VwGH Ro 2015/01/0010

VwGHRo 2015/01/001020.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching und die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Berger, über die Revision des G H in W, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. April 2015, W176 1437952-2/2E, betreffend eine Asylangelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63;
VwGVG 2014 §16 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §63;
VwGVG 2014 §16 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs5;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger und Angehöriger der kurdischen Volksgruppe, stellte am 19. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesasylamt hat mit Bescheid vom 4. September 2013, ohne in die Sache einzutreten, gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 den Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen und Bulgarien für die Prüfung des Antrages für zuständig erklärt (Spruchpunkt I). Des Weiteren wurde die Ausweisung gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 angeordnet und ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Bulgarien zulässig sei (Spruchpunkt II). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichthof mit Erkenntnis vom 26. September 2013 statt und hob den Bescheid des Bundesasylamtes auf. In weiterer Folge war das Verfahren beim Bundesasylamt anhängig, nach dem 1. Jänner 2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

3 Am 1. Dezember 2014 langte die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungsfrist (Säumnisbeschwerde) beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies mit Bescheid vom 9. März 2015 den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zurück (Spruchpunkt I), erteilte dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) und befristete die Aufenthaltsberechtigung bis 9. März 2016 (Spruchpunkt III).

4 Der gegen Spruchpunkt I erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem nun angefochtenen Erkenntnis im Spruchpunkt A statt und behob den Spruchpunkt I des Bescheides vom 9. März 2015. Rechtlich führte es aus, dass die belangte Behörde nach Ablauf der dreimonatigen Frist mit 1. März 2015 zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr zuständig gewesen sei. Dem (am 9. März 2015 erlassenen) angefochtenen Bescheid sei Rechtswidrigkeit im Sinne des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG anzulasten und sei dieser folglich gemäß § 28 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 5 in Verbindung mit § 27 VwGVG zu beheben. Im fortgesetzten Verfahren stehe der belangten Behörde wiederum eine Frist von drei Monaten zur Nachholung des Bescheides offen. Demnach sei nach Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Unzuständigkeit die belangte Behörde erneut zur Entscheidung in der Verwaltungssache zuständig.

Im Spruchpunkt B wurde die Revision für zulässig erklärt und begründend angeführt, es liege weder Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage vor, ob die Behörde nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG zur Nachholung eines Bescheides unzuständig ist, noch sei der Wortlaut des Gesetzes eindeutig.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Erklärt das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - die Revision für zulässig, so ist bis zu einer etwaigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist, davon auszugehen, dass die Revision die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt und daher als ordentliche Revision zu behandeln ist (vgl. den hg. Beschluss vom 20. Jänner 2016, Ro 2014/17/0145).

9 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die Gründe für die Zulässigkeit gesondert darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. den hg. Beschluss vom 13. Juli 2015, Ro 2015/20/0001).

10 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. den hg. Beschluss vom 16. September 2016, Ro 2016/20/0003, mwN).

11 Das BVwG begründete die Zulassung der Revision damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage der Zuständigkeit zur Nachholung eines Bescheides nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG fehle.

12 In der Revision wird der Zulässigkeitsausspruch des BVwG aus den von ihm angenommenen Gründen für zutreffend erachtet und noch zusätzlich ausgeführt, dass "auch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage der Zuständigkeit zur Nachholung eines Bescheides nach Erlassung eines Bescheides trotz Ablauf der dreimonatigen Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG und Aufhebung des Bescheides durch ein Verwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit aufgrund von Unzuständigkeit der Behörde bestehe".

13 Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Ra 2015/19/0075, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausgesprochen hat, dass infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde nach Vorlage derselben oder nach Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG, die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht übergeht.

14 Es liegt somit bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur strittigen Frage des Zuständigkeitsübergangs nach Ablauf der dreimonatigen Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG vor.

15 Wenn die Revision zusätzlich die Frage der Zuständigkeit nach Aufhebung des wegen Unzuständigkeit aufgehobenen Bescheides als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung thematisiert, legt sie nicht hinreichend dar, warum das rechtliche Schicksal der Revision von dieser Rechtsfrage abhängen soll. Die damit bekämpften Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, "dass der belangten Behörde im fortgesetzten Verfahrens wiederum eine Frist von drei Monaten zur Nachholung des Bescheides offen steht" sind nämlich keine für die Aufhebung des verwaltungsbehördlichen Bescheides wegen Unzuständigkeit tragenden Begründungselemente (vgl. zur Bindungswirkung iSd § 28 Abs. 5 VwGVG das hg. Erkenntnis vom 17. November 2015, Ra 2015/22/0076, sowie in diesem Zusammenhang zu § 63 VwGG, wonach die Bindung auf die tragenden Aufhebungsgründe begrenzt ist, das hg. Erkenntnis vom 17. September 1997, 93/13/0064).

16 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

17 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 20. Dezember 2016

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