European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140368.L00
Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind miteinander verheiratet, die weiteren revisionswerbenden Parteien sind ihre minderjährigen Kinder. Sie sind Staatsangehörige der Mongolei und stellten Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (die erst- bis viertrevisionswerbende Partei nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 8. April 2015; für den im Juni 2016 in Österreich geborenen Fünftrevisionswerber wurde der Antrag am 1. August 2016 gestellt).
2 Mit den Bescheiden je vom 19. Dezember 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sämtliche Anträge auf internationalen Schutz ab, erteilte den revisionswerbenden Parteien keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen und stellte jeweils fest, dass die Abschiebung in die Mongolei zulässig sei. Einer Beschwerde wurde jeweils die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
3 Den dagegen erhobenen Beschwerden erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2018 die aufschiebende Wirkung zu (vgl. allerdings zur vom Bundesverwaltungsgericht zu wählenden Rechtsform im Fall der Stattgabe einer Beschwerde auch gegen die mit Bescheid erfolgte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch inhaltliche Beseitigung dieses Ausspruches VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284, 0285).
4 Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen vom 3. März 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung die gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erhobenen Beschwerden als unbegründet ab (der Sache nach lediglich soweit, als sich diese gegen die in den Bescheiden enthaltenen übrigen Aussprüche gerichtet hatten). Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG jeweils nicht zulässig sei.
5 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse an ihn gerichteten Beschwerden mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 1466‑1470/2020-5, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 In der Folge wurden die gegenständlichen Revisionen eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 In Bezug auf die Verweigerung von subsidiärem Schutz bringen die revisionswerbenden Parteien vor, das Bundesverwaltungsgericht habe veraltete Länderberichte herangezogen. Damit wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dargetan werden muss (vgl. etwa VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147; 7.7.2020, Ra 2020/20/0231, mwN). Eine solche Relevanzdarlegung ist der Zulässigkeitsbegründung jedoch nicht zu entnehmen. Es wird nicht konkret ausgeführt, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und weshalb diese zu anderen Entscheidungen hätten führen können. Die revisionswerbenden Parteien begnügen sich in diesem Zusammenhang Vermutungen in den Raum zu stellen. Auch mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen, das Bundesverwaltungsgericht habe es unterlassen, sich mit der „Covid‑19 Situation“, insbesondere den Bedingungen einer „allenfalls anzutretenden Isolation“, im Herkunftsstaat auseinanderzusetzen, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers für den Verfahrensausgang nicht dargetan. Konkrete die revisionswerbenden Parteien betreffende exzeptionelle Umstände, aufgrund derer im Fall der Rückkehr in den Heimatstaat die Annahme einer realen Gefahr der Verletzung der mit Art. 2 oder Art. 3 EMRK geschützten Rechte gerechtfertigt wäre, wird mit diesem Vorbringen nicht dargetan (vgl. im Übrigen dazu, dass es bei der Frage, ob im Fall der Rückführung eine Verletzung des Art. 3 EMRK zu gewärtigen ist, nicht darauf ankommt, ob infolge von zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus gesetzten Maßnahmen sich die Wiedereingliederung im Heimatland wegen schlechterer wirtschaftlicher Aussichten schwieriger als vor Beginn dieser Maßnahmen darstellt, solange die Sicherung der existentiellen Grundbedürfnisse weiterhin als gegeben anzunehmen ist, VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0255). Im Übrigen wird von den revisionswerbenden Parteien auch im Dunkeln belassen, welche (weiteren) Berichte vom Bundesverwaltungsgericht heranzuziehen gewesen wären.
11 Die revisionswerbenden Parteien machen zur Zulässigkeit der Revisionen weiters geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe bei der Beurteilung der Rückkehrsituation (sämtlicher Familienangehöriger) das Kindeswohl nicht berücksichtigt.
12 Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass es notwendig ist, sich bei der nach § 9 BFA‑Verfahrensgesetz vorzunehmenden Interessenabwägung mit den Auswirkungen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl auseinanderzusetzen (vgl. VwGH 19.6.2020, Ra 2019/19/0475; 30.4.2020, Ra 2019/21/0134; 30.4.2020, Ra 2019/21/0362; 8.4.2020, Ra 2020/14/0108; mwN).
13 Der von den revisionswerbenden Parteien erhobene Vorwurf, das Bundesverwaltungsgericht habe sich im Rahmen der bei der Erlassung der Rückkehrentscheidungen vorzunehmenden Interessenabwägung mit der Frage des Kindeswohls nicht auseinandergesetzt, trifft am Boden des Inhalts der angefochtenen Entscheidungen nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und konkret bezogen auf die revisionswerbenden Parteien dargelegt, warum es aus dem Blickwinkel des Kindeswohls nicht geboten sei, von der Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen Abstand zu nehmen. Dass es dabei die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Leitlinien missachtet und eine unvertretbare Beurteilung vorgenommen hätte, zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf.
14 Von den revisionswerbenden Parteien werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 21. August 2020
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