VwGH Ra 2022/17/0113

VwGHRa 2022/17/011327.7.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der S D (alias Y W) in W, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Weihburggasse 4/40, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Juni 2022, W215 2109277‑4/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §60 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022170113.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Durchlaufen zweier Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz wurde ein weiterer Folgeantrag (auf internationalen Schutz) der Revisionswerberin mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 2. September 2020 hinsichtlich der Begehren auf Zuerkennung des Status der Asyl‑ wie der subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ferner wurde der Revisionswerberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen sie erlassen und die Zulässigkeit ihrer Abschiebung nach China sowie der Umstand festgestellt, dass keine Frist für ihre freiwillige Ausreise bestehe. Unter einem wurde gegen die Revisionswerberin ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot erlassen.

2 Eine dagegen gerichtete Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2021 als unbegründet abgewiesen. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

3 Mit Bescheid vom 22. März 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen ‑ nach einer Modifikation ‑ auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005 gerichteten Antrag der Revisionswerberin gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab, zumal gegen die Revisionswerberin eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung verbunden mit einem rechtskräftigen Einreiseverbot vorliege.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei. Die Versagung des Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen begründete auch das Bundesverwaltungsgericht damit, dass gegen die Revisionswerberin eine rechtskräftigte Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot vorliege, weswegen der Versagungsgrund gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Erteilung eines Aufenthaltstitels entgegenstehe.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 15.9.2021, Ra 2021/01/0210; 14.3.2022, Ra 2021/17/0176 bis 0179).

9 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird zur Darlegung des Vorliegens einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behauptet. Ohne Fundstellen für diese anzuführen, werden dazu ‑ angeblich vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gezogene ‑ Leitlinien behauptet, welche besagen würden, dass das der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 entgegenstehende Hindernis des Vorliegens einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem rechtskräftigen Einreiseverbot im vorliegenden Fall nicht beachtlich wäre; von dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das Bundesverwaltungsgericht abgewichen.

10 Jene Leitlinien, von welchen das Bundesverwaltungsgericht nach den Behauptungen der Revision abgewichen sein soll, sind der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht zu entnehmen, sodass keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird. Insbesondere gebietet es Art. 8 EMRK ‑ entgegen der offenbar der Revision zugrunde liegenden Annahme ‑ wegen der Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu beantragen, nicht, Aufenthaltstitel in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 6 AsylG 2005 trotz des Vorliegens des Versagungsgrundes gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zu erteilen (vgl. VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037).

11 Schließlich wird von der Revisionswerberin auf in der Volksrepublik China für sie bestehende Gefahren, insbesondere infolge der COVID-19-Pandemie, verwiesen. Das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts versagt freilich lediglich den Aufenthaltstitel nach § 56 AsylG 2005, enthält jedoch keine Rückkehrentscheidung und keine Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung. Etwaige Gefährdungen der Revisionswerberin im Herkunftsstaat betreffen daher nicht den Gegenstand dieses Verfahrens.

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Juli 2022

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