VwGH Ro 2016/21/0015

VwGHRo 2016/21/00154.8.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag.a Ortner, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das am 15. April 2016 mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes, W186 2124407- 1/7Z, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: J M M N, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx in 1090 Wien, Pulverturmgasse 4/2/R01), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §62 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
AVG §62 Abs4;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §25a Abs1;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Gegen den Mitbeteiligten, einen Staatsangehörigen der Republik Kamerun, wurde mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 6. April 2016 gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt und anschließend im Polizeianhaltezentrum in Wien vollzogen. Zielstaat der Abschiebung, die für den 3. Mai 2016 geplant war, sollte das für den vom Mitbeteiligten gestellten Antrag auf internationalen Schutz gemäß der Dublin III-VO zuständige Königreich Spanien sein.

2 Gegen die Schubhaftanordnung und gegen die darauf gegründete Anhaltung erhob der Mitbeteiligte unter anderem mit der (zusammengefassten) Begründung, er habe sich im Verfahren bisher kooperativ verhalten und wäre aufgrund seiner Unterbringung im Flüchtlingsquartier Traiskirchen für die Behörden stets erreichbar gewesen, mit Schriftsatz vom 8. April 2016 Beschwerde, über die das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am 15. April 2016 verhandelte.

3 Am Ende dieser Verhandlung, zu der kein Vertreter des BFA gekommen war und in der der Mitbeteiligte ausführlich befragt wurde, verkündete die Richterin des BVwG das angefochtene Erkenntnis, mit dem der Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG und hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattgegeben und sowohl der Schubhaftbescheid als auch "die Anhaltung seit 03.07.2015, 15.0 Uhr" für rechtswidrig erklärt wurden (Spruchpunkte I. und II.). Weiters wurde gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen (Spruchpunkt III.). Im Hinblick darauf wurde der Mitbeteiligte noch am selben Tag enthaftet; am 3. Mai 2016 wurde er nach Spanien abgeschoben.

4 Mit Schriftsatz vom 24. Mai 2016 erhob das BFA gegen das mündlich verkündete Erkenntnis die gegenständliche Amtsrevision, die im Hinblick auf den vom BVwG unterlassenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. § 25a Abs. 1 VwGG) als ordentliche Revision zu behandeln ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Juni 2014, Fr 2014/12/0001 und Ro 2014/12/0037). Auch für eine solche ordentliche Revision gilt, dass darin "von sich aus" die Gründe für deren Zulässigkeit unter dem genannten Gesichtspunkt darzulegen sind (vgl. den hg. Beschluss vom 24. März 2015, Ro 2014/05/0089).

5 Nach dem Inhalt der in der Verhandlungsschrift protokollierten Begründung liegt dem angefochtenen Erkenntnis die Auffassung zugrunde, es könne hinsichtlich des Mitbeteiligten nicht von erheblicher Fluchtgefahr ausgegangen werden und er sei bereit, an seiner Außerlandesbringung mitzuwirken, den Termin der "avisierten" Überstellung in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen oder einer anderen Asylwerberunterkunft abzuwarten und den mit einem gelinderen Mittel verbundenen Verpflichtungen nachzukommen. Das gründete das BVwG auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf die als glaubwürdig beurteilte Aussage des Mitbeteiligten, die zusammenfassend dahin gewürdigt wurde, er sei selbst an einer Überstellung nach Spanien "interessiert".

6 Dieser Einschätzung des BVwG, die sich vor allem dadurch, dass der Mitbeteiligte für die am 3. Mai 2016 geplante Abschiebung dann tatsächlich zur Verfügung stand, auch nachträglich bestätigte, tritt das BFA in der Amtsrevision inhaltlich nicht entgegen. Vielmehr bemängelt es das vom BVwG verkündete Erkenntnis vor allem in Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. lediglich in formeller Hinsicht. In der Revision wird allerdings nicht ausreichend dargetan, welche fallbezogen relevanten Auswirkungen die behaupteten Unzulänglichkeiten nach sich gezogen hätten, sodass diese Einwände letztlich ins Leere gehen.

7 Das gilt zunächst dafür, dass - wie die Revision an sich zutreffend moniert - in den genannten Spruchpunkten des angefochtenen Erkenntnisses in Bezug auf die Stattgebung der Schubhaftbeschwerde als verfahrensrechtliche Norm richtig die speziellere Bestimmung des § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG und nicht die allgemeine Regelung des § 7 Abs. 1 Z 1 und 3 BFA-VG anzuführen gewesen wäre. Dass das BVwG - wie auch schon das BFA bei Erlassung des Schubhaftbescheides - aber die materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft, die darauf gegründete Anhaltung und deren Fortsetzung am Maßstab des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin III-VO iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG geprüft hat, ergibt sich zwanglos aus dem Abstellen auf die im Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO als eine der Bedingungen für Schubhaft geforderte "erhebliche Fluchtgefahr", deren Vorliegen vom BVwG (offenbar vor dem Hintergrund der in § 76 Abs. 3 FPG angeführten Kriterien) verneint wurde. Es trifft daher nicht zu, dass es das BVwG "verunmöglicht" habe, "nachzuvollziehen, welche gesetzlichen Bestimmungen für seine Entscheidung tragend waren".

8 Soweit in der Revision gerügt wird, die zu fordernde Gliederung in Feststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung finde sich in der Begründung nur ansatzweise und das BVwG "verknappe" sowohl die Ausführungen zur Beweiswürdigung als auch jene zur rechtlichen Beurteilung, ist dem BFA zwar zuzugestehen, dass die protokollierte Begründung die wesentlichen Entscheidungsgründe tatsächlich nur sehr komprimiert wiedergibt. Es ist jedoch - entgegen dem Standpunkt in der Revision - insbesondere ausreichend erkennbar, dass das BVwG - offenbar aufgrund des in der Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks und angesichts der evident als stichhältig angesehenen Darlegungen des Mitbeteiligten - von dessen Glaubwürdigkeit und demzufolge von der Richtigkeit des Beschwerdevorbringens ausgegangen ist. Damit ist aber - anders als das BFA meint - auch nachvollziehbar, weshalb das BVwG dem "gegenteiligen Vorbringen des Bundesamtes" nicht gefolgt ist.

9 Angesichts dessen lässt sich somit im vorliegenden Fall nicht sagen, das angefochtene mündlich verkündete Erkenntnis sei insgesamt einer nachprüfenden Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nicht zugänglich bzw. das BFA sei an der Geltendmachung von dessen Rechtswidrigkeit vor dem Verwaltungsgerichtshof gehindert (siehe zum Ganzen auch den einen ähnlichen Amtsrevisionsfall betreffenden Beschluss vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0178, Rz 6 und 7).

10 Daran ändert nichts, dass das BVwG - offenbar irrtümlich - die Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft "seit 03.07.2015, 15.0 Uhr" für rechtswidrig erklärte, weil es völlig unzweifelhaft um die nach Erlassung des gegenständlichen Schubhaftbescheides am 6. April 2016 vollzogene Schubhaft ging. Dieser - berichtigungsfähige - Fehler kann daher im vorliegenden Fall auf sich beruhen, zumal dieser Spruchteil des angefochtenen Erkenntnisses auch schon vor einer Berichtigung in der richtigen Fassung zu lesen ist (vgl. etwa Punkt 3. des hg. Erkenntnisses vom 14. Februar 2013, Zl. 2010/08/0013, mwN).

11 Schließlich meint das BFA in seiner Amtsrevision noch, das BVwG hätte am Maßstab der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union selbst ein gelinderes Mittel anzuordnen gehabt, wenn es ein solches für ausreichend erachte. Das trifft nicht zu. Diesbezüglich genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Begründung in der Rz 8 des schon genannten Beschlusses vom 30. Juni 2016, Ra 2016/21/0178, zu verweisen.

12 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die Amtsrevision des BFA mangels Vorliegens von grundsätzlichen Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG in Anwendung des § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen war. Wien, am 4. August 2016

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