterrichtsstunden zu größeren Einheiten können unter bestimmten organisatorischen und pädagogischen Bedingungen sinnvoll sein.
Zentrales fachliches Konzept
Der evangelische Religionsunterricht leistet einen grundlegenden Beitrag zur religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension der Schule, indem er die Schülerinnen und Schüler in ihrer Suche nach Sinn begleitet, Kommunikation einübt, die Stellung des Menschen in der Gesellschaft kritisch wahrnimmt, ein förderliches Verhältnis zu Natur und Technik herstellt und Kreativität ganzheitlich Raum gibt. Er nimmt Schülerinnen und Schüler in ihrer Einzigartigkeit wahr und öffnet einen Raum für existenzielle Fragen und ihre spirituellen Dimensionen. Neben der Entwicklung von Selbst-, Sozial-, emotionaler und methodischer Kompetenz bietet er insbesondere Orientierung, die in christliche Tradition und das reformatorische Erbe eingebettet ist, sowie Hilfe zur Lebensgestaltung und zur Bewältigung von Alltags- und Grenzsituationen. Er fördert eine Kultur des Fragens und der kritischen Auseinandersetzung sowie des Miteinanders und der Solidarität.
Der evangelische Religionsunterricht begleitet den altersspezifischen Entwicklungsprozess der Schülerinnen und Schüler von Einstellungen und Verhaltensweisen zu religiösen und ethischen Themen. Dabei wird angestrebt, aus dem vermittelten Wissen eine grundlegende Bedeutung für den Einzelnen und sein Wirken in der Gesellschaft zu erreichen.
Kompetenzbeschreibungen pro Schulstufe
Es gelten die sechs Grundkompetenzen für alle Schulstufen.
Anwendungsbereiche
Für jede Schulstufe umfasst der Lehrplan zehn Lernschwerpunkte, die sich jeweils in mehrere Inhalte untergliedern. Es ist verbindlich in der jeweiligen Schulstufe mindestens sechs Lernschwerpunkte zu unterrichten. Folgende Inhalte sind den Grundkompetenzen zuzuordnen.
Lehrstoff
Grundstufe I
1. Schulstufe
Ich – Du – Wir
- – Mein Name ist wichtig
- – Meine Fähigkeiten – Ich kann viel – Jede/r kann etwas anderes
- – Wir leben nicht alleine
- – Zusammen können wir mehr
Jesus: die Nähe Gottes
- – Jesus sucht Freunde: Mk 1, 16-20
- – Jesus schenkt Kindern seine Zuneigung: Mk 10, 13-16
- – Jesus hört Bartimäus: Mk 10, 46-52
- – Jesus erzählt, wie Gott ist: Luk 15, 1-7
- – Jesus hilft in der Angst: Mk 4, 36-41
Mut und Vertrauen: Abraham und Sara
- – Abraham und Sara, Nomaden
- – Aufbruch ins Unbekannte und Gott begleitet
- – Abraham stiftet Frieden: Gen 13
- – Die Verheißung und das Warten: Gen 15; 18
- – Freude über Isaak: Gen 21
Glauben konkret
- – Lieder, Gebet, Stille, Tanz, Segen
- – Vaterunser
- – Gottesbilder
Weihnachten: Geburtsfest Christi
- – Advent: Eine Zeit des Wartens und der Freude
- – Ein Engel kommt zu Maria – Jesus wird geboren: Lk 1, 26-38 und Lk 2, 1-7
- – Die Hirten hören, sehen und freuen sich: Lk 2, 8 -20
- – Die Weisen folgen dem Stern: Mt 2, 1-12
Passion – Ostern: Trauer – Freude
- – Vom Vergehen und Neuwerden
- – Freunde – Feinde / Freude – Schmerz
- – Jesus stirbt am Kreuz
- – Frauen am Grab
Unsere Pfarrgemeinde
- – Die Pfarrgemeinde: Kirche und Personen
- – Von Gott und Menschen angenommen: Die Taufe
- – Der Gottesdienst
- – Das Reformationsfest
Palästina zur Zeit Jesu
- – Der Lebensalltag zur Zeit Jesu
Freude an der Schöpfung
- – Ich bin wunderbar gemacht
- – Sinneswahrnehmungen
- – Bedeutung von Sonne und Wasser
- – Wir zeigen unsere Freude im Lob: Ps 104
- – Erntedank
Mein Evangelisch-Sein
- – Mein Zuhause
- – in der Familie
- – in der RU-Gruppe
2. Schulstufe
Streit und Versöhnung
- – Meine Gefühle – deine Gefühle
- – Streit im Alltag – Regeln zur Fairness
- – Wir lassen andere Meinungen gelten
- – Frieden – wie geht das?
Augen haben wie Jesus
- – Wir nehmen einander wahr – das Symbol Auge
- – Beim Ungeliebten zu Gast: Lk 19, 1-10
- – Gebt ihr ihnen zu essen!: Mt 14, 13 ff
- – Der gute Mensch aus Samarien: Lk 10, 25 ff
- – Die gekrümmte Frau: Lk 13, 10-13
- – Füreinander da sein: Mk 2, 1-5.10b-12
„Trotz allem“: Jakob und Esau
- – Die ungleichen Zwillinge Esau und Jakob: Gen 24; 25 i. A.
- – Aus Brüdern werden Feinde: Gen 27
- – Gott will auch Jakob segnen: Gen 28
- – Jakobs Erlebnisse in der Fremde: Gen 29; 30
- – Jakob ringt mit Gott – die Brüder versöhnen sich: Gen 32; 33
Beten
- – Wie wir beten können
- – Gebet – Hinwendung zu Gott
- – Gott, wir bringen unsere Klagen vor dich
- – Psalmen der Bibel
Weihnachten: Fest der Hoffnung
- – Was mir das Leben schwer macht
- – Jesaja macht den Menschen Hoffnung: Jes 9
- – Mit Jesus kommt ein Hoffnungslicht in die Welt
- – Wie wir füreinander Licht werden können
Passion – Ostern: Verlassen sein – Hoffnung erfahren
- – Das letzte Abendmahl
- – Gethsemane: Verlassenheit und Angst
- – Gefangennahme – Kreuzigung
- – Emmausjünger
Evangelischer Glaube
- – Die Reformatoren: M. Luther/H. Zwingli
- – Evangelisch Sein in Österreich
- – „Evangelisch“ kommt von Evangelium
- – Taufe und Abendmahl – unsere beiden Sakramente
Glaube und Leben
- – Lebensbilder in Auswahl: Albert Schweitzer, Elisabeth von Thüringen, Margarete Steiff, Elvine de La Tour, Nikolaus von Myra, Martin von Tours
Zukunft der Schöpfung
- – Unser Lebensraum
- – Pflanzen- und Tierwelten und ihre Bedrohung
- – Der besondere Auftrag des Menschen: Gen 2, 15
- – Gottes Bund mit Noah: Gen 9, 1-17
Im Haus der Christinnen und Christen
- – Die Evangelischen Kirchen: A.B., H.B., EMK
- – Die Katholische Kirche
- – Die Orthodoxen Kirchen
- – Ökumene: Gemeinsamkeiten – Unterschiede
Grundstufe II
3. Schulstufe
Leben in Gemeinschaft
- – Wie Gemeinschaft gelingen kann
- – Scheitern und schuldig werden
- – Vergebung ist möglich, weil Gott uns vergibt: Lk 15, 11-32
- – Gemeinschaft erleben im Abendmahl
Mit Jesus unterwegs zu den Menschen
- – Ich bin „draußen“ – ich werde hereingenommen
- – „Komm in die Mitte“: Mk 3, 1-6
- – Das Vertrauen eines Fremden: Mt 8, 5-13
- – Die Frau, der Pharisäer und der Rabbi: Lk 7, 36-50
- – Jesus heilt einen Aussätzigen: Lk 5, 12-16
Mit Gott auf dem Weg: Josef
- – Josef und seine Brüder; Familienkonflikte: Gen 37
- – Josefs Erlebnisse in Ägypten: Gen 39; 40
- – Der Pharao und Josef: Gen 41
- – Rettung der Familie Jakobs und Versöhnung: Gen 42-46; 50
Klagen über einen Verlust
- – Die Begrenztheit aller Lebenswege
- – Wenn Kinder trauern
- – Vertrauen auf Geborgenheit bei Gott
Weihnachten: Gott als Kind
- – Was wir brauchen, um gut miteinander zu leben
- – Der Wunsch nach einem König, der alles richtet: 1. Sam 8
- – Die Hoffnung auf den Messias
- – Gott schenkt sich als Kind
- – Simeon und Hanna: Lk 2, 22-40
Passion – Ostern: Wege ins Leiden – Wege ins Leben
- – Der Weg nach Jerusalem
- – Der Weg ans Kreuz
- – Osterwege
- – Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena: Joh 20, 11-18
- – Die Begegnung mit Thomas: Joh 20, 24-29
Unsere Pfarrgemeinde – Nachbargemeinde(n) – Diözese, Landeskirche; lokale Kirchengeschichte
- – Die Inhalte werden bestimmt vom Umfeld des jeweiligen Unterrichtsortes bzw. der Entfernung zur nächsten Evangelischen Pfarrgemeinde. Darauf beruhend wird die lokale Evangelische Kirche, auch in der Weite ihrer Diözese bzw. Landeskirche den Kindern bekannt gemacht.
Bibel
- – Das Buch der Bücher – erste Begegnung mit der „Heiligen Schrift“
- – Die Bibel – unser Glaubensbuch (AT, NT, Sprachen ...)
Regeln und Rechte
- – Regeln für ein gutes Miteinander
- – Nächstenliebe
- – Gerechtigkeit
- – (Cyber-)Mobbing
- – Kinderrechte
Fremdes wahrnehmen – aufeinander zugehen
- – Was mir Heimat gibt
- – Aufeinander zugehen
- – Ruth – in der Fremde Heimat finden: Rut 1-4
4. Schulstufe
Schuld und Vergebung
- – Petrus, allein mit seiner Schuld: Mk 14, 66-72
- – Die Beichte
- – Vergebung erfahren – erlöst sein: Petrus und Jesus, Joh 21, 15-19
Auftrag zum Miteinander
- – Wir stehen in eigener Verantwortung – Himmelfahrt: Apg 1, 9 ff
- – Beispiele aus der Urgemeinde – Christliche Gemeinschaft erleben: Apg 2, 42 ff
- – Konflikte: Apg 6, 1 ff
- – Wir gehören zusammen: 1. Kor 12, 12 ff
Mose: Weg in die Freiheit
- – Menschen herrschen über Rechtlose – Frauen wagen Widerstand: Ex 1
- – Mose wird gerettet: Ex 2
- – Gott stellt sich vor: Ex 3
- – Auszug aus Ägypten: Ex 7-12 i. A.; Ex 15, 21
- – Der Bund zwischen Gott und Israel: Ex 19
- – Die neue Lebensordnung: Ex 20
Taufe und Abendmahl
- – Taufe Jesu am Jordan
- – Die Taufe: Mt 28, 16-20
- – Das Abendmahl: Mt 26, 17-30
Weihnachten: Verheißung und Erfüllung
- – Zacharias und Elisabeth: Lk 1, 5-25
- – Das Magnifikat: Lk 1, 46-55
Passion – Ostern: Auferstehung als Neubeginn
- – Jesus in Jerusalem: Tempelreinigung, Fußwaschung
- – Das Osterevangelium
- – Osterfreude
Die Kirche
- – Glaubensbekenntnis(se)
- – Der Glaube kommt überall hin: Mt 28, 18-20
- – Pfingsten: Apg 2, 1 ff
- – Der Kämmerer aus Äthiopien: Apg 8, 26-39
Reformation
- – Angst: Das Zeitgefühl im Spätmittelalter
- – Die Entdeckung der Bibel
- – Konsequenzen der Reformation – persönliche, gesellschaftliche, kirchliche
- – Neue Medien und Gesellschaften – Digitalisierung
Die eine Welt
- – Viele Welten in der Einen Welt
- – Einander brauchen und miteinander leben: wirtschaftliche und soziale Verflochtenheit
- – Die Verheißung Gottes auf einen neuen Himmel und eine neue Erde: Jes 65, 17 ff
Kinder anderer Religionen
- – Weltreligionen
- – Goldene Regel
Schlagworte
Bildungsaufgabe, Selbstkompetenz, Alltagssituation, Verkündigungsauftrag, Erziehungsauftrag, Sprachfähigkeit, Lebensraum, Sozialkompetenz, Pflanzenwelt
Zuletzt aktualisiert am
20.12.2019
Gesetzesnummer
20010867
Dokumentnummer
NOR40219798
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