VwGH Ra 2022/15/0062

VwGHRa 2022/15/006221.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Landeck Reutte in 6500 Landeck, Innstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 2. Mai 2022, Zl. RV/3100864/2018, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2015 (mitbeteiligte Partei: Miteigentumsgemeinschaft „U P und L P“ in Deutschland, vertreten durch die Reimair und Partner Steuerberatungs-GmbH & Co KG in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 17‑19), zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1994 §17 Abs2
UStG 1994 §17 Abs4
UStG 1994 §18
UStG 1994 §21 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022150062.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, eine aus dem in Deutschland wohnhaften Ehepaar UP und LP bestehende Miteigentumsgemeinschaft, hat im Jahr 2015 eine Wohnung in Österreich (G) erworben.

2 In weiterer Folge schloss die Mitbeteiligte mit der in Österreich ansässigen X GmbH einen „Betreibervertrag“ ab, mit dem sie diese Gesellschaft mit der Vermietung der Wohnung für einen Zeitraum von zehn Jahren beauftragte. Mit der Vermietung wurde im Dezember 2015 begonnen.

3 Mit Schriftsatz vom 11. August 2015 stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Vergabe einer Steuer- und UID-Nummer. Dabei legte sie dem Finanzamt den Kaufvertrag, den Betreibervertrag sowie eine Prognoserechnung vor.

4 Am 27. April 2017 reichte die mitbeteiligte Partei beim Finanzamt eine Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015 ein, in der Umsätze in Höhe von 428,07 € und Vorsteuern in Höhe von 97.359,91 € ausgewiesen wurden. Über Vorhalt des Finanzamts gab die mitbeteiligte Partei zudem bekannt, dass die Wohnung im Jahr 2015 nicht privat genützt worden sei. Erst im Jahr 2016 habe es eine Privatnutzung von insgesamt 17 Tagen gegeben.

5 Das Finanzamt erließ einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015, in dem es Umsätze von 428,07 € und (abweichend von der Erklärung) Vorsteuern in Höhe von 84.703,12 € in Ansatz brachte. Zur Begründung führte es aus, ein Vorsteuerabzug stehe nur insoweit zu als die Wohnung für umsatzsteuerliche Zwecke verwendet werde. Stehe das Ausmaß der Privatnutzung noch nicht fest, sei auf das wahrscheinliche künftige Verhältnis abzustellen. Im konkreten Fall, sei auf die Privatnutzung im Jahr 2016 abgestellt worden.

6 Die gegen den Umsatzsteuerbescheid 2015 erhobene Beschwerde wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die Mitbeteiligte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragte.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde gemäß § 279 BAO teilweise Folge, indem es ‑ nach Anwendung des durch Einigung der Streitparteien festgelegten Privatanteils von 4 % ‑ die im Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung im Jahr 2015 geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von 97.359,91 € mit einem Betrag von 93.456,51 € anerkannte.

8 Das BFG führte weiters aus, die in Rede stehende Wohnung werde von der Mitbeteiligten, die über keine feste Niederlassung in Österreich verfüge, an einen inländischen Betreiber vermietet. Die Steuerschuld aus der Vermietung gehe daher gemäß § 19 Abs. 1 UStG 1994 auf den inländischen Betreiber über. Die im Zusammenhang mit der Vermietung stehenden Vorsteuern wären daher grundsätzlich im Erstattungsverfahren (§ 21 Abs. 9 UStG 1994 iVm der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend die Schaffung eines eigenen Verfahrens für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer, BGBl. Nr. 279/1995 in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. II Nr. 158/2014) geltend zu machen. In der Umsatzsteuererklärung 2015 würden allerdings Umsätze in Höhe von 428,07 € ausgewiesen. Die dazu vorgelegte Rechnung habe die Lieferung (den Verkauf) nicht mehr benötigter Utensilien („Dekoration, Geschirr und Pölster“) zum Gegenstand. Es läge daher ein gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 im Inland steuerpflichtiger Umsatz vor, der im Veranlagungsverfahren zu erfassen sei und die Inanspruchnahme des Vorsteuererstattungsverfahrens ausschließe.

9 Der Bruttorechnungsbetrag von 513,69 € sei dem Bankkonto der Mitbeteiligten am 1. Jänner 2016 (Valutadatum) gutgeschrieben worden. Im Rahmen eines am 17. November 2021 vor dem BFG abgehaltenen Erörterungstermins habe die Mitbeteiligte erklärt, sie versteuere die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten. Mit Schreiben vom 11. April 2022 habe sie aber bekanntgegeben, „dass es sich [...] bei der Lieferung und der dazugehörigen Rechnung vom 20.12.2015 um eine Inlandslieferung gem. § 1 Abs. 1 Z 1 UStG handelt und aufgrund dessen gem. § 21 Abs. 4 UStG Veranlagungspflicht besteht“. Es sei somit von einem Antrag iSd § 17 Abs. 2 vorletzter Satz UStG 1994 auszugehen und die Steuer für die mit den in § 17 UStG 1994 genannten Tätigkeiten zusammenhängenden Umsätze nach vereinbarten Entgelten zu berechnen.

10 Im Falle einer Istbesteuerung der Umsätze lägen im Kalenderjahr 2015 („Erstattungszeitraum“ iSd § 1 Abs. 1 und 2 der Verordnung zu § 21 Abs. 9 UStG 1994) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 vor, weil der am 20. Dezember 2015 verrechnete Betrag erst am 1. Jänner 2016 vereinnahmt worden sei. Die Mitbeteiligte wäre diesfalls für das Kalenderjahr 2015 auf das Vorsteuererstattungsverfahren zu verweisen. In diesem Zusammenhang sei auch darauf zu verweisen, „dass die [mitbeteiligte Partei] mit der am 27. April 2017 elektronisch eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2015 die Inlandslieferung samt dazugehöriger Rechnung vom 20. Dezember 2015 der Umsatzsteuer mit dem Normalsteuersatz von 20 % unterzogen hat (Umsätze von 428,07 € lt. KZ 022) und demnach bereits zu diesem Zeitpunkt zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten (Sollbesteuerung) optiert hat.“

11 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision des Finanzamts, bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, der im angefochtenen Erkenntnis vertretene Standpunkt, die mitbeteiligte Partei habe mit Einreichung der Umsatzsteuererklärung 2015 und Besteuerung des Anlagenverkaufes zur Sollbesteuerung optiert, stehe in Widerspruch zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juni 2003, 2001/14/0181, wonach bereits für den ersten Voranmeldungszeitraum festzustehen habe, nach welcher Besteuerungsart vorzugehen sei.

12 Die mitbeteiligte Partei hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.

13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14 Die Revision ist zulässig und begründet.

15 § 17 UStG 1994, in der für das Streitjahr geltenden Fassung BGBl. I Nr. 112/2012, lautet auszugsweise wie folgt:

„(2) Unternehmer,

1. die hinsichtlich ihrer Umsätze aus Tätigkeiten im Sinne der §§ 21 und 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 nicht buchführungspflichtig sind, oder

2. deren Gesamtumsatz aus Tätigkeiten, die nicht unter die §§ 21 und 23 des Einkommensteuergesetzes 1988 fallen, in einem der beiden vorangegangenen Kalenderjahre nicht mehr als 110 000 Euro betragen hat, haben die Steuer nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen (Istbesteuerung). [...]

Das Finanzamt hat auf Antrag zu gestatten, daß ein Unternehmer im Sinne der Z 1 und 2 die Steuer für die mit diesen Tätigkeiten zusammenhängenden Umsätze nach den vereinbarten Entgelten berechnet (Sollbesteuerung). [...]

(4) Bei einem Wechsel der Besteuerungsart dürfen Umsätze nicht doppelt erfaßt werden oder unversteuert bleiben. Bei dem Übergang von der Istbesteuerung zu der Sollbesteuerung hat der Unternehmer bereits früher bewirkte Umsätze, für die ein Entgelt noch nicht vereinnahmt wurde, als Umsatz für den ersten Voranmeldungszeitraum nach dem Übergang zu versteuern. Der Wechsel in der Besteuerungsart ist nur zum Beginn eines Veranlagungsjahres zuzulassen.“

16 Die mitbeteiligte Partei hat in den Kalenderjahren 2013 und 2014 keine Umsätze erzielt. Sie ist auch nicht buchführungspflichtig, weshalb sie die Umsatzsteuer des Jahres 2015 gemäß § 17 Abs. 2 UStG 1994 ex lege nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen hatte (Istbesteuerung). Um die Steuer nach vereinbarten Entgelten berechnen zu dürfen (Sollbesteuerung) hätte es eines entsprechenden Antrages der mitbeteiligten Partei bedurft.

17 Bis zu welchem Zeitpunkt ein Antrag für die Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten beim Finanzamt einzubringen ist, ist dem UStG 1994 nicht explizit zu entnehmen. § 17 Abs. 4 letzter Satz UStG 1994 sieht lediglich vor, dass ein Wechsel der Besteuerungsart nur zu Beginn eines Veranlagungszeitraumes möglich ist. Aus einer Zusammenschau der Bestimmungen der §§ 17 Abs. 4, 21 Abs. 1 und 18 UStG 1994, ergibt sich aber ‑ wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Juni 2003, 2001/14/0181, erkannt hat ‑, dass bereits für den ersten Voranmeldungszeitraum festzustehen hat, nach welcher Besteuerungsart vorzugehen ist, weil der Unternehmer erst nach seiner Entscheidung, nach welchem System er die Besteuerung vornimmt, seine Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten ordnungsgemäß erfüllen kann. Ein Antrag für die Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten muss daher vor Beginn des Veranlagungszeitraums spätestens aber bei Abgabe (Erstellung) der ersten Voranmeldung für diesen Veranlagungszeitraum gestellt werden (vgl. idS auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 17 Tz 26; Mayr/Ungericht, UStG4, § 17 Anm 14; Gaedke/Huber-Wurzinger in Melhardt/Tumpel [Hrsg], UStG3, § 17 Tz 79).

18 Das BFG stellte im angefochtenen Erkenntnis fest, die mitbeteiligte Partei habe am 20. Dezember 2015 eine Rechnung über 428,07 € (netto) gelegt und den in Rechnung gestellten Betrag am 1. Jänner 2016 vereinnahmt. Die Aufnahme des am 1. Jänner 2016 vereinnahmten Betrages in die am 27. April 2017 beim Finanzamt eingereichte Umsatzsteuerjahreserklärung 2015 hat es als (rückwirkenden) Antrag für die Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten gewertet. Damit hat das BFG die Rechtslage verkannt.

19 Das angefochtene Erkenntnis ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am 21. Juni 2023

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte