VwGH Ro 2015/08/0023

VwGHRo 2015/08/002314.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Gruber, über die Revisionen der revisionswerbenden Parteien

  1. 1. Arbeitsmarktservice St. Pölten (hg. Ro 2015/08/0023) und
  2. 2. C P in S, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs Kai 5 (hg. Ro 2015/08/0024), gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17. Juli 2015, W228 2105609-1/10E, betreffend Behebung und Zurückverweisung in einer Angelegenheit nach dem AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §26 Abs1 Z1 idF 2007/I/104;
B-VG Art130;
VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs4;
VwGVG 2014 §28;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Zweitrevisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Zweitrevisionswerberin beantragte bei der Erstrevisionswerberin (in der Folge: AMS St. Pölten) am 10. September 2014 die Zuerkennung eines Weiterbildungsgeldes gemäß § 26 Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG). Dazu brachte sie vor, sie sei bei der Stadt Wien als Religionslehrerin beschäftigt. Sie habe mit ihrer Dienstgeberin Bildungskarenz vom 11. September 2014 bis 6. September 2015 vereinbart. Sie werde vom 11. September 2014 bis 19. November 2014 einen Italienischkurs und vom 17. Oktober 2014 bis 14. Februar 2015 eine Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" absolvieren.

2 Mit Bescheid vom 16. Dezember 2014 sprach das AMS St. Pölten der Zweitrevisionswerberin Weiterbildungsgeld gemäß § 26 Abs. 1 AlVG ab 17. Oktober 2014 zu und brachte damit zum Ausdruck, dass ihr in der Zeit vom 11. September 2014 bis 16. Oktober 2014 kein Weiterbildungsgeld zustehe. Dazu führte das AMS St. Pölten aus, erst ab Beginn der Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" sei eine ausreichende Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen worden.

3 In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde brachte die Zweitrevisionswerberin ergänzend vor, sie habe zunächst beabsichtigt, während der Bildungskarenz eine Ausbildung zur Volksschullehrerin zu absolvieren. Es habe sich jedoch ergeben, dass diese Ausbildung mit der Pflege ihres vierzehn Monate alten Sohnes nicht in Einklang zu bringen gewesen wäre. Sie habe sich daher entschlossen, stattdessen die Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" zu beginnen. Das Weiterbildungsgeld stehe bereits ab Beginn der Bildungskarenz zu, da auch Vorlaufzeiten zu berücksichtigen seien. Ihr "Vorbereitungsaufwand" habe 114,5 Stunden betragen, wobei sie Beratungsgespräche zur Bildungskarenz geführt, die Möglichkeiten der Ausbildung zur Volksschullehrerin bzw. der Kinderbetreuung während dieser Ausbildung abgeklärt und in der Folge andere passende Ausbildungen gesucht habe. Auch habe sie einen Italienischkurs besucht.

4 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16. März 2015 wies das AMS St. Pölten die dagegen gerichtete Beschwerde der Zweitrevisionswerberin ab. Dazu stellte es fest, die Zweitrevisionswerberin habe mit ihrer Arbeitgeberin, der Stadt Wien, laut der vorgelegten Bescheinigung eine Bildungskarenz für die Zeit vom 11. September 2014 bis 12. März 2015 vereinbart. Aus den vorgelegten Bestätigungen ergebe sich, dass sie vom 10. September 2014 bis 19. November 2014 einen Italienischkurs im Ausmaß von 4,5 Stunden pro Woche und vom 17. Oktober 2014 bis 14. Februar 2015 eine Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" mit einem Zweitaufwand von 15 Unterrichtsstunden pro Woche und insgesamt 36 Stunden Praktika, 40 Stunden Vorbereitung auf die Prüfung und Erstellung eines Fallprojektes sowie 14 Stunden Vor- und Nachbereitung der Lehrveranstaltungen absolviere. Die Zweitrevisionswerberin sei schwanger. Voraussichtlicher Geburtstermin sei der 7. Mai 2015. Seit 12. Februar 2015 habe sie Anspruch auf Wochengeld.

Unter Beachtung der Betreuungspflicht für ihren im Jahr 2013 geborenen Sohn sei bei der Zweitrevisionswerberin gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG Voraussetzung der Gewährung des Weiterbildungsgeldes die Absolvierung einer Weiterbildungsmaßnahme, deren Ausmaß zumindest 16 Wochenstunden betrage. Das Weiterbildungsgeld stehe daher erst ab Beginn der Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" mit 17. Oktober 2014 zu. Lediglich in begründeten Fällen, die hier aber nicht vorlägen, könnten "Vor- bzw. Nachlaufzeiten" der Ausbildung berücksichtigt werden.

5 Die Zweitrevisionswerberin stellte einen Vorlageantrag. Nach Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichtes, dazu Stellung zu nehmen, warum das AMS St. Pölten seinen "Ermessensspielraum" bei seiner Entscheidung überschritten habe, erklärte die Zweitrevisionswerberin mit Schriftsatz vom 2. Juni 2015, außer Streit zu stellen, dass sie vor 17. Oktober 2014 keine andere Ausbildung als einen Italienischkurs im Ausmaß von 4,5 Wochenstunden besucht habe, und führte in Konkretisierung ihres bisherigen Vorbringens aus, sie habe zunächst vorgehabt, während der Bildungskarenz eine Ausbildung zur Volksschullehrerin zu absolvieren. Sie habe etwa 24 Stunden für die Suche nach Kinderbetreuungseinrichtungen bzw. Tagesmüttern aufgewandt. Da sich dabei herausgestellt habe, dass die Betreuung ihres Sohnes aufgrund der Erfordernisse dieser Ausbildung nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre, habe sie sich gegen die Ausbildung zur Volksschullehrerin entschieden, stattdessen eine Alternative gesucht und die Ausbildung zur "Kinderbetreuerin" begonnen. Diese Zeit der Suche nach einer geeigneten Kinderbetreuung bzw. der Auswahl der Ausbildung sei eine "Vorlaufzeit" der Weiterbildungsmaßnahme gewesen, in der ihr Weiterbildungsgeld zustehe. Die von ihr vom 17. Oktober 2014 bis 14. Februar 2015 absolvierte und abgeschlossene Ausbildung habe, unter Beachtung, dass mit 12. Februar 2015 das Beschäftigungsverbot für ihr zweites Kind begonnen habe, im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprochen.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, der angefochtene Bescheid (Anmerkung der Verwaltungsgerichtshofes: erkennbar gemeint die Beschwerdevorentscheidung vom 16. März 2015) werde gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS St. Pölten zurückverwiesen. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

7 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht nach umfangreicher Wiedergabe des Verfahrensablaufes aus, soweit das AMS St. Pölten festgestellt habe, dass die Zweitrevisionswerberin mit ihrer Dienstgeberin eine Bildungskarenz im Zeitraum vom 11. September 2014 bis 12. März 2015 vereinbart habe, habe sie zu Unrecht kein Parteiengehör dazu eingeräumt, dass sich im Akt zwei Bescheinigungen der Dienstgeberin befänden, wobei eine die vom AMS St. Pölten angenommene Dauer der Bildungskarenz und eine andere die von der Zweitrevisionswerberin behauptete Dauer vom 11. September 2014 bis 6. September 2015 ausweise. Aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes der Bestätigungen sei aber davon auszugehen, dass die Bestätigung der Arbeitgeberin, die den von der Zweitrevisionswerberin angenommenen Bildungskarenzeitraum wiedergebe, dem tatsächlichen Parteiwillen der Arbeitsvertragsparteien entspreche. Damit habe die Behörde ihr Ermessen aber nicht auf Grundlage des "gesamten maßgeblichen Sachverhaltes" geübt. Bei einer erneuten Entscheidung werde unter Zugrundelegung dieser "Rechtsansicht" von einem Bildungskarenzzeitraum vom 11. September 2014 bis 6. September 2015 auszugehen sein. Mangels einer Bindung durch den Gesetzgeber komme dem Arbeitsmarktservice hinsichtlich der Auslegung des Begriffes der "im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme" freies Ermessen in der Beurteilung zu. Dieses Ermessen habe das AMS St. Pölten im vorliegenden Fall aber nicht im Sinne des Gesetzes geübt. Ein "absoluter Ausschluss von Vorbereitungszeit" überspanne nämlich den Ermessensspielraum. Es wäre erforderlich gewesen im Hinblick auf das Vorbringen der Zweitrevisionswerberin zu begründen, warum im Einzelnen die von dieser angenommenen Zeiten nicht "erforderlich und üblich" seien. Es sei daher gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG unter Beachtung des durch § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG eingeräumten Ermessens, der angefochtene Bescheid zu beheben und die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen gewesen.

Die Revision sei zulässig zur Frage, ob die auf Grundlage des § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG zu treffende Entscheidung eine Ermessensentscheidung sei. Auch hätten nur wenige und auf den vorliegenden Fall nicht passende Entscheidungen zum "Themengebiet Weiterbildungsgeld recherchiert werden können".

8 Gegen diesen Beschluss richten sich die vorliegenden Revisionen. Die Zweitrevisionswerberin - nicht aber das AMS St. Pölten - erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Akten durch das Bundesverwaltungsgericht die Revisionen wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und dazu erwogen:

9 Das AMS St. Pölten bezieht sich zur Zulässigkeit seiner Revision auf die vom Bundesverwaltungsgericht angegebenen Gründe und führt ergänzend aus, das Bundesverwaltungsgericht hätte, anstatt den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zurückzuverweisen, in der Sache selbst entscheiden müssen. Von einer Vereinbarung einer Bildungskarenz in der Dauer eines Jahres sei schon unter Beachtung der bereits bei Abschluss der Vereinbarung mit der Dienstgeberin bekannten Schwangerschaft der Zweitrevisionswerberin nicht auszugehen gewesen. Die Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zur Auslegung des § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG sei unrichtig, da "Vorlauf- bzw. Nachlaufzeiten" lediglich in begründeten Fällen, die hier aber nicht vorlägen, berücksichtigt werden könnten. Die Ermessensausübung sei auf dieser Grundlage im Sinne des Gesetzes erfolgt.

10 Die Zweitrevisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision im Wesentlichen vor, soweit durch § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG ein bestimmtes Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme gefordert werde, werde lediglich zum Ausdruck gebracht, wie viele Wochenstunden an Ausbildung im Verlauf der Bildungskarenz insgesamt zu erbringen seien. Die zeitliche Lagerung der Kurse sei aber der freien Zeiteinteilung der Antragsteller überlassen. Bei dieser Beurteilung komme der Behörde kein Ermessen zu. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Soweit das Bundesverwaltungsgericht nicht in der Sache entschieden habe, sei es von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

11 Die Revisionen sind zulässig und berechtigt. 12 § 26 Abs. 1 (AlVG) sah in seiner Stammfassung des ASRÄG 1997 (BGBl. I Nr. 139/1997) als Voraussetzung für den Bezug eines Weiterbildungsgeldes während einer Bildungskarenz den Nachweis der "Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme" vor.

13 Seine aktuelle Fassung hat § 26 Abs. 1 Z 1 Satz 1 bis 4 AlVG durch BGBl. I Nr. 104/2007 erhalten. Die Bestimmung lautet auszugsweise:

"(1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, gebührt für die vereinbarte Dauer ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 3 Abs. 1 KBGG, bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:

1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muss die Teilnahme an einer im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden. Das Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme muss mindestens 20 Wochenstunden, bei Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr, für die keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, mindestens 16 Wochenstunden betragen. Umfasst die Weiterbildungsmaßnahme nur eine geringere Wochenstundenanzahl, so ist nachzuweisen, dass zur Erreichung des Ausbildungszieles zusätzliche Lern- und Übungszeiten in einem Ausmaß erforderlich sind, dass insgesamt eine vergleichbare zeitliche Belastung besteht. (...)"

14 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (298 BlgNR XXIII. GP , 13) zu BGBl. I Nr. 104/2007, die sich hinsichtlich der Mindestdauer der Bildungskarenz von drei Monaten noch auf § 11 AVRAG in der Fassung vor dem Arbeitsmarktpaket 2009 beziehen, wurde zu dieser Bestimmung auszugsweise ausgeführt:

"Die Dauer der Ausbildung während der Bildungskarenz muss im Wesentlichen der jeweiligen Dauer der Bildungskarenz, die drei Monate bis ein Jahr umfassen kann, entsprechen. Erforderliche und übliche Vorlaufzeiten zwischen dem Beginn der Bildungskarenz und dem Beginn der Weiterbildungsmaßnahme beeinträchtigen den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht. Die Vorlaufzeit kann zB der Vorbereitung dienen und die Anreise zum Ort einer weiter entfernten Ausbildungseinrichtung, die Übersiedlung und die Einrichtung einer Unterkunft sowie die Besorgung von Unterrichts- oder anderen Ausbildungsmaterialien umfassen. Im Falle einer Aufnahmeprüfung oder eines Eignungstests kann im Rahmen einer Bildungskarenz auch während der erforderlichen Lern- oder Übungszeit Weiterbildungsgeld gewährt werden. Maßnahmenbedingte kurze Unterbrechungen wie unvermeidliche kursfreie Zeiten zwischen einzelnen Ausbildungskursen schaden dem Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht. Auch vor dem Ende der Bildungskarenz kann in begründeten Fällen während einer kurzen ausbildungsfreien Zeit Weiterbildungsgeld gewährt werden."

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu in seinem Erkenntnis vom 7. April 2016, Ro 2014/08/0066, bereits ausgesprochen, dass nach dem klaren Wortlaut des § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG Voraussetzung der Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes der Nachweis der Teilnahme an einer Weiterbildungsmaßnahme ist. Im Allgemeinen muss dazu eine Bestätigung eines Bildungsträgers oder einer sonstigen dafür zuständigen Stelle über das notwendige Stundenausmaß an Ausbildungszeiten während der Bildungskarenz vorliegen. Dagegen können etwa ausschließliche Lernzeiten und Prüfungsvorbereitung im Rahmen eines Selbststudiums außerhalb von Ausbildungseinrichtungen diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

16 Der Gesetzgeber ist somit durch die Neufassung des § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG durch BGBl. I Nr. 104/2007 nicht davon abgewichen, dass Voraussetzung des Bezuges von Weiterbildungsgeld der Besuch einer bzw. allenfalls auch mehrerer (institutionalisierter) Weiterbildungsmaßnahmen (mit dem notwendigen Ausmaß an Wochenstunden) ist, deren Dauer weitgehend ("im Wesentlichen") jener der Bildungskarenz entsprechen muss. Ein Auseinanderfallen der Zeiträume der Bildungskarenz und des Besuches einer Weiterbildungsmaßnahme ist für den Anspruch nur insoweit nicht schädlich, als einerseits berücksichtigungswürdige Gründe (erforderliche Vorlauf- bzw. Nachlaufzeiten oder unvermeidliche maßnahmenbedingte Unterbrechungen) vorliegen und andererseits das Abweichen nur verhältnismäßig kurze Zeiträume umfasst (vgl. das hg Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2015/08/0210, mit Hinweis auf Sauer/Furtlehner in AlV-Komm § 26 AlVG Rz 22).

17 Aus den in den Materialien genannten Beispielen erhellt sich auch, dass solche berücksichtigungswürdige Gründe, die die Gewährung von Weiterbildungsgeld in verhältnismäßig kurzen Zeiten, in denen keine (institutionalisierte) Weiterbildungsmaßnahme besucht wird, rechtfertigen, nur solche sein können, die durch die Erfordernisse der konkret absolvierten (institutionalisierten) Ausbildungen selbst ursächlich bedingt werden. Dies wird etwa regelmäßig für Zeiten der Vorbereitung auf im Verlauf der Ausbildung vorgesehene Prüfungen (vgl. zu einem derartigen Fall das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, 2012/08/0044), für Unterbrechungen zwischen Kursteilen (Modulen) oder auch für Zeiten, die aufgewendet werden müssen, um die gewählte Weiterbildungsmaßnahme beginnen zu können (z.B. Anreise zu Kursen bzw. Übersiedlung, Besorgen des Lehrmaterials, etc.), zu bejahen sein.

Dagegen stehen Vorlaufzeiten, die sich bloß aus der Suche nach einer geeigneten Ausbildung bzw. der Abklärung, ob sich diese mit den persönlichen Lebensumständen in Einklang bringen lässt, ergeben, mit der in der Folge konkret absolvierten Weiterbildungsmaßnahme in keinem unmittelbaren Zusammenhang und können einen Anspruch auf Weiterbildungsgeld nicht rechtfertigen.

18 Das von der Zweitrevisionswerberin erstattete Vorbringen, sie habe vor Beginn der absolvierten Ausbildung zunächst dafür Zeit aufgewandt, eine Kinderbetreuung für ihren Sohn zu organisieren, die ihr die zunächst beabsichtigte (aber später nie begonnene) Ausbildung zur Volksschullehrerin ermöglicht hätte, sowie - nachdem sich dies als unmöglich herausgestellt habe - eine andere Ausbildung zu suchen, vermag daher einen Anspruch auf Weiterbildungsgeld im Zeitraum vor Beginn der tatsächlich absolvierten Ausbildung nicht zu begründen.

Die von der Zweitrevisionswerberin vertretene Rechtsansicht, es sei lediglich erforderlich, dass zu beliebigen Zeitpunkten während der Bildungskarenz ein bestimmtes "Gesamtpensum" an Ausbildung absolviert werde, entbehrt einer gesetzlichen Grundlage.

19 Soweit das Bundesverwaltungsgericht dem AMS St. Pölten die Rechtsansicht überbunden hat, es sei ausgehend vom Vorbringen der Zweitrevisionswerberin jedenfalls eine "Vorbereitungszeit" vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme zu berücksichtigen, ist die Entscheidung mit inhaltlicher Rechtwidrigkeit behaftet.

20 Zur Vorgangsweise der Behebung und Zurückverweisung ist Folgendes anzumerken:

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt in zahlreichen Erkenntnissen, beginnend mit jenem vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, mit der Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Behebung und Zurückverweisung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auseinandergesetzt. Demnach stellt die Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. etwa auch das hg. Erkenntnis vom 9. März 2016, Ra 2015/08/0025).

22 § 28 Abs. 4 VwGVG normiert für den Fall, dass die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, dass das Verwaltungsgericht dann den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen hat, wenn es nicht "gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat" und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

In seinem Erkenntnis vom 26. April 2016, Ro 2015/03/0038, auf dessen Entscheidungsgründe insoweit gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass, was die Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Aufhebung und Zurückverweisung anlangt, Art. 130 B-VG und § 28 VwGVG nicht zwischen Ermessens- und sonstigen Entscheidungen unterscheiden: Hier wie dort hängt die Zulässigkeit einer Zurückverweisung ausschließlich davon ab, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG gegeben sind; liegen sie vor, hat das Verwaltungsgericht eine Sachentscheidung zu treffen. Liegen sie hingegen nicht vor, ist das Verwaltungsgericht im Fall des § 28 Abs. 4 VwGG (also bei Überprüfung von Ermessensentscheidungen) zur Aufhebung und Zurückverweisung verpflichtet, während im Fall des Abs. 3 diesfalls dem Verwaltungsgericht (sofern die Behörde nicht iSd. § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG widersprochen hat) die Sachentscheidung - nach Durchführung der erforderlichen weiteren, allenfalls langwierigen und die Grenze nach § 28 Abs. 2 Z 2 VwGG übersteigenden Ermittlungen - offen steht.

23 Im vorliegenden Fall kann unter Berücksichtigung der bereits dargestellten Rechtslage sowie des Ermittlungsverfahrens des AMS St. Pölten, an dessen Ende umfangreiche taugliche und begründete Feststellungen getroffen wurden, kein Zweifel daran bestehen, dass nach § 28 Abs. 2 VwGVG vorzugehen war.

Darauf, ob § 26 Abs. 1 Z 1 AlVG bei Beurteilung, ob eine "im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechende Weiterbildungsmaßnahme" vorliegt, ein Ermessen einräumt, kommt es im Sinne der dargestellten Grundsätze dabei nicht an. Der Bestimmung kann aber ohnehin nicht entnommen werden, dass der Behörde ein Ermessensspielraum bei der Bestimmung der Leistungsdauer eingeräumt werden sollte. Es liegt daher ein unbestimmter Rechtsbegriff vor.

24 Daran ändert auch nichts, dass das Bundesverwaltungsgericht die Beweiswürdigung des AMS in Bezug auf die vorgelegten Bestätigungen nicht geteilt hat, werden damit doch keine mangelhaften Ermittlungen aufgezeigt (vgl. idS. etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Mai 2015, Ra 2014/20/0146, und vom 27. Jänner 2016, Ra 2015/08/0178).

25 Zu Recht zeigen daher beide revisionswerbenden Parteien auf, dass das Bundesverwaltungsgericht, soweit es die Beschwerdevorentscheidung vom 16. März 2015 behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das AMS St. Pölten zurückverwiesen hat, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist.

26 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

27 Die Kostenentscheidung hinsichtlich der von der Zweitrevisionswerberin für ihre Revision beantragten Kosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 14. September 2016

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