European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021140200.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 14. September 2015 als bereits Volljähriger gemeinsam mit seiner Schwester und seinen Eltern einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.
2 Mit Bescheid vom 21. Juni 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. April 2021 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 In seinem Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision wendet sich der Revisionswerber der Sache nach ausschließlich gegen die Versagung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und macht in diesem Zusammenhang geltend, die Begründung des Erkenntnisses sei widersprüchlich. So habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass der Revisionswerber über keinerlei Arbeitserfahrung verfüge, lediglich die Schule besucht habe und von seinem Vater erhalten worden sei. Er könne als Hilfsarbeiter unterkommen und würde im Fall der Rückkehr in keine existenzbedrohende Notlage geraten, wobei diese Feststellung lediglich mit seiner Eigenschaft als gesund, jung und arbeitsfähig begründet worden sei. Gleichzeitig sei aber unter anderem festgestellt worden, dass Vertriebene zu den am stärksten betroffenen Personen der COVID‑19‑Pandemie gehörten, dies auch durch sekundäre Auswirkungen, wie mangelnde Möglichkeiten zum Verdienen des Lebensunterhaltes. Es sei nach den Feststellungen für Rückkehrer die größte Herausforderung, einen Arbeitsplatz zu finden, Einkommen zu erwirtschaften oder eine bezahlbare Wohnung zu finden. Es könne also ‑ so die Zulässigkeitsbegründung der Revision ‑ nicht davon ausgegangen werden, dass ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, der noch nie selbst gearbeitet habe und von seinem Vater erhalten worden sei, auch alleine ohne Familie im Fall der Rückkehr während der COVID‑19‑Pandemie nicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde. Die Feststellungen zur Rückkehrsituation seien daher widersprüchlich.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 12.4.2021, Ra 2020/14/0444, mwN).
9 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich ausführlich mit den einschlägigen Länderinformationen auseinandergesetzt und hat konkrete, sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat betreffende Feststellungen getroffen. Dabei hat es entgegen dem Revisionsvorbringen nicht nur darauf abgestellt, dass der Revisionswerber ein arbeitsfähiger Erwachsener sei, der die Sprache seines Herkunftslandes spreche und dort sozialisiert worden sei, sondern auch berücksichtigt, dass er nicht völlig auf sich alleingestellt wäre, da seine Tante mit Familie nach wie vor in Bagdad lebe und davon auszugehen sei, dass sich der Revisionswerber zumindest temporär wiederum bei Angehörigen in Bagdad werde ansiedeln können und ihm bei diesen auch eine angemessene Unterkunft sowie eine Grundversorgung mit Trinkwasser, sanitärer Infrastruktur, Strom und Grundnahrungsmitteln zur Verfügung stehen werde.
10 Dass im Fall einer Rückkehr des Revisionswerbers nach Bagdad solche exzeptionellen Umstände vorlägen, welche konkret die reale Gefahr einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellten, legt die Revision vor dem Hintergrund dieser Erwägungen nicht dar, sodass der behauptete Widerspruch innerhalb der Feststellungen auch nicht gegeben ist.
11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 29. Juni 2021
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