European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140390.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Somalias, stellte am 4. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie aufgrund ihrer Hochzeit mit einem Angehörigen eines Minderheitenclans von ihrer Familie bedroht werde.
2 Mit Bescheid vom 6. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Somalia zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe veraltete Länderberichte herangezogen und hinsichtlich der Covid‑19‑Pandemie keine substantiellen Feststellungen getroffen. Das BVwG habe bei der Annahme der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rückkehr nach Mogadischu die mit der Pandemie verbundenen negativen Auswirkungen für die Revisionswerberin nicht ausreichend berücksichtigt. Weiters sei die Beweiswürdigung unvertretbar, weil das BVwG die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens unter anderem darauf gestützt habe, dass die Revisionswerberin in der Erstbefragung nur ihren ersten, bereits verstorbenen Ehemann genannt und ihren Fluchtgrund „auf diesen“ gestützt habe. Es sei offensichtlich, dass die Revisionswerberin ihren zweiten Ehemann gemeint habe.
8 Soweit die Revision die Nichtberücksichtigung aktueller Länderberichte rügt, macht sie Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel ‑ wie hier Ermittlungs‑, Begründungs‑ und Feststellungsmängel ‑ als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass ‑ auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0236, mwN).
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK nicht ausreichend ist. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, dass exzeptionelle Umstände vorliegen (vgl. VwGH 24.1.2020, Ra 2020/18/0008, mwN). Bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, kommt es nicht darauf an, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS‑CoV‑2‑Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist (vgl. etwa VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255, mwN).
10 Das BVwG kam im Rahmen der Prüfung des subsidiären Schutzes zum Ergebnis, dass bei einer Rückkehr in den Herkunftsort, der Stadt Mogadischu, die grundlegende Versorgung der Revisionswerberin gewährleistet sei, weil sie dort insbesondere ‑ so wie bereits vor ihrer Flucht ‑ im Haus ihrer Familie wohnen könne und von Familien‑ und Clanangehörigen versorgt werden würde. Dies wird in der Revision nicht substantiiert bestritten. Die Revision legt nicht dar, dass im Hinblick auf die Covid‑19‑Pandemie in Mogadischu solche exzeptionellen Umstände vorlägen, welche konkret die reale Gefahr einer Verletzung der nach Art. 3 EMRK garantierten Rechte darstellten. Des Weiteren lässt sich der Zulässigkeitsbegründung betreffend die behauptete Heranziehung veralteter Länderberichte eine von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte Relevanzdarlegung nicht entnehmen.
11 Soweit sich die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit gegen die der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten zu Grunde liegenden beweiswürdigenden Erwägungen wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 16.9.2020, Ra 2020/14/0389, mwN).
12 Das BVwG setzte sich - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffen konnte - mit dem Vorbringen zu den Gründen ihrer Flucht auseinander und sprach diesem in nicht unschlüssiger Weise die Glaubwürdigkeit ab. Dabei stützte es sich nicht bloß auf die von der Revision ins Treffen geführten widersprüchlichen Angaben der Revisionswerberin in der Erstbefragung und späteren Einvernahmen zu ihrer Heirat und zu ihrem Ehemann, sondern verwies auch auf zahlreiche andere Widersprüchlichkeiten in ihren Angaben. Es gelingt der Revision nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung aufzuzeigen.
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 11. November 2020
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