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Grenzdurchschnittenes Flusskraftwerk

BMFBMF-010221/1598-IV/4/201021.6.20102010

EAS 3164

Hat eine österreichische AG in einem österreichisch-deutschen Grenzfluss ein Kraftwerk errichtet, dessen wesentliche Maschinensätze (Turbinen, Generatoren, Schalt- und Steuerungseinrichtungen) sich auf deutschem Staatsgebiet befinden und dessen erzeugter Strom in das deutsche Stromnetz eingespeist wird, dann unterhält diese österreichische AG eine grenzdurchschnittene Betriebstätte; dies mit dem Ergebnis, dass die der Betriebstätte zuzurechnenden Gewinne zwischen Deutschland und Österreich gemäß Artikel 7 DBA-Deutschland aufzuteilen sind.

Um den aufzuteilenden Betriebstättengewinn zu ermitteln, muss dieser allerdings in einem ersten Schritt aus dem Gesamtgewinn der AG abgeleitet werden. Für diese Gewinnzurechnung an die grenzdurchschnittene Betriebstätte (an das E-Werk) gilt der Fremdvergleichsgrundsatz des Artikels 7 Absatz 2 des DBA-Deutschland, der auf dem "separate entity approach" basiert und der davon ausgeht, dass zwei fiktive Fremdunternehmer (das E-Werk und das Stammhaus der AG) in Geschäftsbeziehung stehen. Dies wiederum verlangt darnach, dass zunächst eine Funktionsanalyse angestellt wird, in der zu ermitteln ist, welche Funktionen dem Stammhaus der AG und welche der Stromerzeugungsbetriebstätte des E-Werkes zukommen. Hierbei werden auch die weiterführenden Erläuterungen im OECD-Kommentar zu Artikel 7 und in dem darin rezipierten OECD-Bericht "Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments" ("AOA", Authorized OECD Approach) zu beachten sein.

Sollte sich herausstellen, dass das gesamte unternehmerische Risiko des Kraftwerksprojektes in den Händen des Stammhauses liegt und die Aufgabe des E-Werkes lediglich in der ihm vom Stammhaus zugewiesenen Aufgabe der Stromerzeugung und Einspeisung in das deutsche Stromnetz besteht (bloße "Auftragsproduktion"), dann wäre es jedenfalls verfehlt, die Erlöse aus dem Stromverkauf dem deutschen Betriebstättenteil nur deshalb zuzurechnen, weil sich das Maschinenhaus mit den stromerzeugenden Turbinen und Generatoren sowie den Schalt- und Steuerungsanlagen auf deutschem Staatsgebiet befindet und auf österreichischem Staatsgebiet lediglich die Wehranlagen existieren. Denn liegt das unternehmerische Geschäftsrisiko des gesamten Projektes in den Händen der Stammhausbetriebstätte und hat das Stammhaus lediglich die technische Stromerzeugung und Leitungseinspeisung an das E-Werk ausgelagert (vergleichbar einer Funktionsauslagerung an einen Lohnfertiger), dann wird aus dem Gesamtgewinn der AG nur ein nach der Kostenaufschlagsmethode herauszuschälender Produktionsgewinn der Betriebstätte zuzurechnen sein. Der Restgewinn muss diesfalls bei der Stammhausbetriebstätte verbleiben.

Ob im konkreten Besteuerungsfall die Sachverhaltsgegebenheiten diese Vermutung einer bloßen Auftragsproduktion durch die E-Werksbetriebstätte zu tragen vermögen, muss allerdings der Sachverhaltsermittlung und -würdigung im abgabenbehördlichen Ermittlungsverfahren vorbehalten bleiben. Eine entscheidende Rolle wird hierbei die Frage spielen, ob die dem Stromlieferungsprojekt zugrundeliegenden Verträge (und das durch diese Verträge übernommene kaufmännische Unternehmensrisiko) von den Verantwortungsträgern der Stammbetriebstätte der AG ausgehandelt wurden.

Jedenfalls kann erst nach Aufteilung des Gesamtgewinnes zwischen der Stammhausbetriebstätte und der E-Werksbetriebstätte, sonach erst in einem zweiten Schritt, die internationale Gewinnaufteilung der E-Werksbetriebstätte in Angriff genommen werden. Wie innerhalb ein- und derselben Betriebstätte eine zwischenstaatliche Gewinnaufteilung vorzunehmen ist, wird in den OECD-Arbeiten zu Artikel 7 nicht speziell geregelt. Es erscheint aber durchaus sachgerecht, dass dann, wenn der E-Werksbetriebstättengewinnanteil im Wege der Kostenaufschlagsmethode ermittelt wurde, die betriebstätteninterne Gewinnaufteilung nach Maßgabe der den beiden Betriebsstättenteilen zuzuordnenden Kosten erfolgt.

Zu diesen (einen aliquoten deutschen Gewinnanteil generierenden) Kosten der neuen Kraftwerksbetriebstätte werden aber die Kosten des Abbruchs des alten Kraftwerkes nicht zu zählen sein, weil dieses alte Kraftwerk eine andere (nunmehr liquidierte) Betriebstätte der österreichischen AG bildet. Denn nach dem dem Artikel 7 DBA zugrunde liegenden "separate entity approach" ist für die Fragen der internationalen Gewinnaufteilung bei dem gezeichneten Sachverhaltsbild im Ergebnis von drei fiktiven und voneinander unabhängigen Unternehmen auszugehen: Dem Stammhaus der AG, dem im Wege der Auftragsproduktion tätigen neuen E-Werk und dem nunmehr liquidierten alten Kraftwerk. Ein (fiktiv) unabhängiger Unternehmer, der den Auftrag zur Stromerzeugung übernimmt, wird bei seiner Preiskalkulation aber nicht die Abriss- und sonstigen Liquidationskosten eines anderen (fiktiv) unabhängigen Unternehmers berücksichtigen, wenn dieser seine Geschäftstätigkeit beendet.

Bundesministerium für Finanzen, 21. Juni 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

Art. 7 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Art. 7 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002

Schlagworte:

AOA, grenzdurchschnittenes Kraftwerk, separate entity approach, Gewinnaufteilung, Kostenaufschlagsmethode

Stichworte