VwGH Ro 2017/01/0006

VwGHRo 2017/01/000621.6.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der Landespolizeidirektion Salzburg gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 18. Mai 2017, Zl. 405-12/9/1/20-2017, betreffend kriminalpolizeiliche Sicherstellung gemäß § 110 Abs. 3 StPO (mitbeteiligte Partei: P F M R in S, vertreten durch Mag. Johannes Koman, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Imbergstraße 19), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
SPG 1991 §2 Abs2;
SPG 1991 §3;
StPO 1975 §99 Abs2;
VwGG §34 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RO2017010006.J00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Im Zuge einer (wegen des Verdachts der Begehung einer Beharrlichen Verfolgung gemäß § 107a StGB) erfolgten Vernehmung des Mitbeteiligten in der Polizeiinspektion M (im Folgenden: PI) stellte die Kriminalpolizei aus Beweisgründen zwei Mobiltelefone des Mitbeteiligten gemäß § 110 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 lit c Strafprozessordnung (StPO) sicher.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde Folge, erklärte die Sicherstellung für rechtswidrig, verpflichtete die Revisionswerberin zum Kostenersatz und erklärte die ordentliche Revision für zulässig.

3 Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der seit 1. August 2016 geltenden Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei im Sinne des § 106 StPO gäbe. Darüber hinaus sei auch keine Judikatur der Höchstgerichte zur Auslegung der Wortfolge "am Tatort aufgefunden" nach § 110 Abs. 3 lit. c StPO bekannt.

4 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision der belangten Behörde, in der zur Zulässigkeit ausgeführt wird, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der Wortfolge "am Tatort aufgefunden" nach § 110 Abs. 3 lit. c StPO im Zusammenhang mit Mobiltelefonen sowie zum (vom Verwaltungsgericht angenommenen) Erfordernis von "Gefahr im Verzug" für eine kriminalpolizeiliche Befugnisausübung nach § 110 Abs. 3 StPO.

5 Der Mitbeteiligte erstattete, vertreten durch seinen Rechtsanwalt, eine Revisionsbeantwortung, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragte.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Die Revision ist nicht zulässig.

9 Gemäß § 99 Abs. 2 StPO kann die Kriminalpolizei eine Ermittlungsmaßnahme, für die eine Anordnung der Staatsanwaltschaft erforderlich ist, bei Gefahr im Verzug ohne diese Anordnung ausüben. Gemäß § 106 Abs. 1 StPO (idF BGBl. I Nr. 85/2015) steht Einspruch an das Gericht jeder Person zu, die behauptet, im Ermittlungsverfahren durch Staatsanwaltschaft aus den dort näher genannten Gründen in einem subjektiven Recht verletzt zu sein. Gemäß § 109 Z 1 lit. a StPO ist "Sicherstellung" (ua.) die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände. Gemäß § 110 Abs. 1 Z 1 StPO ist Sicherstellung zulässig, wenn sie aus Beweisgründen erfolgt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist Sicherstellung von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

Gemäß § 110 Abs. 3 Z 1 lit. c StPO ist die Kriminalpolizei berechtigt, Gegenstände (§ 109 Z 1 lit. a) von sich aus sicherzustellen, wenn sie am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten.

10 Im vorliegenden Fall erfolgte die Sicherstellung der Mobiltelefone des Mitbeteiligten im Sinn der letztgenannten Bestimmung unstrittig durch die "Kriminalpolizei von sich aus" (und nicht über Anordnung der Staatsanwaltschaft).

11 In Bezug auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage der seit 1. August 2016 geltenden "Zuständigkeitsabgrenzung" zwischen Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei "im Sinne des § 106 StPO", ist nicht ersichtlich, welche - für die Lösung des gegenständlichen Revisionsfalles relevante - Rechtsfrage sich im Hinblick auf die Bestimmung § 106 Abs. 1 StPO (in der Fassung BGBl. I Nr. 85/2015, nach Aufhebung der Wortfolge "Kriminalpolizei oder") stellt, zumal die angefochtene Maßnahme ("Sicherstellung") durch die Kriminalpolizei erfolgte und eine Einspruchsmöglichkeit an das (ordentliche) Gericht insoweit nicht bestand (vgl. dazu bereits VwGH 28.3.2017, Ra 2017/01/0059).

12 Soweit vom Verwaltungsgericht (und in der Revision) zur Zulässigkeit ausgeführt wird, es bestehe keine Rechtsprechung zur Auslegung der Wortfolge "am Tatort aufgefunden" in § 110 Abs. 3 Z 1 lit. c StPO (insbesondere im Zusammenhang mit Mobiltelefonen), ist dem zu entgegnen, dass nach dem festgestellten Sachverhalt der Mitbeteiligte eines seinerbeiden Mobiltelefone dem einvernehmenden Polizeibeamten über dessen Aufforderung in der PI aushändigte, das andere Mobiltelefon vom Polizeibeamten aus dem vor der PI geparkten PKW des Mitbeteiligten genommen wurde, nachdem der Mitbeteiligte angegeben hatte, dass es sich dort befinde. Die dem angefochtenen Erkenntnis zu Grunde liegende Auffassung, dass es sich in beiden Fällen nicht um ein "Auffinden (der Mobiltelefone) am Tatort" handle, ist fallbezogen nicht zu beanstanden. Eine - für das Aufgreifen des Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof im Revisionsmodell erforderliche - krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Verwaltungsgericht liegt nicht vor (vgl. etwa VwGH 27.2.2018, Ra 2018/01/0052).

13 Soweit die Revision darüber hinaus in den Zulässigkeitsgründen vorbringt, das Verwaltungsgericht habe im vorliegenden Fall "Gefahr im Verzug" als Voraussetzung der Befugnisausübung der Kriminalpolizei nach § 110 Abs. 3 StPO angenommen, ist dem zu entgegnen, dass das Verwaltungsgericht festgestellt hat, die Sicherstellung sei vom handelnden Polizeibeamten gerade nicht mit "Gefahr im Verzug" (im Sinne des § 99 Abs. 2 StPO) begründet worden. Davon ausgehend hat sich das Verwaltungsgericht mit der Frage des Vorliegens von "Gefahr im Verzug" gemäß § 99 Abs. 2 StPO nicht auseinandergesetzt. Die von der Revision angesprochene Rechtsfrage ist daher im vorliegenden Fall nicht von Relevanz.

14 Im Übrigen ist allgemein darauf hinzuweisen, dass die "Kriminalpolizei" nicht zur Sicherheitspolizei bzw. Sicherheitsverwaltung zählt, sondern Behördenhandeln im Dienst der Strafjustiz darstellt (vgl. auch dazu VwGH Ra 2017/01/0059, mwN). Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien kommt dem Verwaltungsgerichtshof aber keine Leitfunktion zu (vgl. zur StPO VwGH 11.5.2017, Ro 2017/04/0004, mwN).

15 Weder das angefochtene Erkenntnis noch die Revision werfen somit Rechtsfragen auf, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff, insbesondere §§ 48 Abs. 3 Z 2 und 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 21. Juni 2018

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