VwGH Ra 2020/16/0037

VwGHRa 2020/16/00377.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und Hofrat Dr. Thoma sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des M S in W, vertreten durch Mag. Julian Motamedi, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Baumannstraße 9/12A, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 8. Jänner 2020, RV/7300056/2019, betreffend Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.A. Finanzvergehen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020160037.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Finanzstrafbehörde (Spruchsenat) hatte nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 25. Juni 2019 in Anwesenheit des Revisionswerbers und dessen Verteidigers sein Straferkenntnis mündlich verkündet.

2 In seinem Schriftsatz vom 15. Juli 2019 beantragte der Revisionswerber die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung einer Beschwerde und holte unter einem die Anmeldung des Rechtsmittels gemäß § 150 Abs. 4 FinStrG nach.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit der Maßgabe ab, dass dieser Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde; weiters sprach das Gericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

Begründend erwog das Gericht im Kern, nach den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag bzw. der diesem beiliegenden eidesstaatlichen Erklärung habe der einschreitende Rechtsanwalt im Anschluss an die mündliche Verhandlung am 25. Juni 2019 mit seinem Mandanten die Möglichkeit erörtert, ein Rechtsmittel gegen das mündlich verkündete Erkenntnis zu erheben. Der Mandat habe bekannt gegeben, innerhalb der nächsten Woche Bescheid zu geben. Am 5. Juli 2019 habe der Revisionswerber dem einschreitenden Rechtsanwalt Unterlagen für die Erhebung der Beschwerde übergeben. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu entnehmen, wann der einschreitende Rechtsanwalt mit der Anmeldung der Beschwerde beauftragt worden sei. Die Frist für die Anmeldung der Beschwerde sei mit Ablauf des 2. Juli 2019 verstrichen, ohne dass eine Kontaktaufnahme zwischen Mandanten und Rechtsanwalt dokumentiert oder behauptet worden sei. Dementsprechend könne nicht beurteilt werden, ob das Ereignis (im Sinn des § 167 FinStrG: Der Untergang des Fristenvormerks im elektronisch geführten Fristenbuch des Anwaltes) überhaupt zur Versäumung der Frist zur Anmeldung der Beschwerde geführt habe oder ob der einschreitende Rechtsanwalt am 5. Juli 2019 nicht bereits verspätet mit der Anmeldung der Beschwerde beauftragt worden sei. Auf diesen Umstand habe bereits der vor dem Gericht angefochtene Bescheid hingewiesen, ohne dass der Revisionswerber in seiner Beschwerde hiezu Stellung genommen und näheres ausgeführt hätte.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision verbunden mit dem Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die Revision legt ihre Zulässigkeit zusammengefasst darin dar, aus der Erhebung eines Rechtsmittels oder ‑ wie vorliegend ‑ eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ergebe sich bereits zumindest schlüssig das Vorbringen dahingehend, dass ein solcher Auftrag [zur Erhebung eines Rechtmittels] erteilt worden sei. Das Gericht habe daher einen Sachverhalt unterstellt, ohne Hinweise darauf zu haben, ob sich dieser in der zugrunde gelegten Form ereignet habe oder nicht. Das Gericht hätte davon ausgehen müssen, dass in der Erhebung eines Rechtsmittels bzw. eines sonstigen Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt jedenfalls bereits der Auftrag zu sehen sei, dieses auch tatsächlich einzubringen. Die „Rechtsansicht“ des Gerichts sei überraschend und weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ab bzw. liege eine solche gar nicht vor. Ohne Vorliegen des Verfahrensmangels (Überraschung des Revisionswerbers mit dem Vorwurf dahingehend, dass keine Ausführungen zu einer Beauftragung des einschreitenden Rechtsanwaltes getätigt worden seien) hätte das Gericht zum Schluss kommen müssen, dass die versäumte Handlung im vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag konkret dargelegt worden sei, und inhaltlich darüber absprechen müssen. Die Entscheidung des Gerichts sei überraschend, da entgegen der Entscheidung der Finanzstrafbehörde, welche sich auch inhaltlich mit der Begründung befasst habe, plötzlich unterstellt werde, dass gar kein Auftrag zur Anmeldung der Beschwerde bestanden hätte und somit der Antrag als unzulässig zurück‑ und nicht abzuweisen sei.

5 Gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision).

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet. Der Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles auch eine andere Auslegung einer Erklärung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung im besagten Sinn zu. So geht die ‑ vertretbare ‑ Auslegung eines Antrages in ihrer Bedeutung nicht über den Einzelfall hinaus und vermag sohin auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuwerfen (VwGH 12.4.2017, Ra 2017/16/0040, 19.9.2017, Ra 2017/16/0111, 11.10.2018, Ra 2018/16/0154, betreffend die Frage der Auslegung eines Antrages, weiters VwGH 26.3.2019, Ra 2019/16/0025, 29.4.2019, Ra 2019/16/0085, und 27.11.2019, Ra 2019/16/0179).

7 Im vorliegenden Revisionsfall gelangte das Gericht in Ansehung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 15. Juli 2019 sowie der diesem Antrag angeschlossenen Erklärung des Rechtsfreundes des Revisionswerbers zum Ergebnis, dass die im Revisionsfall tragende Behauptung eines Auftrages zur Erhebung einer Beschwerde vor dem 5. Juli 2019 fehle und damit der Antrag der für die Beurteilung der Kausalität für die versäumte Handlung maßgeblichen Angaben ermangle. Tatsächlich kann auch die Revision nicht darlegen, dass das Gericht hiebei Vorbringen oder Erklärungen anderer Art zu Unrecht nicht in seiner Würdigung miteinbezogen habe, womit es sich um die Frage der bloßen Auslegung des Antrages in Zusammenhalt mit einem Bescheinigungsmittel handelt und in Ansehung dieses Auslegungsergebnisses vor dem Hintergrund der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

8 Auch kann bei der angefochtenen Zurückweisung nicht von einem „Verstoß gegen das Überraschungsverbot“ die Rede sein, waren doch dem Gericht die Wahrnehmung eines Mangels an notwendigem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ‑ welchen auch schon der vor dem Gericht angefochtene Bescheid erkannt hatte ‑ und im Rahmen der Sache des Beschwerdeverfahrens nach § 161 Abs. 1 FinStrG die Abänderung einer Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in eine Zurückweisung nicht verwehrt (vgl. zum Administrativverfahren etwa Walter/Thienel, AVG I², E 117 ff zu § 66 AVG, sowie Hengstschläger/Leeb, AVG ErgBd. [2017] Rz 40 zu § 28 VwGVG mwN), zumal die Revision nicht darlegt, welches weitere relevante Vorbringen denn noch hätte erstattet werden können und sollen.

9 Die vorliegende Revision ist daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 7. Mai 2020

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