European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200066.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 12. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er aufgrund seiner Tätigkeit bei einem Entminungsunternehmen von den Taliban gefangengenommen und misshandelt worden sei.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. November 2017 sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 11. Dezember 2020, E 3843/2020‑7, ablehnte. Über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers wurde die Beschwerde mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Dezember 2020, E 3843/2020‑9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Daraufhin wurde die vorliegende Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Der Verwaltungsgerichtshof ist nach ständiger Rechtsprechung als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der ‑ zur Rechtskontrolle berufene ‑ Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (VwGH 18.12.2020, Ra 2020/20/0384, mwN).
9 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit dem Vorbringen des Revisionswerbers zu seinen Fluchtgründen auseinandergesetzt und diesem die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Diese Einschätzung hat es auf näher dargelegte, nicht als unschlüssig anzusehende Überlegungen gestützt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers nicht den Tatsachen entspreche. Das Bundesverwaltungsgericht hat neben den zeitlichen Diskrepanzen in der Fluchtgeschichte insbesondere einen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Revisionswerbers für ein Entminungsunternehmen und einer Verfolgung durch die Taliban als nicht plausibel eingestuft und damit die behauptete Entführung und Gefangennahme des Revisionswerbers durch die Taliban als nicht glaubhaft erachtet.
10 Der vor diesem Hintergrund in der Revision aufgeworfene Begründungsmangel, wonach die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage der Tätigkeiten des Revisionswerbers im Entminungsunternehmen widersprüchlich seien, verfängt nicht, weil das Verwaltungsgericht in der Zusammenschau von Feststellungen, beweiswürdigenden Überlegungen und den Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung davon ausgegangen ist, dass der Revisionswerber zwar für das Entminungsunternehmen tätig gewesen sei, dort aber lediglich Hilfstätigkeiten entfaltet, nicht als Entminer gearbeitet und daher die Funktion einer exponierten, hochgefährdeten Person nicht erfüllt habe. Davon ausgehend habe der Revisionswerber keine aktuelle Verfolgungsgefahr durch die Taliban glaubhaft machen können. Der Revision gelingt es nicht aufzuzeigen, dass die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.
11 Sofern im Zulässigkeitsvorbringen in der Revision unter der Prämisse der vorgreifenden Beweiswürdigung die Unterlassung der beantragten Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der durch Folterungen durch die Taliban erlittenen Verletzungen gerügt wird, ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf Einholung eines medizinischen Gutachtens geeignet sein mag, die Ursache von vorhandenen Verletzungen zu belegen. Jedoch ist ein medizinisches Gutachten nicht geeignet, Aufklärung über die Frage, im Zuge welcher Ereignisse der Revisionswerber die Verletzungen erlitten haben mag und damit über die Nachvollziehbarkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers zu geben (vgl. zur Frage der Eignung medizinischer Sachverständigengutachten als Beweis für behauptetes Fluchtvorbringen VwGH 22.1.2021, Ra 2020/20/0438; 20.11.2019, Ra 2019/20/0286; 15.3.2018, Ra 2018/20/0090, jeweils mwN). Mit dem insoweit bloß pauschal gehaltenen Revisionsvorbringen wird vor diesem Hintergrund die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers nicht dargetan.
12 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. März 2021
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