VwGH Ra 2020/10/0084

VwGHRa 2020/10/008429.6.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Wurzer, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 11. März 2020, Zl. 405‑9/835/1/16‑2020, betreffend Sozialhilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: T A in S, vertreten durch Braunsberger‑Lechner & Loos, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Leopold‑Werndl‑Straße 9), den Beschluss gefasst:

Normen

COVID-19-VwBG 2020 §1
COVID-19-VwBG 2020 §2 Abs1 Z1
COVID-19-VwBG 2020 §6 Abs2
VwGG §26 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020100084.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Land Salzburg hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. März 2020 hob das Verwaltungsgericht ‑ aufgrund einer von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde ‑ den Bescheid der belangten Behörde vom 12. September 2019, mit dem ein Antrag der Mitbeteiligten auf Gewährung von Sozialhilfe abgewiesen worden war, gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück.

2 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vom 8. Juni 2020 datierende und am 10. Juni 2020 beim Verwaltungsgericht eingelangte gemäß Art. 133 Abs. 8 und 9 B‑VG iVm § 16 Salzburger Landesverwaltungsgerichtsgesetz erhobene außerordentliche Revision der Salzburger Landesregierung.

3 Darin wird zur Rechtzeitigkeit der Revision ausgeführt:

„Der angefochtene Beschluss vom 11.03.2020 wurde am 12.03.2020 der Revisionswerberin und am 16.03.2020 der belangten Behörde zugestellt. Gemäß §§ 1 Abs 1, 6 Abs 2 COVID‑19‑VwBG iVm § 26 Abs 1 Z 5 und Abs 5 VwGG wurde die Revision somit fristgerecht erhoben.“

4 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstattete die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück‑ bzw. Abweisung der Revision beantragt.

5 § 26 VwGG lautet auszugsweise:

Revisionsfrist

§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

[...]

5. in den Fällen des Art. 133 Abs. 8 B‑VG dann, wenn das Erkenntnis dem auf Grund des Bundes‑ oder Landesgesetzes zur Erhebung der Revision befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, in dem es von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.

[...]

(5) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden.“

6 Das am 21. März 2020 kundgemachte Bundesgesetz betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID‑19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Verwaltungsrechtliches COVID‑19‑Begleitgesetz ‑ COVID‑19‑VwBG), https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2020/16 , in der hier maßgebenden Fassung zum Zeitpunkt der Revisionseinbringung, https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2020/42 , lautet ‑ auszugsweise ‑ wie folgt:

Unterbrechung von Fristen

§ 1. (1) In anhängigen behördlichen Verfahren der Verwaltungsbehörden, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 ‑ AVG, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1991_51_0/1991_51_0.pdf , Verwaltungsstrafgesetz 1991 ‑ VStG, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1991_52_0/1991_52_0.pdf , und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 ‑ VVG, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1991_53_0/1991_53_0.pdf ) anzuwenden sind, werden alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fällt, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Sie beginnen neu zu laufen. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 1 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, in den der Zeitpunkt oder das Ereignis fällt, wonach sich der Anfang der Frist richten soll. Bei der Berechnung einer Frist nach § 32 Abs. 2 AVG gilt der 1. Mai 2020 als Tag, an dem die Frist begonnen hat. Die vorstehenden Sätze gelten nicht für Fristen in Verfahren nach dem Epidemiegesetz 1950, https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1950_186_0/1950_186_0.pdf

[...]

Sonderregelungen für bestimmte Fristen

§ 2. (1) Die Zeit vom 22. März 2020 bis zum Ablauf des 30. April 2020 wird nicht eingerechnet:

1. in die Zeit, in der ein verfahrenseinleitender Antrag (§ 13 Abs. 8 AVG) zu stellen ist,

[...]

Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes

§ 6.

[...]

(2) Auf das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes sind die §§ 1 bis 3 und 5 sinngemäß anzuwenden.

[...]

Inkrafttreten und Außerkrafttreten

§ 9. (1) Dieses Bundesgesetz mit Ausnahme des § 6 Abs. 1 tritt mit Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

[...]

(3) Der Titel, § 1 Abs. 1 zweiter bis letzter Satz und Abs. 1a und § 2 samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes https://www.ris.bka.gv.at/eli/bgbl/I/2020/24 treten mit 22  März 2020 in Kraft.

[...]“

7 Gemäß § 1 COVID‑19‑VwBG, auf welchen sich die Revisionswerberin in ihren Ausführungen zur Rechtzeitigkeit der Revision stützt, wurden in „anhängigen“ behördlichen Verfahren vor Verwaltungsbehörden (und somit gemäß § 6 Abs. 2 leg. cit. auch in anhängigen Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof) ‑ unter weiteren Voraussetzungen ‑ alle (verfahrensrechtlichen) Fristen bis zum Ablauf des 30. April 2020 unterbrochen. Die Erhebung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof erfolgte gegenständlich aber nicht in einem bei diesem bereits anhängigen Verfahren, sodass die Fristunterbrechung des § 1 COVID‑19‑VwBG schon aus diesem Grund hier nicht zur Anwendung gelangte. Vielmehr ist die Revisionsfrist gegenständlich als Frist für einen „verfahrenseinleitenden“ Antrag iSd § 2 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 2 COVID‑19‑VwBG anzusehen und wurde nach dieser Bestimmung daher für die dort genannte Dauer nur gehemmt („nicht eingerechnet“; vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2020/11/0098, sowie darauf verweisend VwGH 20.4.2021, Ra 2020/07/0062).

8 Für den vorliegenden Revisionsfall folgt daraus, dass die Revisionsfrist am Donnerstag, 12. März 2020, somit noch vor Inkrafttreten des COVID‑19‑VwBG am 22. März 2020, zu laufen begann und für die Zeit vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 gehemmt war.

9 Ausgehend vom Beginn der Revisionsfrist hätte die sechswöchige Frist des § 26 Abs. 1 VwGG mit Ablauf des Donnerstags, den 23. April 2020, geendet (§ 32 Abs. 2 AVG). Unter Hinzurechnung der 40‑tägigen Fristhemmung vom 22. März 2020 bis 30. April 2020 hat die Revisionsfrist im vorliegenden Fall daher mit Ablauf des 2. Juni 2020 geendet.

10 Die gegenständliche, (erst) vom 8. Juni 2020 datierende (und am 10. Juni 2020 beim Landesverwaltungsgericht eingelangte) Revision erweist sich daher als verspätet und war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Juni 2021

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