VwGH Ra 2020/01/0250

VwGHRa 2020/01/02507.9.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der I O, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 25. Februar 2020, Zl. VGW‑103/040/6839/2019‑21, betreffend Passgesetz 1992 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft London), den Beschluss gefasst:

Normen

PaßG 1992 §14 Abs1 Z1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010250.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerberin in der Sache die Ausstellung eines österreichischen Reisepasses und eines österreichischen Personalausweises gemäß § 14 Abs. 1 Z 1 Passgesetz 1992 versagt und ihr der im IDR als „verloren“ aufscheinende (näher bezeichnete) Reisepass und der als „verloren“ gemeldete (näher bezeichnete) Personalausweis gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z 1 Passgesetz 1992 entzogen (I.). Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt (II.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass die Revisionswerberin nicht jene Frau sei, der unter dem Namen I O die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei. Dies begründete das Verwaltungsgericht beweiswürdigend mit den im Akt aufliegenden Farbfotografien der Revisionswerberin und jener Frau, der unter dem Namen I O die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, welche offenkundig Unterscheidungen aufwiesen, sodass von zwei unterschiedlichen Personen auszugehen sei. Sodann begründete das Verwaltungsgericht weiter, warum angesichts dieses offenkundigen Sachbeweises keine weiteren Beweise mehr aufzunehmen gewesen seien.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Die Revision bringt in der (alleine maßgeblichen) Zulässigkeitsbegründung zunächst vor, es liege „zweifelsohne“ eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weil gar kein Sachverhalt vorliege, „welcher unter einem der Entziehungstatbestände des § 15 PassG subsumiert werden könnte“. Es wäre eine „unerträgliche Rechtsauffassung“, wenn Reisepässe und Personalausweise ohne Feststellungen, welche sich unter die gesetzlichen Tatbestände subsumieren ließen, „einfach so“ entzogen werden könnten.

7 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 3.9.2018, Ra 2018/01/0348, mwN).

8 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit weiter einen „groben Verfahrensfehler“ behauptet, weil das Verwaltungsgericht die von der Revisionswerberin beantragten (näher bezeichneten) Beweise nicht aufgenommen habe, ist auf Folgendes hinzuweisen:

9 Gemäß § 14 Abs. 1 Z. 1 Passgesetz 1992 sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn der Passwerber seine Identität nicht nachzuweisen vermag. Unter „Identität“ im Sinn dieser Bestimmung wird die einwandfreie Feststellung von Namen und Geburtsdatum jener Person zu verstehen sein, für die der beantragte Reisepass ausgestellt werden soll. Diesbezüglich obliegt dem Passwerber die Beweislast (arg. „nachzuweisen“; vgl. zu allem VwGH 17.1.2006, 2002/18/0186, mwN).

10 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser im Revisionsmodell nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern - diese Aufgabe obliegt den Verwaltungsgerichten. Dem Verwaltungsgerichtshof kommt im Revisionsmodell eine Leitfunktion zu. Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes ist es, im Rahmen der Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (erstmals) die Grundsätze bzw. Leitlinien für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts festzulegen, welche von diesem zu beachten sind. Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kommt hingegen grundsätzlich dem Verwaltungsgericht zu, dem dabei in der Regel ein gewisser Anwendungsspielraum überlassen ist. Ein Aufgreifen des vom Verwaltungsgericht entschiedenen Einzelfalls durch den Verwaltungsgerichtshof ist nur dann unausweichlich, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien bzw. Grundsätze nicht beachtet hat und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse bzw. unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 28.1.2020, Ra 2019/01/0480, mwN).

11 In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass die Frage, ob eine Beweisaufnahme im verwaltungsgerichtlichen Verfahren notwendig ist, der einzelfallbezogenen Beurteilung durch das Verwaltungsgericht unterliegt. Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein „ausreichend ermittelter Sachverhalt“ vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. etwa VwGH 14.3.2019, Ra 2019/01/0071, mwN).

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2020

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