VwGH Ra 2020/21/0091

VwGHRa 2020/21/009116.7.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant, die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel, die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des I M in H, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert‑Sattler‑Gasse 10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18. Februar 2020, G307 2216632‑1/21E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §53 Abs2 Z1
FrPolG 2005 §53 Abs3
FSG 1997 §1 Abs3
FSG 1997 §37 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210091.L01

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der im Mai 1988 geborene Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, hielt sich ‑ so die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) ‑ ab Dezember 2009 im erlaubten Umfang (drei Monate innerhalb eines Sechsmonatszeitraums) in Österreich auf. Am 13. März 2010 heiratete er eine in Österreich aufenthaltsberechtigte serbische Staatsangehörige. Die Ehe wurde im November 2015 wieder geschieden. Eheliche Kinder sind die am 24. August 2010 geborene Tochter S. und der am 9. Juni 2016 geborene Sohn A; die Kinder lebten nach der Scheidung bei der Mutter.

2 Dem Revisionswerber wurde ‑ so die Feststellungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ‑ mit Gültigkeit ab 15. Jänner 2013 ein Aufenthaltstitel erteilt; seit damals hält er sich durchgehend in Österreich auf. Beginnend mit 8. Jänner 2014 verfügte der Revisionswerber jedenfalls über einen Aufenthaltstitel „Rot‑Weiß‑Rot ‑ Karte plus“, zuletzt gültig bis 7. Jänner 2018. Er hatte ‑ der Aktenlage (Eintragungen in der Auskunft aus dem Zentralen Fremdenregister) zufolge ‑ am 21. Dezember 2017 einen Verlängerungsantrag gestellt.

3 Offenbar aus Anlass dieses Verlängerungsantrages stellte die Niederlassungsbehörde mit Schreiben vom 4. Jänner 2018 beim BFA den „Antrag auf Einleitung eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung gem. § 55 NAG“, weil die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus mehreren, näher dargelegten Gründen nicht vorlägen.

4 Mit Bescheid vom 26. November 2018 sprach das BFA sodann zunächst aus, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen „gemäß § 55 Asylgesetz 2005“ (von Amts wegen) nicht erteilt werde, wobei sich aus der Begründung (siehe Seite 7) eindeutig ergibt, dass insofern ein Schreibfehler unterlaufen ist, als tatsächlich § 57 AsylG 2005 gemeint war. Des Weiteren erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA‑VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und es stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Serbien zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt und einer Beschwerde wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA‑VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Schließlich verhängte das BFA über den Revisionswerber noch gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Jänner 2020 mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 18. Februar 2020 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre „angehoben“ wurde.

6 Diese Entscheidung stützte das BVwG ‑ neben der Einbeziehung von fünf Bestrafungen wegen Delikten nach dem FSG bzw. KFG und der StVO ‑ in erster Linie auf zwei strafgerichtliche Verurteilungen des Revisionswerbers. Er war nämlich mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 21. April 2015 wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Diesem Schuldspruch lag zugrunde, dass der Revisionswerber am 17. März 2015 versucht habe, seine Ehefrau durch die telefonische Drohung „Wenn du die Anzeige bis morgen früh nicht zurücknimmst, wirst du den Gerichtstermin nicht erleben.“ zur Zurücknahme einer gegen ihn erstatteten Anzeige zu nötigen. Des Weiteren habe er am 23. März 2015 versucht, seine Ehefrau durch die telefonische Drohung „Wenn du nicht in einer halben Stunde 7.000 € auftreibst, dann werde ich die Wohnung komplett demolieren, dich zusammenschlagen und danach umbringen.“ zur Übergabe dieses Betrages zu nötigen. Mit weiterem Urteil des genannten Gerichtes vom 11. Juni 2019 wurde der Revisionswerber wegen der Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs. 1 Z 2 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sieben Monaten und zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 4 € rechtskräftig verurteilt. Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, am 28. April 2018 im Zusammenwirken mit einem Mittäter von einer Baustelle drei originalverpackte Heizkörper im Wert von ca. 300 € und allein zumindest 50 Liter Treibstoff nach Aufbrechen eines Tankverschlusses gestohlen zu haben. Des Weiteren habe er im Zeitraum 13. bis 14. November 2017 zwei fremde Kennzeichentafeln unterdrückt. Schließlich habe er am 13. August 2018 einen auf seinen Namen lautenden gefälschten Führerschein im Zuge einer Polizeikontrolle verwendet.

7 Zu den familiären Verhältnissen stellte das BVwG ergänzend fest, der Revisionswerber und seine geschiedene Ehefrau führten zumindest seit Oktober 2018 wieder eine Beziehung, der die am 20. März 2019 geborene Tochter M. entstamme. Er lebe mit ihr und den drei Kindern seit 24. Jänner 2019 (wieder) im gemeinsamen Haushalt. Die ehemalige Ehefrau des Revisionswerbers beziehe derzeit Familienbeihilfe und Karenzgeld. Der Revisionswerber habe ‑ immer wieder durch den Bezug von Notstands‑ oder Überbrückungshilfe und Arbeitslosenunterstützung unterbrochen ‑ im Wesentlichen nur kurzfristige Beschäftigungen bei insgesamt zwölf Arbeitgebern ausgeübt. Seit 13. Jänner 2020 sei er als Arbeiter bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Die Muttersprache des Revisionswerbers sei Serbokroatisch; Deutsch spreche er nur auf dem Niveau A1, an der schriftlichen Prüfung für das Niveau A2 sei er bisher gescheitert. Der Revisionswerber „besitzt“ in seinem serbischen Geburtsort ein Haus, in dem seine Mutter und sein Stiefvater wohnten. Zuletzt habe er sich dort vom 20. Dezember 2019 bis 12. Jänner 2020 aufgehalten. In Serbien habe er auch noch eine zwölfjährige Tochter aus erster Ehe, die bei ihrer Mutter lebe.

8 In der rechtlichen Beurteilung verwies das BVwG darauf, dass die Zeugung des jüngsten Kindes („um den 20.06.2018“) nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides, somit im Bewusstsein eines unsicheren Aufenthalts, erfolgt sei. Darüber hinaus sei ein Wille des Revisionswerbers, sich sprachlich, beruflich oder gesellschaftlich zu integrieren, nicht erkennbar. „Abgerundet“ werde dies dadurch, dass sich der Revisionswerber seit 7. Jänner 2018 unrechtmäßig in Österreich aufhalte, er hier zweimal straffällig geworden sei und mehrere rechtskräftig geahndete Übertretungen des Straßenverkehrsrechts begangen habe. Zudem habe er angesichts der bestehenden Schulden von insgesamt etwa 10.900 € und der deshalb geführten Gehaltsexekution seine finanziellen Verhältnisse überschätzt. All das führe zu einer starken Relativierung des dem Revisionswerber „zugestandenen“ Familienlebens. Trotz des Aufenthalts in der Dauer von etwas mehr als sechs Jahren sei das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Verhinderung von Eigentums‑ und Gewaltkriminalität, dem ein hoher Stellenwert zukomme, das persönliche Interesse des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich überwiege. In Bezug auf das Einreiseverbot sei „beachtlich“, dass der Revisionswerber sein gesamtes strafbares Verhalten in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als „Kleinigkeiten“ abgetan und keine Reue gezeigt habe. Das sich bei einer Gesamtbetrachtung aus den gerichtlichen Straftaten und verwaltungsrechtlichen Übertretungen (nach dem Fremden‑, Verkehrs‑ und Melderecht) ergebende Persönlichkeitsbild lasse auf eine schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schließen. Anhaltspunkte für eine „positive Wandlung“ in absehbarer Zeit bestünden nicht, weil der Zeitraum seit Begehung der letzten Straftaten hierfür noch zu kurz sei und der Revisionswerber zudem „den überwiegenden Teil dieser Zeit in Haft verbracht“ habe. Letztlich habe der Revisionswerber seine „familiären Bezugspunkte“ in Österreich durch sein „wiederholt strafrechtswidriges Verhalten aufs Spiel gesetzt“ und „diese durch wiederholte Aufenthalte in Justizanstalten relativiert“.

9 Betrachte man ‑ so begründete das BVwG abschließend die Verlängerung der Dauer des Einreiseverbotes ‑ die mangelnde Einsicht des Revisionswerbers „in sein Verhalten“, die Übertretung melde‑, verkehrs‑ und strafrechtlicher Vorschriften, sein fehlendes Bemühen, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen sowie seinen Analphabetismus und die fehlenden Deutschkenntnisse zu verbessern, und den Umstand, dass er sich trotz des abgelaufenen Aufenthaltstitels seit mehr als zwei Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet befinde, so erweise sich ein Einreiseverbot von vier Jahren als zulässig.

10 Gegen dieses Erkenntnis, in dem das BVwG noch gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen hatte, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei, richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage und Durchführung des Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen hat:

11 Die Revision erweist sich ‑ wie sich aus den weiteren Ausführungen ergibt ‑ entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG als zulässig; sie ist auch berechtigt.

12 Das BVwG stellte betreffend den dem Revisionswerber zuletzt erteilten, bis 7. Jänner 2018 gültigen Aufenthaltstitel im angefochtenen Erkenntnis fest, einen diesbezüglichen Verlängerungsantrag habe der Revisionswerber nicht gestellt. Diese Feststellung, für die sich im angefochtenen Erkenntnis auch keine beweiswürdigende Begründung findet, steht allerdings im Widerspruch zur Aktenlage (siehe Rn. 2 und 3). Ausgehend von der rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrages wäre der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers in Österreich aber gemäß § 24 Abs. 1 dritter Satz NAG rechtmäßig. Gegen ihn wäre eine Rückkehrentscheidung nur unter den Bedingungen des § 52 Abs. 4 Z 4 FPG ‑ nämlich wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht ‑ zulässig gewesen (vgl. VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, Rn. 7). Auf dieser Basis würde die in der rechtlichen Beurteilung vom BVwG vertretene Auffassung, das BFA habe die Rückkehrentscheidung zu Recht auf § 52 Abs. 1 Z 1 FPG gestützt, nicht zutreffen, weil dieser Tatbestand nur Rückkehrentscheidungen gegen nicht rechtmäßig aufhältige Drittstaatsangehörige erfasst. Darüber hinaus wäre der in den Bescheid des BFA vom 26. November 2018 aufgenommene Spruchteil über die (amtswegige) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, der gemäß dem im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 nur dann vorzunehmen ist, wenn sich der Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, vom BVwG ersatzlos zu beheben gewesen (vgl. neuerlich VwGH 22.8.2019, Ra 2019/21/0062, nunmehr Rn. 15, mit dem Hinweis auf VwGH 4.4.2019, Ra 2019/21/0081, Rn. 8). Vor allem erwiese sich aber der gegenüber dem Revisionswerber im angefochtenen Bescheid wiederholt ins Treffen geführte Vorwurf, er habe sich seit zwei Jahren nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten und insoweit gegen fremdenrechtliche Vorschriften verstoßen, als nicht gerechtfertigt.

13 Bei der Bestätigung des Einreiseverbotes legte das BVwG zugrunde, das strafrechtliche Fehlverhalten des Revisionswerbers rechtfertige die Annahme, sein weiterer Aufenthalt stelle im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit dar. Als bestimmte, diese Gefährdungsannahme rechtfertigende Tatsache gilt ‑ soweit fallbezogen relevant ‑ gemäß Z 1 der genannten Bestimmung, wenn ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder „mindestens“ einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt wurde. Vor diesem rechtlichen Hintergrund hat das BVwG nicht ausreichend berücksichtigt, dass der erstgenannte Tatbestand im vorliegenden Fall nur in Bezug auf die zweite strafgerichtliche Verurteilung zu einer bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von sieben Monaten verwirklicht ist und das dort angeführte Mindeststrafmaß nur geringfügig überschritten wird. Bei der ersten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Monaten wurde diese Schwelle eindeutig nicht erreicht und überdies vom BVwG außer Acht gelassen, dass die zugrunde liegenden Straftaten bereits vor fast fünf Jahren gesetzt wurden. In Bezug auf die der zweiten Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten ging das BVwG im Übrigen aktenwidrig davon aus, der Revisionswerber habe seit deren Begehung ‑ das letzte der Verurteilung vom 11. Juni 2019 zugrunde liegende strafbare Verhalten datiert vom 13. August 2018 ‑ „den überwiegenden Teil dieser Zeit in Haft verbracht“. Auch die Unterstellung, der Revisionswerber weise „wiederholte Aufenthalte in Justizanstalten“ auf, ist durch die Aktenlage nicht gedeckt.

14 Aus all diesen Gründen erweist sich somit die Annahme des BVwG zum Vorliegen einer Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG in wesentlichen Gesichtspunkten als mangelhaft begründet.

15 Soweit das BVwG diese Gefährdungsprognose auch auf die Bestrafungen des Revisionswerbers wegen Übertretung von Verwaltungsvorschriften stützte, so kommt dafür von vornherein nur jenen wegen Lenkens eines Fahrzeuges ohne Besitz der erforderlichen Lenkberechtigung vom 24. April 2018 und vom 28. September 2018 zu einer Geldstrafe von 500 € bzw. 600 € (und nicht auch jenen wegen Übertretungen des KFG und der StVO wegen Nichtanlegens des Sicherheitsgurtes bzw. unterlassener Ummeldung des Fahrzeuges wegen Wechsels des Behördensprengels zu Geldstrafen von 70 € bzw. 150 € sowie wegen Überfahrens einer Ampel bei Rotlicht zu einer Geldstrafe von 180 €) Relevanz zu. Allerdings hat das BVwG nicht erkennbar berücksichtigt, dass diese Bestrafungen nach § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG nicht einmal den eine (bloße) Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit indizierenden Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllen. Sie sind daher nicht geeignet, in maßgeblicher Weise die bei Verhängung des Einreiseverbotes vom BVwG angenommene schwerwiegende Gefährdung im Sinne des § 53 Abs. 3 FPG zu begründen. Das gilt umso mehr für die vom BVwG in diesem Zusammenhang auch ins Treffen geführte Verletzung melderechtlicher Vorschriften, für die keine Bestrafung erfolgte, was aber schon für die Verwirklichung des Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 Z 1 FPG erforderlich gewesen wäre.

16 Dem BVwG ist zwar dahin zu folgen, dass der Revisionswerber nicht als beruflich verankert anzusehen ist und keine nennenswerten Deutschkenntnisse aufweist. Allerdings kann er auf rechtmäßige Inlandsaufenthalte seit Ende 2009 verweisen, wobei er sich durchgehend seit Anfang 2013, somit insgesamt seit etwa sieben Jahren, davon fünf Jahre mit Aufenthaltstitel und seit Ablauf von deren letzter Gültigkeit im Jänner 2018 noch immer rechtmäßig (siehe oben Rn. 12) in Österreich befindet. Entscheidend ist aber vor allem, dass er nunmehr seit zumindest etwa einem Jahr mit seiner (früheren) Ehefrau und den drei Kindern im gemeinsamen Haushalt lebt. Entgegen der Ansicht des BVwG hat dieses schützenswerte Familienleben durch das bisherige Verhalten des Revisionswerbers, dessen Beurteilung durch das BVwG im Sinne der obigen Ausführungen einer Korrektur zugunsten des Revisionswerbers bedarf, keine so „starke Relativierung“ erfahren, dass gegen ihn die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen mit der Konsequenz einer Trennung der Familienangehörigen zulässig wäre. Der Revision, die sich überdies zu Recht auf den Gesichtspunkt des Kindeswohls beruft, ist somit der Sache nach darin beizupflichten, dass die nach § 9 BFA‑VG vorgenommene, zu einem anderen Ergebnis kommende Interessenabwägung des BVwG insgesamt nicht vertretbar war.

17 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

18 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 5 und 6 VwGG abgesehen werden.

19 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 16. Juli 2020

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