VwGH Ra 2021/20/0065

VwGHRa 2021/20/006529.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Engel, in der Rechtssache der Revision der R T in W, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Jänner 2021, W208 2218711‑1/8E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §18
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §35
BFA-VG 2014 §13 Abs4
BFA-VG 2014 §52 Abs1
B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
32011L0095 Status-RL Art4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021200065.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Syriens, stellte am 21. November 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Ihren Antrag begründete sie damit, dass sie mit ihrem Ehemann (im Folgenden: Bezugsperson) gemeinsam in Österreich leben wolle.

2 Der angegebenen Bezugsperson, ebenfalls syrischer Staatsangehöriger, wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 1. April 2016 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

3 Mit Bescheid vom 19. März 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Revisionswerberin hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab, erkannte ihr den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

4 Am 16. November 2020 wurde ein gemeinsames Kind der Revisionswerberin und der Bezugsperson in Österreich geboren.

5 Die gegen den Bescheid vom 19. März 2019 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt die Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht habe die Revisionswerberin nicht über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA‑Analyse nach § 13 Abs. 4 BFA‑Verfahrensgesetz (BFA‑VG) bei Zweifel an der Authentizität der vorgelegten Urkunden betreffend ihre Eheschließung in Syrien belehrt. Die DNA‑Analyse hätte die Abstammung des Kindes von der Bezugsperson bewiesen, wodurch die Eheschließung zwischen der Revisionswerberin und der Bezugsperson glaubhaft gemacht worden wäre.

10 Die Behörde (im Beschwerdeverfahren: das Bundesverwaltungsgericht) hat einem Fremden bestehende, konkrete Zweifel an einem behaupteten Abstammungsverhältnis mitzuteilen. Darüber hinaus ist dem Fremden auf sein Verlangen eine DNA‑Analyse gemäß § 13 Abs. 4 BFA‑VG „zu ermöglichen“; dieser ist auch über diese Möglichkeit zu belehren. Bevor ein Antrag aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis abgewiesen wird, haben jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA‑Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (vgl. zu einem Verfahren nach § 35 AsylG 2005 VwGH 3.12.2020, Ra 2020/20/0262, mwN).

11 Die Zulässigkeit der Revision setzt im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang konkret dargetan wird. Die bloße Behauptung der Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften reicht nicht aus (vgl. VwGH 8.2.2018, Ra 2017/01/0179‑0181, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Abstammungsverhältnis des Kindes von der Revisionswerberin und der Bezugsperson als wahr unterstellt, hielt jedoch ‑ ungeachtet dieses Umstandes ‑ den Bestand einer Ehe im Herkunftsland mit näherer Begründung für unglaubwürdig. Ausgehend davon ist nicht ersichtlich, welche entscheidungsrelevanten Tatsachen durch eine DNA‑Analyse hätten bewiesen werden können.

13 Wenn sich die Revision (im Zusammenhang mit den zum Beweis der Eheschließung vorgelegten Urkunden) gegen die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 1.2.2021, Ra 2020/20/0022, 0023, mwN). Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 11.2.2021, Ra 2020/20/0375, mwN).

14 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch, setzte sich mit den Aussagen der Revisionswerberin und der Bezugsperson sowie den vorgelegten Urkunden auseinander und kam unter Hinweis auf näher dargestellte Widersprüche und Ungereimtheiten zu dem Schluss, dass eine Eheschließung vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich nicht erfolgt sei. Dass die Beweiswürdigung unvertretbar wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

15 Wenn die Revision bemängelt, die Revisionswerberin sei vom Bundesverwaltungsgericht über die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines kostenlosen Rechtsberaters ‑ insbesondere der neu geschaffenen Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen Gesellschaft (BBU) ‑ im Sinne des § 52 Abs. 1 BFA‑VG nicht belehrt worden, blendet sie aus, dass die Revisionswerberin mit Verfahrensanordnung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20. März 2019 gemäß § 52 Abs. 1 BFA‑VG davon informiert wurde, dass ihr kostenlos ein Rechtsberater zur Seite gestellt werde.

16 Gemäß § 52 Abs. 1 BFA‑VG hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Asylwerber mittels Verfahrensanordnung darüber zu informieren, dass ihm kostenlos ein Rechtsberater zur Seite gestellt wird (vgl. VwGH 14.2.2019, Ra 2018/18/0409). Entgegen den Ausführungen der Revision ist dem § 52 Abs. 1 BFA‑VG keine darüberhinausgehende Belehrungspflicht des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmen.

17 Das darauf bezogene Zulässigkeitsvorbringen vermag eine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B‑VG zudem schon deswegen nicht aufzuzeigen, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 29.1.2021, Ra 2020/20/0153).

18 Wenn die Revision vorbringt, dass Bundesverwaltungsgericht habe eine mögliche Verfolgung der Revisionswerberin in Syrien als „angetraute (allenfalls auch traditionell verheiratete) Ehefrau eines Wehrdienstverweigerers“, nicht berücksichtigt, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, VwGH 11.2.2021, Ra 2021/20/0017, mwN). Im Übrigen hat das Bundesverwaltungsgericht (mit näherer Begründung) festgehalten, dass nicht anzunehmen sei, dass die syrischen Behörden von der in Österreich eingegangenen Verbindung zwischen der Revisionswerberin und der Bezugsperson erfahren würden. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Glaubhaftmachung des Fluchtvorbringens einer einzelfallbezogenen Beurteilung unterliegt und im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2021/01/0003, mwN), zeigt die Revision nicht auf, dass diese Beurteilung unvertretbar wäre. Soweit sich die Revision in diesem Zusammenhang auf eine uneinheitliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes beruft, wird damit weder ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch deren Fehlen oder Uneinheitlichkeit aufgezeigt (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/17/0318; 10.7.2020, Ra 2020/01/0203; 17.9.2020, Ra 2020/01/0315).

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2021

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