VwGH Ro 2018/22/0006

VwGHRo 2018/22/00069.8.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. Dezember 2017, VGW-151/011/16453/2017-2, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: Z D, vertreten durch Mag. Nuray Tutus-Kirdere, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 6- 8/4/1), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018220006.J00

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Wien (VwG) wurde der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde), mit dem der Antrag des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" abgewiesen worden war, gemäß "§ 28 Abs. 3 Abs. 4 VwGVG" behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für zulässig erklärt.

2 Begründend führte das VwG im Wesentlichen aus, die Behörde sei nach Zitierung der Bestimmungen des Assoziationsabkommens EWG-Türkei zunächst zu dem Ergebnis gelangt, der Mitbeteiligte erfülle die Voraussetzungen für die beantragte Zweckänderung von einem Aufenthaltstitel "Student" zu einer "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", habe dann jedoch - offenkundig auf Weisung des Bundesministers für Inneres - den Zweckänderungsantrag abgewiesen. Das VwG sehe sich nicht gehalten, "aus dieser unverständlichen Begründung, die zu anfangs dem Zweck Änderungsbegehren des BF Rechnung trägt, jedoch zu einem völlig widersprüchlichen Lösungsansatz, sichtlich über Weisung des Bundesministers für Inneres sich durchringt, eine Beschwerdeentscheidung in merito herbeizuführen; ist doch nach Feststellung im angefochtenen Bescheid das korrelierende Verlängerungsverfahren für den Zweck Student noch gar nicht abgeschlossen; wiewohl unter Berufung darauf der gegenständliche Antrag abgewiesen wurde."

Die ordentliche Revision sei unter anderem deshalb zulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes "zur Frage der Zulässigkeit des Weisungsrechtes des Bundesministers für

Inneres in Bezug auf den Landeshauptmann .... und weitergehend zur

Frage der Bindungswirkung des Verwaltungsgerichtes" vorliege. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Zurückverweisungen "für sich wäre nicht als uneinheitlich zu beurteilen; gegenständlich liegt jedoch der Zurückweisungsgrund ausschließlich in der aus Sicht des erkennenden Gerichtes unzulässigen Vermengung der beiden Aufenthaltstitel, der sich daraus ergebenden Begründungswidersprüche und respektive zur Frage der Zulässigkeit der Weisungskompetenz des Bundesministers für Inneres".

3 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der Behörde.

4 Der Mitbeteiligte verzichtete auf eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Der Revisionswerber rügt in der Zulässigkeitsbegründung mit näheren Ausführungen ein Abweichen des angefochtenen Beschlusses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zulässigkeit der Zurückverweisung gemäß § 28 VwGVG.

6 Im Hinblick darauf erweist sich die Amtsrevision als zulässig; sie ist auch begründet.

7 Die Zurückverweisungsmöglichkeit nach § 28 Abs. 3 VwGVG stellt eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat, oder wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 22.3.2018, Ra 2017/01/0287, mwN).

8 Das VwG begründet seinen Zurückverweisungsbeschluss jedoch nicht mit Ermittlungslücken; dass der maßgebliche Sachverhalt nicht feststünde, ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen. Das VwG sah sich vielmehr aufgrund einer "unverständlichen Begründung" und einer vermeintlichen Widersprüchlichkeit des Bescheides der Behörde sowie dem noch nicht abgeschlossenen Verlängerungsverfahren betreffend den Aufenthaltstitel "Student" beziehungsweise der "unzulässigen Vermengung der beiden Aufenthaltstitel" nicht dazu verhalten, "eine Beschwerdeentscheidung in merito herbeizuführen".

9 Damit verkennt das VwG jedoch den Regelungsinhalt des § 28 VwGVG. Steht der maßgebliche Sachverhalt fest, hat das VwG die sich daraus ergebenden Rechtsfragen jedenfalls selbst zu beantworten. Dies ergibt sich aus der grundsätzlichen Verpflichtung der Anordnung des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG zur Entscheidung in der Sache und entspricht der Zielsetzung des Gesetzgebers, einen neuerlichen Instanzenzug durch kassierende Entscheidungen des VwG grundsätzlich zu vermeiden (vgl. VwGH 26.3.2015, Ro 2015/22/0011).

10 Im Hinblick darauf war der angefochtene Beschluss in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

11 Im Übrigen stellt sich der Bescheid der Behörde aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofes weder als unverständlich noch als widersprüchlich dar.

Wien, am 9. August 2018

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