European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022150020.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer im Baugewerbe tätigen GmbH, die in den Streitjahren insbesondere Malerarbeiten sowie Arbeiten im Bereich der Oberflächengestaltung und ‑sanierung durchführte, wurde eine Außenprüfung gemäß § 147 BAO in Verbindung mit § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführt. Der Prüfer vertrat den Standpunkt, dass es sich bei den Fakturen näher bezeichneter Subunternehmer der Revisionswerberin um Scheinrechnungen handle. Er erkannte die im Zusammenhang mit diesen Fakturen stehenden Zahlungen der Revisionswerberin nicht als Betriebsausgaben an und führte zur Begründung aus, im Rahmen von Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Steuerfahndung seien in den vergangenen Jahren in Österreich Betrugsszenarien aufgedeckt worden, bei denen geringfügig bzw. nicht mehr tätige Gesellschaften unter Einsetzung von Scheingesellschaftern bzw. ‑geschäftsführern Fakturen für von ihnen nicht erbrachte Leistungen ausgestellt hätten. Die Rechnungen seien von den Rechnungsempfängern bezahlt und als Aufwand verbucht worden, obwohl der Zahlungsbetrag abzüglich einer Provision wieder an sie zurückgeflossen sei (Kickback Zahlungen).
2 Bei Durchsicht der von der Revisionswerberin verbuchten Belege seien acht näher bezeichnete Gesellschaften identifiziert worden, die dem angeführten Gesellschaftsprofil entsprächen. Die Rechnungen dieser Gesellschaften seien überwiegend bar bezahlt worden. Die Zahlungen würden nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Die Beweiswürdigung stütze sich auf die Aussagen von DE (Gesellschafter und Geschäftsführer der Revisionswerberin im Streitzeitraum), KO (Gesellschafter der Revisionswerberin), NF (Buchhalterin der Revisionswerberin) und SF (nach Ansicht des Prüfers faktischer Geschäftsführer der Revisionswerberin). Keine der angeführten Personen habe sich an die obigen Subunternehmer und die von diesen gestellten Rechnungen erinnern können.
3 Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ einen Bescheid betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2008 sowie Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2008 und 2010. Mit den hier verfahrensgegenständlichen Bescheiden vom 23. März 2015 zog es die Revisionswerberin zudem zur Haftung für Kapitalertragsteuer der Jahre 2006 bis 2008 heran.
4 Die Revisionswerberin erhob u.a. gegen die Haftungsbescheide vom 23. März 2015 Beschwerde und wendete sich in dieser, gegen die Beurteilung der streitgegenständlichen Rechnungen als Scheinrechnungen.
5 Das Finanzamt wies u.a. die Beschwerde gegen die Haftungsbescheid mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab, woraufhin die Revisionswerberin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und änderte die Haftungsbescheide zugunsten der Revisionswerberin ab.
7 In Bezug auf den Sachverhalt, den Verfahrensablauf, die Eingaben der Revisionswerberin und die behördlichen Erledigungen verwies das Bundesfinanzgericht einleitend auf das zur Zl. RV/210604/2016 ergangene Erkenntnis, mit dem es die Beschwerde der Revisionswerberin betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2008 sowie Körperschaftsteuer 2006 bis 2008 und 2010 als unbegründet abgewiesen hat.
8 Im Erwägungsteil des angefochtenen Erkenntnisses führte das Bundesfinanzgericht aus, im zur Zl. RV/2100604/2016 ergangenen Erkenntnis sei festgestellt worden, dass die Rechnungsaussteller nicht die Erbringer der in Rechnung gestellten Leistungen an die Revisionswerberin und somit nicht die Empfänger der abgesetzten Beträge gewesen seien. Körperschaftsteuerlich seien die beantragten Absetzungen daher gemäß § 162 Abs. 2 BAO nicht anerkannt worden. In diesem Erkenntnis habe offen bleiben dürfen, ob die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge als „Schwarzlöhne“ an nicht genannte Personen bezahlt worden seien ‑ diesfalls könnten die Beträge nicht als Vorteilszuwendungen an die Gesellschafter gewertet werden (Hinweis auf VwGH 25.4.2001, 98/13/0081) ‑ oder ob sie, wenn auch nach Abzug einer „Provision“, als „Kick Back‑Zahlungen“ zurückgeflossen seien und damit als verdeckte Ausschüttungen an die Gesellschafter zu werten seien.
9 Die Gesellschaften, welche die streitgegenständlichen Rechnungen an die Revisionswerberin gelegt hätten, hätten sich Unternehmen der Baubranche als Anmeldevehikel zum Zweck der (Schein‑)Anmeldung ihrer Dienstnehmer auf sie zur Verfügung gestellt. Solcherart wären die in den Fakturen ausgewiesenen Beträge zumindest teilweise als „Schwarzlöhne“ an nicht genannte Personen bezahlt worden und könnten insoweit nicht als Vorteilszuwendungen und damit verdeckte Ausschüttungen an die Gesellschafter gewertet werden. Von diesen Unternehmen seien aber auch Scheinrechnungen ausgestellt worden und die in Rechnung gestellten Beträge seien nach Abzug einer „Provision“ an die Empfänger der Rechnungen zurückgeflossen.
10 Inwieweit die Revisionswerberin die in den Rechnungen ausgewiesenen Beträge zur Bezahlung von „Schwarzlöhnen“ verwendet habe und inwieweit sie ihren Gesellschaftern zugeflossen seien, habe im Verfahren nicht ermittelt werden können. In einem Schreiben des steuerlichen Vertreters vom 7. Juli 2017 sei erklärt worden, dass die Revisionswerberin den aus ihrer Sicht nicht mehr relevanten Teil der Unterlagen der Jahre 2005 bis 2008 ‑ vor allem jene zur Absatzseite ‑ entsorgt habe, weil ihre Lagerkapazitäten begrenzt seien und die „Verkaufsseite“ im Zuge der gesamten Außenprüfung keine wie immer geartete Rolle gespielt habe. Daraus habe die Revisionswerberin den Schluss gezogen, dieses Material könne ungeachtet des anhängigen Rechtsmittels entsorgt werden. Eine Überprüfung des streitgegenständlichen Sachverhalts anhand von Unterlagen sei daher nicht mehr möglich. Das Bundesfinanzgericht könne demnach die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen, weshalb der Anteil der „Schwarzlöhne“ und der als verdeckte Ausschüttung zu behandelnden Geldrückflüsse zu schätzen sei. Mangels Anhaltspunkten sei der Anteil der „Schwarzlöhne“ und „Geldrückflüsse“ mit je 50% anzusetzen und die angefochtenen Bescheide seien dementsprechend zu Gunsten der Revisionswerberin abzuändern gewesen.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der das Finanzamt ‑ über Aufforderung hierzu ‑ eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revision trägt zu ihrer Zulässigkeit vor, die hier angefochtene Kapitalertragsteuervorschreibung sei der Körperschaftsteuervorschreibung gedanklich nachgelagert. Die Rechtswidrigkeit des zur Zl. RV/2100604/2016 ergangenen Erkenntnisses, das die Körperschaftsteuer der Jahre 2006 bis 2008 und 2010 betroffen habe (vgl. VwGH 16.11.2021, Ra 2020/15/0019), strahle daher auf das hiesige Anfechtungsobjekt aus. Das Abzugsverbot des § 162 Abs. 2 BAO (Anm: aufgrund dessen den hier als verdeckte Ausschüttung behandelten Beträgen im Körperschaftsteuerverfahren der Abzug als Betriebsausgabe versagt worden sei) genüge für die Annahme einer verdeckten Ausschüttung nicht. Eine fehlende Empfängerbenennung rechtfertige zwar die Versagung der diesbezüglich geltend gemachten Betriebsausgaben, stelle aber für sich allein keine Grundlage zur Beurteilung der Frage dar, ob eine verdeckte Ausschüttung an die Gesellschafter geflossen sei. Zahlungen an nicht genannte Personen könnten somit nicht ohne weiteres als Vorteilszuwendungen an die Gesellschafter gewertet werden (Hinweis auf VwGH 17.5.2006, 2004/14/0102). Die Unvereinbarkeit der Kapitalertragsteuervorschreibung bzw. deren Bestätigung durch das Bundesfinanzgericht in halber Höhe, habe diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegen sich.
16 Mit diesem Vorbringen wird schon deswegen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufgezeigt, weil das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Fall die abweisende Beschwerdeerledigung gerade nicht mit dem in § 162 Abs. 2 BAO normierten Abzugsverbot begründet hat.
17 Das Bundesfinanzgericht verweist in der angefochtenen Entscheidung zunächst auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 2001, 98/13/0081, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass eine fehlende Empfängerbenennung nach § 162 BAO zwar die Versagung der diesbezüglich geltend gemachten Betriebsausgaben zu rechtfertigen vermag, aber keine Rechtsgrundlage zur Beurteilung der Frage darstellt, ob eine verdeckte Ausschüttung vorliegt und ob den Gesellschaftern entsprechende Beträge zugeflossen sind. Sodann stellt das Bundesfinanzgericht fest, dass sich jene Gesellschaften, welche die streitgegenständlichen Rechnungen an die Revisionswerberin gelegt haben, Unternehmen der Baubranche als Anmeldevehikel zum Zweck der (Schein)Anmeldung ihrer Dienstnehmer auf sie zur Verfügung gestellt hätten. Von diesen Unternehmen seien teilweise Scheinrechnungen ausgestellt worden und die in Rechnung gestellten Beträge seien teilweise nach Abzug einer „Provision“ an die Empfänger der Rechnungen zurückgeflossen. Das Bundesfinanzgericht trifft weiters die ‑ in der Revision nicht bekämpfte ‑ Feststellung, dass mangels Unterlagen nicht eruiert werden könne, inwieweit die der Revisionswerberin in Rechnung gestellten Beträge für die Bezahlung von Schwarzlöhnen verwendet und inwieweit sie den Gesellschaftern als verdeckte Ausschüttung zugeflossen seien. Mangels entsprechender Unterlagen sei der Anteil der Schwarzlöhne und der verdeckten Ausschüttungen mit je 50% angesetzt und die darüber hinausgehenden Beträge seien als verdeckte Ausschüttung gewertet worden.
18 Das Zulässigkeitsvorbringen, wonach ein unlösbarer Widerspruch zwischen den Ausführungen des Bundesfinanzgerichts „auf Seite 2 unten / 3 oben“ bestehe, führt die Revision ebenfalls nicht zum Erfolg.
19 Auf Seite 2 unten stellt das Bundesfinanzgericht fest, dass im Verfahren nicht ermittelt werden konnte, inwieweit die in den Rechnungen ausgewiesene Beträge von der Revisionswerberin als Schwarzlöhne an nicht genannte Personen bezahlt und inwieweit diese als sogenannte Kick‑Back‑Zahlungen an die Gesellschaft zurückgeflossen seien. Auf Seite 3 oben wird ausgeführt, dass der Anteil der Schwarzlöhne und der Geldrückflüsse zu schätzen gewesen sei, weil das Verwaltungsgericht die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht habe ermitteln oder berechnen können. Gerade weil nicht ermittelbar war, in welchem konkreten Ausmaß die Rechnungsbeträge Leistungsentgelt darstellen, wurden die Steuerbemessungsgrundlagen vom Bundesfinanzgericht geschätzt.
20 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. Mai 2022
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)