VwGH Ra 2020/14/0201

VwGHRa 2020/14/020127.5.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache der X Y, vertreten durch Mag. Taner Önal, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. August 2019, G311 2194395‑1/20E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140201.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Irak, stellte am 26. Oktober 2015 gemeinsam mit ihrem Sohn einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie zusammengefasst mit der Sicherheitslage im Irak und dem Umstand, dass sich ihr Ehemann und ihre Tochter bereits in Österreich aufhielten, begründete.

2 Mit Bescheid vom 22. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde mit vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 26. August 2019 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin gemeinsam mit den übrigen Familienmitgliedern ‑ aufgrund deren Anträge waren gleichartige Entscheidungen ergangen ‑ zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser behob mit Erkenntnis vom 24. Februar 2020, E 3683‑3686/2019‑8, das Erkenntnis des BVwG, soweit damit die Beschwerde der Familie gegen die Nichtzuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten, die Nichterteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebungen sowie die Festsetzung einer vierzehntägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wurde. Im Übrigen lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde der Familie ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde für die Revisionswerberin die gegenständliche Revision eingebracht.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die vorliegende Revision, die sich gegen die Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten wendet, führt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst aus, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Beweiswürdigung in Zusammenhang mit dem „westlichen“ Lebensstil der Revisionswerberin in unvertretbarer Weise vorgenommen habe. Sie habe glaubhaft vorgebracht, einen solchen Lebensstil zu pflegen und verinnerlicht zu haben, was sich anhand ihres bisherigen Lebenslaufs im Irak, ihrer Lebensweise in Österreich und ihrer ablehnenden „Beziehung“ zum Kopftuch sowie zu den im Irak geltenden Kleidervorschriften zeige. Die Revisionswerberin vertrete einen sehr liberalen Zugang hinsichtlich der Erziehung ihrer Tochter, toleriere deren westlichen Kleidungsstil und habe bereits im Irak ein für Frauen eher liberales Rollenbild eingenommen, weil sie selbst im Kulturbereich einer Arbeit im Ministerium nachgegangen sei. Es sei ihr nicht möglich, ihren Lebensstil im Irak weiterhin zu pflegen. Das Bundesverwaltungsgericht habe sich mit dieser Thematik nur ansatzweise befasst.

9 Zunächst ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach nicht jede Änderung der Lebensführung einer Asylwerberin während ihres Aufenthalts in Österreich, die im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte, dazu führt, dass der Asylwerberin deshalb internationaler Schutz gewährt werden muss. Entscheidend ist vielmehr eine grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung der Asylwerberin, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden ist und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte (vgl. VwGH 23.3.2020, Ra 2020/14/0096; 23.1.2019, Ra 2018/18/0447 bis 0449, mwN).

10 Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Die Beweiswürdigung ist damit nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges (nicht aber die konkrete Richtigkeit) handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 30.3.2020, Ra 2020/14/0020, mwN).

11 Das Bundesverwaltungsgericht befasste sich im gegenständlichen Fall nach Durchführung einer Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin verschaffen konnte, an Hand des festgestellten Sachverhalts ausführlich mit der Frage der behaupteten „westlichen Orientierung“ der Revisionswerberin. Der Revision gelingt es nicht darzulegen, welche Umstände vom Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall nicht berücksichtigt worden wären bzw. inwiefern die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts in einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären.

12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 27. Mai 2020

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