Normen
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140283.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 29. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie zusammengefasst damit begründete, ihr Mann und seine Familie hätten Probleme gehabt.
2 Mit Bescheid vom 26. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (I.) als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (II.) ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (III.), erließ gegen die Revisionswerberin eine Rückkehrentscheidung (IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (VI.).
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit am 2. April 2019 mündlich verkündetem und am 10. Mai 2019 schriftlich ausgefertigtem Erkenntnis insoweit ab, als sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides richtete. Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. richtete, gab ihr das Bundesverwaltungsgericht statt, erkannte der Revisionswerberin den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 2. April 2020. Die übrigen Spruchpunkte des Bescheides wurden ersatzlos behoben. Unter einem wurde ausgesprochen, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 25. Februar 2020, E 2238‑2241/2019‑5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die vorliegende Revision, die sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wendet, führt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst aus, das Bundesverwaltungsgericht habe den Prüfmaßstab hinsichtlich der „westlichen“ Orientierung verkannt. Das Gericht fordere, dass sich die Revisionswerberin in Afghanistan zur Wehr setze, falls man sie diskriminiere. Auf Protestverhalten und Widerstandskraft komme es hingegen nicht an. Das Bundesverwaltungsgericht postuliere, dass sich eine wirklich „westlich“ orientierte Frau mit einer verinnerlichten „westlichen“ Gesinnung besorgniserregenden Sanktionen aussetze, um ihren Lebensstil weiterhin zu pflegen. Es werde ein Prüfmaßstab angelegt, der sich in der Judikatur nicht finde.
9 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
10 Zunächst ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2020/14/0201; 28.4.2020, Ra 2020/14/0158; 23.1.2019, Ra 2018/18/0447 bis 0449; jeweils mwN).
11 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2020/14/0020; 27.5.2020, Ra 2020/14/0201; jeweils mwN).
12 Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich im gegenständlichen Fall nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffen konnte, ausführlich mit der Frage der behaupteten „westlichen Orientierung“ der Revisionswerberin. Es setzte den Prüfungsmaßstab in Einklang mit der dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes an, traf Feststellungen zum gewonnenen persönlichen Eindruck und legte nicht unschlüssig dar, warum es eine entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Revisionswerberin verneinte. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, welche Umstände vom Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt worden wären bzw. inwiefern die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären. Abgesehen davon entfernt sich die Revision mit ihren Ausführungen zur Notwendigkeit eines Protestverhaltens und der Aussetzung besorgniserregender Sanktionen vom festgestellten Sachverhalt. Auch aufgrund dessen vermag sie eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.5.2020, Ra 2019/14/0394, mwN).
13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 6. August 2020
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)