Historisch gesehen hat die heutige KESt bereits eine relativ lange Entstehungsgeschichte. Eine eigene Kapitalertragsteuer wurde im Deutschen Reich – noch außerhalb des dEStG 1920 – mit dem Kapitalertragsteuergesetz 1920 (dRGBl 1920/54, 345) eingeführt (Tumpel in Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalertragsteuer 18). Darin war va für Dividenden und sonstige Gewinne aus Aktien oder GmbH-Anteilen, Zinsen aus Anleihen und Zinsen bei Lebens- und Kapitalversicherungen die Erhebung der Steuer durch den Schuldner der Kapitalerträge vorgesehen (§ 9 dKEStG 1920), obwohl Steuerträger (dh Steuerschuldner) der Gläubiger war (§ 7 dKEStG 1920). Die Steuer betrug 10% des Kapitalertrags (brutto) und wurde zugleich mit den Kapitalerträgen fällig (§§ 6, 10 dKEStG 1920). Ein „Steuerabzug vom Kapitalertrag“ findet sich sodann im deutschen EStG 1925 (dRGBl I 1925/39, 204). Danach wurde bei inländischen Kapitalerträgen (va Dividenden, Zinsen, Einkünften als stiller Gesellschafter) die Steuer durch einen 10 %igen Steuerabzug erhoben (Kirchmayr, Beteiligungserträge 33). Als inländische Kapitalerträge galten alle Kapitalerträge, wenn der Sitz oder Ort der Leitung des Schuldners im Inland lag. Bereits damals unterlag dem Steuerabzug vom Kapitalertrag der volle Kapitalertrag ohne Abzug von Schuldzinsen, Werbungskosten und des als Steuer abzuziehenden Betrags (Prinzip der Bruttobesteuerung; § 85 Abs 2 dEStG 1925).