European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022140201.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine philippinische Staatsangehörige, stellte am 6. März 2019 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Begründend brachte sie vor, sie habe die Philippinen verlassen, um in einem anderen Land arbeiten zu können. Sie habe daraufhin in den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet, sei jedoch schlecht behandelt worden. Nach der Ankunft in Deutschland mit ihrem Arbeitgeber sei sie alleine weiter nach Österreich zu ihrem hier aufhältigen Bruder gereist. Sie werde auf den Philippinen weder politisch noch strafrechtlich verfolgt.
2 Mit Bescheid vom 21. Februar 2020 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung „nach“ Philippinen zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 In der Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe keine Fluchtgründe, sie sei in der Republik der Philippinen nicht verfolgt worden und werde dort auch aktuell nicht verfolgt. Die von ihr geschilderten Taten ihres arabischen Dienstgebers seien weder im Herkunftsstaat begangen worden noch diesem zuzurechnen. Es seien unter Berücksichtigung der Länderberichte keine Anhaltspunkte hervorgekommen, dass der Revisionswerberin durch die Rückführung in ihren Herkunftsstaat eine Verletzung der in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In ihrem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision macht die Revisionswerberin geltend, sie fürchte Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der durch Zwangsarbeit ausgebeuteten Personen. Dazu fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Auch Feststellungen zu den Merkmalen bzw. zur abgegrenzten Identität der sozialen Gruppe als auch zum kausalen Zusammenhang mit der Verfolgung habe das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorgenommen. Das Bundesverwaltungsgericht hätte vielmehr eine Prüfung der Verfolgungsgefahr durch Privatpersonen und des Fehlens staatlichen Schutzes vornehmen müssen. Auf eine „Staatlichkeit“ der Verfolgung komme es nicht an, sondern auf das Fehlen staatlichen Schutzes.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat das Verwaltungsgericht neben der Durchführung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise auch die Pflicht, auf das Parteivorbringen, soweit es für die Feststellung des Sachverhalts von Bedeutung sein kann, einzugehen. Das Verwaltungsgericht darf sich über erhebliche Behauptungen und Beweisanträge nicht ohne Ermittlungen und ohne Begründung hinwegsetzen (vgl. etwa VwGH 25.4.2022, Ra 2021/20/0429, mwN).
10 Die Revision, die sich auf einen Sachverhalt stützt, der sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten, somit außerhalb der Herkunftsstaates der Revisionswerberin, ereignet hat, übersieht, dass das Bundesverwaltungsgericht unter Zugrundelegung der Aussagen der Revisionswerberin eine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat verneint hat und letztlich zu dem Ergebnis gekommen ist, dass keine Fluchtgründe vorliegen. Die Revision zeigt weder auf, dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts unvertretbar wären (vgl. zum insoweit im Revisionsverfahren gegebenen Prüfkalkül etwa VwGH 29.6.2022, Ra 2022/14/0154, mwN), noch setzt sie sich mit den rechtlichen Erwägungen im angefochtenen Erkenntnis in Bezug auf das Nichtvorliegen von Fluchtgründen auseinander.
11 Somit ist den auf der eigenen Prämisse ‑ nämlich der Richtigkeit ihres Vorbringens zur Verfolgungsgefahr aufgrund der Zwangsarbeit ‑ aufbauenden, aber nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehenden (vgl. § 41 VwGG) Behauptungen der Boden entzogen.
12 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen in der Revision gerügt wird, es hätte geprüft werden müssen, welche (private) Verfolgung die Revisionswerberin bei einer Rückkehr in der Heimatstadt voraussichtlich zu erwarten habe, so macht sie einen Verfahrensmangel geltend. Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs‑ und Begründungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auf das Wesentliche zusammengefasst ‑ jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 30.6.2022, Ra 2022/14/0095, mwN). Diesem Erfordernis wird die Revisionswerberin nicht gerecht, weil sie nicht ansatzweise darstellt, welche Tatsachen bei Vermeidung der behaupteten Verfahrensmängel festzustellen gewesen wären und inwiefern angesichts derartiger Tatsachen von einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr auszugehen gewesen wäre.
13 Davon ausgehend kommt es auf die Frage des Fehlens staatlichen Schutzes nicht mehr an.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. Juli 2022
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