VwGH Ro 2018/15/0009

VwGHRo 2018/15/00093.4.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamtes Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 17. Mai 2018, Zl. RV/5100403/2018, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: R M in L, vertreten durch Dr. Helmut Engelbrecht, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 3), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §37 Abs2
EStG 1988 §37 Abs2 Z2
EStG 1988 §41 Abs4
EStG 1988 §46 Abs1 Z3
EStG 1988 §67

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150009.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von 1.106,40 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte beantragte im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016, die von ihrem ehemaligen Dienstgeber (einer Bank) erhaltene Pensionsabfindung (Abfindung von 50 % der Pensionsansprüche) auf drei Kalenderjahre verteilt steuerlich zu erfassen (§ 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988).

2 Das Finanzamt entsprach dem Antrag nicht. Die gegen den Einkommensteuerbescheid 2016 erhobene Beschwerde wies es mit der Begründung ab, eine Dreijahresverteilung sei nur möglich, wenn das Anwartschaftsrecht zur Gänze abgefunden werde.

3 Die Mitbeteiligte beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid 2016 ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe einen Rechtsanspruch auf eine Firmenpension (direkte Leistungszusage) in Form einer lebenslangen monatlichen Rente. Der frühere Arbeitgeber habe der Mitbeteiligten und den anderen ehemaligen Dienstnehmern mit Anspruch auf Betriebspension mit Schreiben vom 30. Oktober 2015 das "einmalige Angebot" unterbreitet, die Betriebspension entweder zu 100 %, zu 75 %, zu 50 % oder zu 25 % abzufinden und diesen Abfindungsbetrag bis 5. Jänner 2016 zu leisten. Als Ende der Frist zur Annahme des Angebotes sei der 14. Dezember 2015 festgelegt worden. Aus den mitübermittelten Unterlagen gehe hervor, dass sich das Angebot an alle Pensionisten des Dienstgebers gewandt habe; dass die Höhe des Angebotes nicht verhandelbar gewesen sei; dass die Bank dieses Angebot aus Sicht Ende Oktober 2015 nicht wiederholen würde und dass sich die monatliche Pensionsleistung durch die Annahme des Angebotes entsprechend reduzieren würde.

6 Die Mitbeteiligte habe dieses Angebot auf Teilabfindung angenommen; sie habe sich für ein Ausmaß von 50 % entschieden. Der Abfindungsbetrag sei vom Dienstgeber bei der Auszahlung im Jänner 2016 gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 voll besteuert worden.

7 Der Pensionsanspruch habe monatlich 350,61 EUR betragen und habe sich durch die Abfindung um 50 % auf monatlich 175,30 EUR reduziert. Der Abfindungsbetrag habe 38.192 EUR betragen.

8 Der Berechnung des Abfindungsbetrages zum Stichtag 31. Dezember 2015 sei eine statistische Restlebenserwartung der Mitbeteiligten (inklusive allfällig bestehender Hinterbliebenenanwartschaften) von 21,80 Jahren zugrunde gelegt worden. Die Berechnung des Abfindungsbetrages sei nach anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik erfolgt.

9 Für die Dreijahresverteilung iSd § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei es nicht erforderlich, dass die Einkunftsquelle zur Gänze wegfalle. Dafür spreche schon der Umstand, dass der Gesetzgeber des EStG 1988 auch die Teilbetriebsveräußerung und die (drohende) Enteignung einzelner Wirtschaftsgüter in die optionale Möglichkeit der Verteilung der Einkünfte auf drei bzw. fünf Jahre einbezogen habe. Der Zeitraum für den die Entschädigung gewährt worden sei, übersteige den erforderlichen Zeitraum von sieben Jahren, weil die Berechnung auf Basis einer Lebenserwartung von 21,80 Jahren erfolgt sei. Auch die weitere Voraussetzung, wonach die strittigen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum anfallen müssten, sei gegenständlich erfüllt. Denn das Gesetz meine offensichtlich nicht die gesamten Einkünfte aus einer Einkunftsquelle, sondern nur die Einkunftsteile, die als Entschädigungszahlung begünstigt besteuert werden sollen. Jede andere Interpretation würde die Veräußerung von Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen, die Enteignung einzelner Wirtschaftsgüter und auch die Übergangsgewinne von vornherein von der Begünstigung ausschließen.

10 Der bekämpfte Einkommensteuerbescheid, der die beantragte Dreijahresverteilung versagt habe, sei deshalb rechtswidrig.

11 Das Bundesfinanzgericht teile aber auch nicht die Rechtsansicht der Finanzverwaltung, wonach für den Fall der Zulässigkeit der Dreijahresverteilung einer Pensionsabfindung je ein Drittel der einbehaltenen Lohnsteuer in den drei Jahren, in denen die Abfindung aliquot versteuert werde, anzurechnen sei. Schon der unabhängige Finanzsenat sei dieser Ansicht nicht gefolgt. Nach der verfassungskonformen Intention des Gesetzgebers bestehe der Zweck der Dreijahresverteilung nicht nur in der Glättung und damit der Ermäßigung der Progression, sondern auch in der zinsenlosen Stundung. Eine solche zinsenfreie Stundung der Einkommensteuer könne bei steuerabzugspflichtigen Einkünften nur dadurch erreicht werden, dass im Fall der Option zur Dreijahresverteilung die gesamte Lohnsteuer schon im ersten Jahr zur Gänze angerechnet bzw. gutgeschrieben werde. Eine auf ein Drittel reduzierte Anrechnung würde den Steuerstundungseffekt konterkarieren und damit die lohnsteuerabzugspflichtigen Einkünfte gegenüber ausschließlich im Veranlagungswege zu erhebenden Einkünften grob benachteiligen.

12 Die vom Dienstgeber einbehaltene Lohnsteuer sei im Rahmen der Veranlagung zur Gänze anzurechnen.

13 Zur Verteilung einer teilweisen Pensionsabfindung auf drei Jahre und die Höhe der in den drei Jahren anzurechnenden Lohnsteuer gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Eine Revision sei daher zulässig.

14 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Das Finanzamt bekämpft das Erkenntnis insoweit, als das Bundesfinanzgericht eine Dreijahresverteilung gemäß § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 bei einer bloßen Teilabfindung anerkannt hat; weiters insoweit, als das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen ist, dass die von der gesamten Pensionsteilabfindung durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge bereits bei Veranlagung des ersten Drittels vollständig anzurechnen seien, obwohl es dadurch zu einer Anrechnung von Steuer auf Einkünfte komme, die im ersten Jahr noch nicht veranlagt worden seien.

15 Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

 

16 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

17 Die Revision ist zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 31. Jänner 2019, Ro 2018/15/0008, zwar bereits die Frage geklärt hat, unter welchen Voraussetzungen auch Teilabfindungen der Dreijahresverteilung gemäß § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zugänglich sind. Auf Grund der in jenem Fall vorzunehmenden Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichts konnte jedoch eine Auseinandersetzung mit der weiters strittigen Frage der Anrechnung der einbehaltenen Lohnsteuer unterbleiben.

18 Im Erkenntnis vom 31. Jänner 2019, Ro 2018/15/0008, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass entgangene oder entgehende Einnahmen iSd § 32 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 auch dann vorliegen, wenn nur ein Teil der ursprünglich zustehenden Einnahmen auf Grund einer Abfindungsvereinbarung entgehen. Begünstigt ist eine Abfindung nach § 37 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 aber nur dann, wenn die Entschädigung für einen Zeitraum von mindestens sieben Jahren gewährt wird, also eine Entschädigung in Bezug auf sieben volle Jahresbeträge vorliegt. Eine Abfindung nur eines Teils eines Anspruchs bewirkt, dass die Zusammenballung nur in einem geringeren Ausmaß eintritt. Eine Abfindung etwa von 10 % der Pensionsanwartschaften würde bewirken, dass bei einer Abfindung über einen Zeitraum von sieben Jahren lediglich 70 % eines Jahresbetrages zu besteuern wären. Eine "erhebliche Zusammenballung" läge in diesem Fall nicht vor. Eine erhebliche Zusammenballung von Einkünften kann damit nur dann angenommen werden, wenn die Entschädigung dem Barwert der vollen Pensionsanwartschaft für zumindest sieben Jahre entspricht.

19 Im gegenständlich vorliegenden Fall einer Abfindung von 50 % der Pensionsanwartschaften ergibt bereits eine überschlägige Ermittlung des Barwerts (ausgehend von den vom Arbeitgeber zugrunde gelegten Prämissen, insbesondere einer Abzinsung von 3 %), dass die hier vereinbarte und ausbezahlte Abfindung in Höhe von 38.192 EUR diesen Betrag jedenfalls erreicht.

20 Damit setzte das Bundesfinanzgericht die teilweise Pensionsabfindung im Ergebnis zu Recht über Antrag der mitbeteiligten Partei auf drei Jahre verteilt, im Streitjahr 2016 somit zu lediglich einem Drittel an.

21 Für diesen Fall vertritt das revisionswerbende Finanzamt die Ansicht, dass nur ein Drittel der Lohnsteuer bei der Veranlagung angerechnet werden dürfe. Die verbleibenden zwei Drittel der Pensionsabfindung stellten im ersten Jahr keine "veranlagten Einkünfte" dieses Veranlagungsjahres dar.

22 Nach § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 werden die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, auf die Einkommensteuerschuld angerechnet.

23 Zweck der Begünstigung des § 37 Abs. 2 EStG 1988 ist neben der Ermäßigung der Progression auch eine Steuerstundung (vgl. Fraberger/Papst in Doralt et al, EStG18 § 37 Tz 3). Vor diesem Hintergrund ist § 46 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 dahingehend zu interpretieren, dass die zum Zeitpunkt der Auszahlung der Abfindung einbehaltenen Lohnsteuer zur Gänze bei der Veranlagung für das erste Jahr zur Anrechnung gelangt.

24 Auch der Umstand, dass der Arbeitgeber im Kalendermonat der Zahlung zu Recht von der Pensionsabfindung gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 iVm § 124b Z 53 erster Satz EStG 1988 Lohnsteuer einbehalten hat und somit keine zu Unrecht einbehaltene Lohnsteuer iSd § 240 BAO vorliegt, steht entgegen der von der Revision vertretenen Ansicht einer Anrechnung der gesamten Lohnsteuer im Streitjahr nicht entgegen. § 67 EStG 1988 hat die lohnsteuerliche Behandlung sonstiger Bezüge zum Inhalt. Abschließend gibt er die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge aber nur insoweit vor, als diese nicht in eine Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen sind (vgl. VwGH 25.4.2013, 2010/15/0158).

25 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

26 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 3. April 2019

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