Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei Abwicklungseinheiten
§ 101.
(1) Verbindlichkeiten dürfen im Betrag der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten von Abwicklungseinheiten nur dann enthalten sein, wenn sie die in den Art. 72a, 72b, mit Ausnahme von Abs. 2 lit. d, und 72c der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Voraussetzungen erfüllen.
(2) Wird in diesem Bundesgesetz auf die Anforderungen des Art. 92a oder 92b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 Bezug genommen, so bestehen die berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten für die Zwecke dieser Bestimmung abweichend von Abs. 1 aus berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten wie in Art. 72k der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 definiert und gemäß Teil 2 Titel I Kapitel 5a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bestimmt.
(3) Verbindlichkeiten aus Schuldtiteln mit eingebetteten Derivaten, wie etwa strukturierten Schuldtiteln, die die in Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllen, mit Ausnahme jener des Art. 72a Abs. 2 lit. l der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 , dürfen nur dann im Betrag der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten enthalten sein, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:
- 1. Der Nennwert der aus dem Schuldtitel erwachsenden Verbindlichkeit ist zum Zeitpunkt der Emission bereits bekannt, fixiert oder steigt an und ist von keiner eingebetteten Derivatkomponente betroffen, und der Gesamtbetrag der aus dem Schuldtitel erwachsenden Verbindlichkeit einschließlich der eingebetteten Derivatkomponente kann täglich mit Bezug auf einen aktiven und aus Käufer- und Verkäufersicht liquiden Markt für ein gleichwertiges Instrument ohne Kreditrisiko im Einklang mit den Art. 104 und 105 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 bewertet werden oder
- 2. der Schuldtitel enthält eine vertragliche Klausel, in der festgelegt ist, dass der Wert der Forderung im Falle einer Insolvenz und einer Abwicklung des Emittenten fixiert ist oder ansteigt und nicht höher ist als der ursprünglich eingezahlte Betrag der Verbindlichkeit.
(4) Schuldtitel gemäß Abs. 3, einschließlich ihrer eingebetteten Derivate, dürfen keiner Saldierungsvereinbarung unterliegen und werden nicht gemäß § 91 Abs. 3 bewertet. Verbindlichkeiten gemäß Abs. 3 dürfen nur für den Teil, der dem in Abs. 3 Z 1 genannten Nennwert oder dem in Abs. 3 Z 2 genannten fixierten oder ansteigenden Betrag entspricht, im Betrag der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten enthalten sein.
(5) Werden Verbindlichkeiten von einem in der Union niedergelassenen Tochterunternehmen, das Teil derselben Abwicklungsgruppe ist wie die Abwicklungseinheit, an einen seiner bestehenden Anteilseigner, der nicht Teil derselben Abwicklungsgruppe ist, begeben, so dürfen diese Verbindlichkeiten im Betrag der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten dieser Abwicklungseinheit enthalten sein, wenn sämtliche nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- 1. Sie werden in Übereinstimmung mit § 105 Abs. 8 Z 1 begeben,
- 2. die Kontrolle der Abwicklungseinheit über das Tochterunternehmen wird durch die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung in Bezug auf diese Verbindlichkeiten gemäß §§ 70, 71 oder 72 nicht beeinträchtigt,
- 3. sie übersteigen nicht einen Betrag, der sich nach Abzug:
- a) der Summe der Verbindlichkeiten, die an die Abwicklungseinheit begeben und von dieser erworben werden, entweder direkt oder indirekt über andere Unternehmen derselben Abwicklungsgruppe, und des Betrags der gemäß § 105 Abs. 8 Z 2 begebenen Eigenmittel, von
- b) dem Betrag, der gemäß § 105 Abs. 8 Z 1 erforderlich ist,
- ergibt.
(6) Unbeschadet des Mindestbetrags gemäß § 102 Abs. 11 und 12 oder § 103 Abs. 1 Z 1 hat die Abwicklungsbehörde sicherzustellen, dass ein Teil der in § 104 genannten Anforderung in Höhe von 8 vH der gesamten Verbindlichkeiten, einschließlich Eigenmitteln, durch Abwicklungseinheiten, die G‑SRI sind, oder durch Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen, mit Eigenmitteln und mit nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumenten, oder mit Verbindlichkeiten gemäß Abs. 5 erfüllt wird. Die Abwicklungsbehörde kann zulassen, dass ein Niveau, das unter 8 vH der gesamten Verbindlichkeiten, einschließlich Eigenmitteln, aber über dem Betrag liegt, der sich aus der Anwendung der Formel (1 – X1 / X2) x 8 vH der gesamten Verbindlichkeiten, einschließlich Eigenmitteln, ergibt, durch Abwicklungseinheiten, die G‑SRI sind, oder durch Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen, mit Eigenmitteln und mit nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumenten, oder mit Verbindlichkeiten gemäß Abs. 9 und 10 erfüllt wird, sofern alle Voraussetzungen nach Art. 72b Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 erfüllt sind, wobei hinsichtlich der gemäß Art. 72b Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 möglichen Reduzierung gilt:
- 1. X1 = 3,5 vH des gemäß Art. 92 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 berechneten Gesamtrisikobetrags und
- 2. X2 = die Summe aus 18 vH des gemäß Art. 92 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 berechneten Gesamtrisikobetrags und dem Betrag der kombinierten Kapitalpufferanforderung.
(7) Ergibt sich durch die Anwendung von Abs. 6 für Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 11 und 12 unterliegen, eine Anforderung von mehr als 27 vH des Gesamtrisikobetrags, so hat die Abwicklungsbehörde für die betreffende Abwicklungseinheit den Teil der Anforderung gemäß § 104, der durch den Einsatz von Eigenmitteln, von nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumenten oder von Verbindlichkeiten gemäß Abs. 5 zu erfüllen ist, auf einen Betrag in Höhe von 27 vH des Gesamtrisikobetrags zu begrenzen, wenn die Abwicklungsbehörde zu der Einschätzung gelangt ist, dass
- 1. der Zugang zum Abwicklungsfinanzierungsmechanismus im Abwicklungsplan nicht als Option zur Abwicklung dieser Abwicklungseinheit betrachtet wird und
- 2. wenn Z 1 nicht zutrifft, die Abwicklungseinheit die Anforderungen gemäß § 87 Abs. 2 oder § 87 Abs. 5, je nach Anwendbarkeit, durch die Anforderung gemäß § 104 erfüllen kann.
(8) Bei der Durchführung dieser Einschätzung gemäß Abs. 7 hat die Abwicklungsbehörde auch das Risiko unverhältnismäßiger Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der betreffenden Abwicklungseinheit zu berücksichtigen. Abs. 7 ist auf Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen, nicht anzuwenden.
(9) Im Fall von Abwicklungseinheiten, die weder G‑SRI noch Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen, sind, kann die Abwicklungsbehörde beschließen, dass ein Teil der gemäß § 104 genannten Anforderung bis zu einer Höhe von 8 vH der gesamten Verbindlichkeiten, einschließlich Eigenmitteln, des Unternehmens und dem Betrag, der sich anhand der Formel gemäß Abs. 7 errechnet, – je nachdem, welcher Wert höher ist – mit Eigenmitteln, mit nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumenten oder mit Verbindlichkeiten gemäß Abs. 5 zu erfüllen ist, sofern die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- 1. Die in den Abs. 1 und 2 genannten nicht nachrangigen Verbindlichkeiten nehmen in der Insolvenzrangfolge denselben Rang ein wie bestimmte Verbindlichkeiten, die gemäß § 86 Abs. 2 bis 4 von den Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen ausgenommen sind;
- 2. es besteht ein Risiko, dass aufgrund des geplanten Gebrauchs von Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnissen bei nicht nachrangigen Verbindlichkeiten, die nicht gemäß § 86 Abs. 2 bis 4 von der Anwendung dieser Befugnisse ausgenommen sind, Gläubiger von aus diesen Verbindlichkeiten erwachsenden Forderungen größere Verluste zu tragen haben als bei einer Liquidation nach dem regulären Insolvenzverfahren und
- 3. die Höhe der Eigenmittel und anderen nachrangigen Verbindlichkeiten übersteigt nicht den Betrag, der erforderlich ist, um zu gewährleisten, dass die unter Z 2 genannten Gläubiger keine größeren Verluste erleiden, als es bei einer Liquidation nach dem regulären Insolvenzverfahren der Fall gewesen wäre.
(10) Stellt die Abwicklungsbehörde fest, dass innerhalb einer Kategorie von Verbindlichkeiten, die berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten einschließt, der Betrag der Verbindlichkeiten, die gemäß § 86 Abs. 2 bis 4 von der Anwendung der Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse ausgeschlossen sind oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten, insgesamt über 10 vH dieser Kategorie ausmacht, so hat die Abwicklungsbehörde das in Abs. 9 Z 2 genannte Risiko zu bewerten.
(11) Für die Zwecke der Abs. 6 bis 10 und 12 umfassen die gesamten Verbindlichkeiten auch Derivatverbindlichkeiten auf der Grundlage, dass die Saldierungsrechte der Gegenpartei uneingeschränkt anerkannt werden. Die Eigenmittel einer Abwicklungseinheit, die zur Erfüllung der kombinierten Kapitalpufferanforderung verwendet werden, sind für die Zwecke der Erfüllung der Anforderungen nach den Abs. 6 bis 10 und 12 berücksichtigungsfähig.
(12) Abweichend von Abs. 6 bis 8 kann die Abwicklungsbehörde beschließen, dass die Anforderung gemäß § 104 von Abwicklungseinheiten, die G‑SRI sind, oder von Abwicklungseinheiten, die § 102 Abs. 11 bis 14 unterliegen, mit Eigenmitteln, mit nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumenten oder mit Verbindlichkeiten gemäß Abs. 5 zu erfüllen ist, soweit die Summe dieser Eigenmittel, Instrumente und Verbindlichkeiten aufgrund der Verpflichtung der Abwicklungseinheit, den kombinierten Kapitalpufferanforderungen sowie den Anforderungen nach Art. 92a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 , § 102 Abs. 11 und 12 sowie § 105 nachzukommen, den höheren der folgenden Werte nicht übersteigt:
- 1. 8 vH der gesamten Verbindlichkeiten, einschließlich Eigenmitteln, des Unternehmens oder
- 2. den Betrag, der sich anhand der Formel A x 2 + B x 2 + C errechnet, wobei A, B und C die folgenden Beträge sind:
- a) A = der Betrag, der sich aufgrund der Anforderung nach Art. 92 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 ergibt;
- b) B = der Betrag, der sich aufgrund der Anforderung gemäß § 70b BWG ergibt,
- c) C = der Betrag, der sich aufgrund der kombinierten Kapitalpufferanforderung ergibt.
(13) Die Abwicklungsbehörde kann die in Abs. 12 genannte Befugnis in Bezug auf Abwicklungseinheiten ausüben, die G‑SRI sind oder die § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen und die eine der nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen, für bis zu höchstens 30 vH aller Abwicklungseinheiten, die G‑SRI sind oder die § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegen und für die die Abwicklungsbehörde die Anforderung gemäß § 104 festlegt. Die folgenden Voraussetzungen werden von der Abwicklungsbehörde berücksichtigt:
- 1. In der vorangegangenen Bewertung der Abwicklungsfähigkeit wurden wesentliche Hindernisse für die Abwicklungsfähigkeit ermittelt und
- a) nach Ergreifung der Maßnahmen gemäß § 29 Abs. 6 wurden innerhalb des von der Abwicklungsbehörde vorgeschriebenen Zeitplans keine Abhilfemaßnahmen ergriffen oder
- b) das ermittelte wesentliche Hindernis lässt sich durch keine der Maßnahmen gemäß § 29 Abs. 6 beseitigen und die Ausübung der Befugnis gemäß Abs. 12 würde die negativen Auswirkungen des wesentlichen Hindernisses für die Abwicklungsfähigkeit teilweise oder vollständig aufwiegen;
- 2. die Abwicklungsbehörde ist der Auffassung, dass die Durchführbarkeit und Glaubwürdigkeit der bevorzugten Abwicklungsstrategie der Abwicklungseinheit angesichts seiner Größe, seiner Verflechtungen, der Art, des Umfangs, des Risikos und der Komplexität seiner Tätigkeiten, seiner Rechtsform sowie seiner Beteiligungsstruktur beschränkt sind oder
- 3. in der Anforderung gemäß § 70b BWG wird berücksichtigt, dass die Abwicklungseinheit, die ein GSRI ist oder § 102 Abs. 11 und 12 oder § 102 Abs. 13 und 14 unterliegt, zu den 20 vH der Institute mit dem höchsten Risiko gehört, für die die Abwicklungsbehörde die Anforderung gemäß § 100 Abs. 1 festlegt.
(14) Für die Zwecke der Prozentsätze gemäß Abs. 13 rundet die Abwicklungsbehörde das berechnete Ergebnis auf die nächsthöhere ganze Zahl auf.
(15) Die Abwicklungsbehörde hat die Beschlüsse gemäß Abs. 9 oder 12 nach Anhörung der FMA zu fassen. Bei diesen Beschlüssen hat die Abwicklungsbehörde zudem zu berücksichtigen:
- 1. Die Markttiefe für die Eigenmittelinstrumente der Abwicklungseinheit und die nachrangigen berücksichtigungsfähigen Instrumente, die Bepreisung solcher Instrumente, sofern vorhanden, und die Zeit, die für die Ausführung jeglicher zum Zweck der Einhaltung des Beschlusses erforderlicher Transaktionen benötigt wird;
- 2. den Betrag der Instrumente berücksichtigungsfähiger Verbindlichkeiten, die allen in Art. 72a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Voraussetzungen genügen, mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beschluss gefasst wird, um quantitative Anpassungen an den Anforderungen gemäß Abs. 9, 10 und 12 vorzunehmen;
- 3. die Verfügbarkeit und den Betrag der Instrumente, die allen in Art. 72a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Voraussetzungen – mit Ausnahme der in Art. 72b Abs. 2 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 genannten Voraussetzungen – genügen;
- 4. die Frage, ob der Betrag der gemäß § 86 Abs. 2 bis 4 von der Anwendung der Herabschreibungs- und Umwandlungsbefugnisse ausgeschlossenen Verbindlichkeiten, die in regulären Insolvenzverfahren denselben Rang oder einen niedrigeren Rang einnehmen als die höchstrangigen berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten, erheblich ist, wenn er mit den Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten der Abwicklungseinheit verglichen wird; übersteigt der Betrag der ausgeschlossenen Verbindlichkeiten 5 vH des Betrags der Eigenmittel und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten der Abwicklungseinheit nicht, so gilt der ausgeschlossene Betrag als nicht erheblich; oberhalb dieses Schwellenwerts wird die Erheblichkeit der ausgeschlossenen Verbindlichkeiten von der Abwicklungsbehörde bewertet;
- 5. das Geschäftsmodell, das Refinanzierungsmodell und das Risikoprofil der Abwicklungseinheit sowie seine Stabilität und seine Fähigkeit, einen Beitrag zur Wirtschaft zu leisten und
- 6. die Auswirkungen etwaiger Umstrukturierungskosten auf die Rekapitalisierung der Abwicklungseinheit.
Schlagworte
Käufersicht, Herabschreibungsbefugnis
Zuletzt aktualisiert am
13.12.2021
Gesetzesnummer
20009037
Dokumentnummer
NOR40239165
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